Die Verteidigung der historischen Wahrheit und der Kampf gegen die AfD

Dieser Text wird heute als Flugblatt auf der Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Köln verteilt.

Zehntausende demonstrieren heute in Köln gegen den Parteitag der AfD, weil sie ihren widerwärtigen Nationalismus und Rassismus ablehnen. Der geistige Schmutz, die menschenverachtenden Parolen, der bornierte Nationalismus, die zu den schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit geführt haben, dürfen in Deutschland nie wieder eine Chance bekommen! Die Alpträume der Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen!

Aber warum wächst die AfD? Warum konnte Donald Trump amerikanischer Präsident werden, UKIP sich mit dem Brexit durchsetzen und Marine le Pen zur Mitfavoritin der französischen Präsidentenwahl werden? Mit den – äußerst beschränkten – rhetorischen und geistigen Fähigkeiten dieser Figuren lässt sich das nicht erklären.

Das Anwachsen der Rechten ist Teil einer umfassenderen Entwicklung. Es ist verbunden mit der Zunahme des Militarismus, der Aufrüstung des Polizei- und Überwachungsapparats und der unmenschlichen Flüchtlingspolitik der Europäischen Union, die Tausende im Mittelmeer ertrinken und Hunderttausende in Lagern vor sich hin vegetieren lässt.

Während die AfD an die rückständigsten Stimmungen und an die niedrigsten Instinkte appelliert, erhält sie ideologische Schützenhilfe von oben. Die herrschende Klasse ist sich darüber bewusst, dass die Rückkehr zu Militarismus und Großmachtpolitik angesichts der Erfahrung zweier Weltkriege auf überwältigende Opposition stößt. Deshalb müssen sie die Geschichte umschreiben und die Verbrechen des deutschen Imperialismus reinwaschen.

Wir wollen mit diesem Flugblatt auf Ereignisse an der Berliner Humboldt-Universität (HU) aufmerksam machen, die von zentraler Bedeutung sind, um den wachsenden Einfluss der Rechtsextremen zu verstehen – und denen unbedingt Einhalt geboten werden muss.

An der wichtigsten Universität der rot-rot-grün regierten Hauptstadt unterdrückt die Universitätsleitung systematisch Kritik an rechtsradikalen Professoren. Das Präsidium, an dessen Spitze die SPD-Politikerin Sabine Kunst steht, hat in einer offiziellen Stellungnahme „mediale Angriffe“ auf den Historiker Jörg Baberowski für „inakzeptabel“ erklärt und Kritikern mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht. Dabei ist die ultra-rechte Agenda des Professors so notorisch, dass selbst das Kölner Landgericht am 15. März urteilte, dass Baberowskis Positionen „einen hinreichenden Anknüpfungspunkt“ für die Bewertung als „rechtsradikal“ geben.

Baberowski ist ein erklärter Anhänger von Ernst Nolte, dem wohl bekanntesten Nazi-Apologeten unter den deutschen Historikern der Nachkriegszeit. „Nolte wurde unrecht getan. Er hatte historisch recht“, erklärte er Anfang 2014 im Spiegel. Im gleichen Artikel wurde der Humboldt-Professor mit den Worten zitiert. „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, das an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird“.

In einem 2009 veröffentlichten Aufsatz schrieb er, dass der Vergleich zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus in Bezug auf die Vorkriegsgeschichte „aus moralischer Perspektive nicht zugunsten der Bolschewiki“ ausfalle. In anderen Texten finden sich Passagen, laut denen der Vernichtungskrieg im Osten von den Nazis nicht als solcher geplant, sondern der Wehrmacht durch Stalin „aufgezwungen“ wurde. In seinem jüngsten Buch „Räume der Gewalt“ erdreistet er sich zur Aussage: „Nicht einmal in den Einsatzgruppen gab es besonders motivierte Antisemiten“.

Baberowskis Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus und des Dritten Reichs gehen Hand in Hand mit seinen Äußerungen gegen Flüchtlinge und zu Krieg und Gewalt.

Im Oktober 2014 sagte Baberowski auf einer Podiumsdiskussion im Deutschen Historischen Museum: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann sollte man die Finger davon lassen.“

Vor zwei Jahren hetzte Baberowski dann in Artikeln, Interviews und als Talkshow-Gast im AfD-Stil gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. In der F.A.Z. schrieb er damals: „Die Integration von mehreren Millionen Menschen in nur kurzer Zeit unterbricht den Überlieferungszusammenhang, in dem wir stehen und der einer Gesellschaft Halt gibt und Konsistenz verleiht. […] Gemeinsam Erlebtes, Gelesenes und Gesehenes – das war der soziale Kitt, der unsere Gesellschaft einmal zusammengehalten hat.“

Geht es nach dem Präsidium der HU, ist Kritik an solchen Äußerungen in Zukunft „inakzeptabel“. Wer sie trotzdem kritisiert, muss sich – so die Stellungnahme des Präsidiums – „Gewalt und Extremismus“ vorwerfen lassen und mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Das bedeutet Gleichschaltung und völlige Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Wenn man den Satz, „Hitler war nicht grausam“, nicht mehr kritisieren darf, dann darf man gar nichts mehr kritisieren.

Baberowski selbst hatte die Bremer Studierendenschaft verklagt, weil diese seine rechten Standpunkte kritisiert hatte. Obwohl er selbst in Berlin wohnt, hatte Baberowski seine Klage gegen den Bremer Asta beim Kölner Landgericht eingereicht, das wegen seiner restriktiven Auslegung der Pressefreiheit berüchtigt ist. Trotzdem unterlag er in einem wichtigen Punkt. Das Gericht befand, es gebe „einen hinreichenden Anknüpfungspunkt“ dafür, ihn als „rechtsradikal“ zu bezeichnen.

Konservative Medien, angeführt von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, reagierten auf dieses Urteil mit einer hysterischen Hetzkampagne. Ohne mit einer Silbe auf den Inhalt der Kritik an Baberowski einzugehen, stellten sie diesen als Opfer eines Angriffs auf die Freiheit der Wissenschaft dar und behaupteten, er werde von der trotzkistischen Jugendorganisation IYSSE verunglimpft und persönlich verfolgt.

Daran ist kein Wort wahr. Wir haben Baberowski weder persönlich verfolgt, noch seine Vorlesungen gestört. Aber wir haben auf eigenen Versammlungen, in Flugblättern, in Artikeln, die auf der World Socialist Web Site erschienen sind, und in dem Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda?“ seine reaktionären Standpunkte kritisiert und aufgezeigt in welchem größeren politischen Zusammenhang diese stehen.

Baberowski ist kein bedrängter Wissenschaftler, sondern ein rechter politischer Ideologe mit engen Verbindungen in höchste Regierungskreise und zur Bundeswehr. Er tritt ständig in Talkshows, Interviews und Zeitungsartikeln in Erscheinung. Neben anderen verteidigen ihn das rechtsextreme Magazin Compact, die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit und verschiedene rechtsradikale Blogs, darunter Politically Incorrect. Auch die rechtsextremen amerikanischen Websites Breitbart News und The Daily Stormer (eine moderne Version des antisemitischen Nazi-Hetzblatts „Der Stürmer“) haben Baberowski gefeiert.

Die Verteidigung Baberowskis durch die Universitätsleitung und die Medien hat direkte politische Auswirkungen. Rechte AfD-Ideologen wie Björn Höcke, der auf Facebook-Artikel Baberowskis verlinkt, und Jens Maier, die gegen den deutschen „Schuldkult“ wettern, das Holocaust-Mahnmal als „Schandmal“ bezeichnen und gegen „die Herstellung von Mischvölkern“ schimpfen, weil sie „die nationalen Identitäten auslöschen“, erhalten dadurch Auftrieb.

Jens Maier, die Nummer zwei auf der sächsischen AfD-Landesliste, äußerte jüngst sogar Verständnis für den norwegischen Massenmörder Anders Brevik. Anschließend behauptete er, er habe dessen Taten „weder entschuldigt, noch verharmlost“, sondern lediglich nach einer „Erklärung“ dafür gesucht. Derartige Rechtfertigungen sind typisch für die extreme Rechte. Auch Baberowski behauptet regelmäßig, er wolle nur „erklären“ und „verstehen“ oder sei falsch verstanden worden.

Das provokative Auftreten der Rechtsextremen hängt direkt mit der zunehmend militaristischen und undemokratischen Politik der Bundesregierung zusammen. Die deutschen Eliten versuchen trotz ihrer schrecklichen Verbrechen zwischen 1933 und 1945 erneut, Deutschland in eine militärische Großmacht zu verwandeln. Dies erfordert die Aufbau einer rechten Bewegung und die Schaffung eines autoritären Regimes. Das Umschreiben der Geschichte und die Verharmlosung des Nationalsozialismus spielen dabei eine zentrale Rolle.

Die IYSSE haben in einem Offenen Brief an HU-Präsidentin Kunst klargestellt, dass sie sich „weder einschüchtern noch in unserer Kritik einschränken lassen. Wir haben uns immer offen zu unseren Auffassungen bekannt und sind auch gerne bereit, darüber öffentlich zu debattieren. Aber wir sind nicht bereit, Zensur und die Einschränkung der Meinungsfreiheit hinzunehmen, und werden dagegen in und außerhalb der Universität Unterstützung mobilisieren.“

Wir rufen alle Demonstrationsteilnehmer auf, gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit an der Humboldt-Universität zu protestieren. Schreibt Protest-Emails an HU-Präsidentin Sabine Kunst unter praesidentin@hu-berlin.de und schickt eine Kopie der Mail an iysse@gleichheit.de. Mehr Artikel über die Auseinandersetzung an der Humboldt-Universität und das Umschreiben der Geschichte für reaktionäre politische Zwecke findet ihr auf der World Socialist Web Site unter wsws.org/de. Nehmt über iysse@gleichheit.de Kontakt zu uns auf, um zusätzliche Informationen zu erhalten. Unterstützt den Kampf gegen Krieg und rechte und militaristischen Ideologien an den Universitäten.  

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