Die internationalen Allianzen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestanden und auch den Zusammenbruch der Sowjetunion überdauerten, brechen auseinander. Das zeigt der G7-Gipfel, der heute im sizilianischen Taormina zu Ende geht. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte am Vorabend des Treffens: „Es besteht kein Zweifel daran, dass dies der schwierigste G7-Gipfel seit Jahren sein wird.“
Die europäischen Medien benennen als Grund für die Krise der G7 das provokative und erratische Auftreten von US-Präsident Donald Trump. Doch Trump ist lediglich der Ausdruck eines grundlegenderen Problems. Ein knappes Jahrzehnt nach der globalen Finanzkrise, die 2008 die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs brachte, haben die Interessengegensätze zwischen den imperialistischen Mächten ein Ausmaß erreicht, das sich nicht mehr durch Gespräche und Diplomatie überbrücken lässt. Das wird vor allem anhand der Handels- und Klimapolitik deutlich, den beiden umstrittensten Themen des Gipfels.
Trump hatte bereits am Donnerstag die Wirtschaftspolitik Deutschlands heftig angegriffen. Bei einem Treffen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel bezeichnete er die Deutschen als „böse“ („The Germans are bad, very bad“) und drohte, den Verkauf von Millionen deutscher Autos in den USA zu stoppen.
Bei dem anschließenden Nato-Treffen griff Trump dann die anwesenden Staats- und Regierungschefs heftig an. „23 von 28 Staaten zahlen nicht, was sie zahlen sollten“, schimpfte er. Dies sei unfair gegenüber „dem Volk und den Steuerzahlern der USA“.
Auf dem Flug nach Italien wiederholte Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn dessen Drohungen. „Wir werden eine sehr kontroverse Debatte über den Handel haben und wir werden darüber reden, was frei und offen bedeutet“, sagte er. Es gehe um faire Spielregeln. Die USA würden andere Länder „so behandeln, wie sie uns behandeln“.
Das Pariser Klimaabkommen bezeichnete Cohn als „ungerecht“, weil es das Wirtschaftswachstum in den USA lähme und „ungleiche Wettbewerbsbedingungen“ schaffe. Auf dem Gipfel werde es eine „ziemlich robuste Diskussion“ über das Thema geben.
Im Wahlkampf hatte Trump den Austritt der USA aus dem Klimaabkommen versprochen, das Ende 2015 beschlossen wurde und seither von den USA, China, der Europäischen Union und zahlreichen weiteren Ländern ratifiziert worden ist. Die anderen G7-Staaten – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Italien und Kanada – warnen vor einem Austritt der USA.
Auf dem Gipfel kam es am Freitag dann bereits beim ersten Tagesordnungspunkt zu einer Konfrontation. Die US-Delegation blockierte einen Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise, den der Gastgeber Italien vorgelegt hatte. Mehrere Zeitungen titelten darauf: „Gipfel droht ein Debakel.“
Die italienische Regierung, die eine Schlüsselrolle bei der Abriegelung des Mittelmeers spielt, wollte sich wenigstens in Worten zu den Rechten von Flüchtlingen bekennen. Doch die USA lehnten das kategorisch ab. Laut informierten Kreise waren die US-Unterhändler nicht zu Verhandlungen bereit und vertraten den Standpunkt: „Nimm es oder sonst machen wir nichts.“
Im Entwurf der Abschlusserklärung steht nun auf Wunsch der USA zur Flüchtlingspolitik der Satz: „Wir bestätigen die souveränen Rechte der Staaten, ihre Grenzen zu kontrollieren und klare Grenzen für die Zuwanderung zu setzen.“
Europäische Medien und Politiker entrüsten sich über die „verfehlten, brutalen und rüpelhaften Methoden von Donald Trump“ (die französische Tageszeitung Le Monde). Vor allem in Deutschland schlägt die Empörung hohe Wellen.
Es mag sein, dass sich die Europäer höflicher und politisch korrekter benehmen als der amerikanische Präsident, doch sie verfolgen ihre globalen wirtschaftlichen und strategischen Interessen genauso skrupellos wie dieser.
Die Süddeutsche Zeitung bemerkte in einem Leitartikel zu Trumps Auftritt in Brüssel, die EU wolle dessen nationalistischer „America-first-Politik“ entgegentreten, indem sie sich als Verfechter offener Märkte positioniere. Sie fügte hinzu: „Die Europäer sind entschlossen, jene Lücke zu füllen, welche die USA nach Trumps Abkehr vom Welthandel hinterlassen werden. Zurzeit verhandelt die Europäische Kommission im Auftrag der EU-Staaten etwa 20 Handelsverträge weltweit, darunter mit Ländern wie Japan, Singapur und Vietnam.“
Genau darum geht es. Unter dem Druck sinkenden Wachstums, instabiler Finanzmärkte und heftiger sozialen Spannungen entbrennt zwischen den führenden imperialistischen Mächten wieder ein erbitterter Kampf um Absatzmärkte, Rohstoffe und strategischen Einfluss. Wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchen sie, sich gegenseitig zu übervorteilen und zu verdrängen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die G7 war 1975 als Reaktion auf die erste tiefe Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit ins Leben gerufen worden. Auf Schloss Rambouillet bei Paris trafen sich damals die Führer der sechs mächtigsten Industrienationen (Kanada war noch nicht dabei) zu „Kamingesprächen“, um zu verhindern, dass die Folgen des Zusammenbruchs des Wechselkurssystems von Bretton Woods und der ersten großen Ölkrise zu Handelskrieg und Krieg führen.
1998 wurde die G7 um Russland zur G8 erweitert. 2014 wurde Russland dann wegen der Annexion der Krim wieder ausgeschlossen. Nun wachsen auch die Konflikte und Spannungen zwischen den verbliebenen Mitgliedern. Das stellt nicht nur den Fortbestand der G7 in Frage, sondern auch den der Nato, des wichtigsten Militärbündnisses der vergangenen 70 Jahre.
Mit Aufmerksamkeit wurde registriert, dass Trump sich bei seinem Besuch im Brüsseler Nato-Hauptquartier weigerte, Artikel 5 des Nato-Vertrags zu bekräftigen, der alle Mitglieder verpflichtet, einem angegriffenen Nato-Land Beistand zu leisten.
Die Financial Times kommentierte: “Dass Herr Trump die gegenseitige Bündnisverpflichtung der Allianz nicht bestätigte, war ein Schock. Nicholas Burns, der US-Botschafter bei der Nato zur Zeit von 9/11, bezeichnete das als ‚großen Fehler‘. Er schrieb auf Twitter, seit Truman habe jeder US-Präsident seine Unterstützung für Artikel 5 erklärt. ‚Nicht so Trump heute bei der Nato.‘“
Die Nato war immer ein reaktionäres Militärbündnis, das in den vergangenen Jahren als Ganzes oder in wechselnden Koalitionen eine Schlüsselrolle bei den neokolonialen Kriegen im Nahen und Mittleren Osten und beim militärischen Aufmarsch gegen Russland spielte. Wenn sie nun unter dem Druck innerer Konflikte aufbricht, hat dies zur Folge, dass auch Kriege zwischen den westlichen Großmächten selbst wieder möglich und wahrscheinlich werden.
Das einzige, worüber sich alle Nato-Mitglieder einig sind, ist die Notwendigkeit, massiv aufzurüsten. Wie 1914 und 1939 führt die Krise des kapitalistischen Weltsystems wieder zu Krieg. Die einzige Möglichkeit, eine solche Katastrophe zu verhindern, ist der Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung, die sich auf die Arbeiterklasse stützt und für ein sozialistisches Programm kämpft.