Die griechische Syriza-Regierung verhandelt derzeit mit der Europäischen Kommission über weitere Sparmaßnahmen. In der letzten Woche hieß es in mehreren Medienberichten, dass eine informelle Einigung erzielt worden sei.
Die griechische Tageszeitung Kathimerini berichtete, dass die „Rahmenbedingungen für ein Abkommen möglicherweise beim nächsten planmäßigen Treffen der Eurogruppe am 7. April vorgelegt“ werden. Die Beamten könnten dann „alle gesetzlichen Maßnahmen ausarbeiten, die das griechische Parlament bis zum nächsten Treffen der Eurogruppe am 22. Mai einführen muss...“
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem erklärte allerdings am Freitag, dass die Überprüfung des griechischen Bailout-Programms, trotz der „Fortschritte“, wohl nicht bis zum nächsten Treffen der Finanzminister der Eurozone abgeschlossen sein werde.
Mehreren Medienberichten zufolge wären in der nächsten Sparrunde erneut 900.000 Rentner von Kürzungen betroffen, die ein Prozent des BIP einsparen sollen. Außerdem sei die Senkung des Steuerfreibetrags von derzeit 8.636 Euro auf 5.900 Euro geplant. Das würde bedeuten, dass viele schlecht bezahlte Arbeiter Steuern zahlen, obwohl sie teilweise nur 500 Euro im Monat verdienen. Syriza hat außerdem sein Versprechen aufgegeben, den Mindestlohn von momentan nur 683 Euro pro Monat wieder auf 751 Euro zu erhöhen, obwohl auch diese Summe dürftig ist.
Die Steuererhöhungen, die ebenfalls ein Prozent des BIP einsparen würden, sollen – genau wie die Einnahmen aus den Rentenkürzungen – zur Tilgung der fast 300 Milliarden Euro Schulden bei globalen Finanzinstituten genutzt werden.
Syriza und die EU sind offenbar bereit, die meisten Vorschläge des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Arbeitsmarktreformen zu übernehmen – mit Ausnahme der Erleichterung von Massenentlassungen. Außerdem sollen die Privatisierungen vorangetrieben werden. Geplant sind der Verkauf von 40 Prozent der Braunkohle- und Wasserkraftwerke des staatlichen Energieunternehmens DEI sowie die Privatisierung des Hafens von Thessaloniki.
Syriza und Vertreter der EU verhandeln schon seit Monaten darüber, wie Griechenland die Sparmaßnahmen des dritten Memorandums umsetzen soll. Die Vereinbarung, die im Juli 2015 unterzeichnet wurde, sieht vor, dass Griechenland 86 Milliarden Euro erhält, um seine Schulden abzuzahlen. Die Auszahlung der nächsten Finanztranche sowie jegliche Diskussionen über einen Schuldenerlass wurden an die Bedingung geknüpft, dass Griechenland weitere Sparmaßnahmen durchsetzt.
In den letzten Wochen kam erneut die Gefahr eines griechischen Staatsbankrotts auf, der zum sogenannten „Grexit“, also dem Austritt Griechenlands aus der EU und der Eurozone, führen würde. Obwohl das Land am Rande des Ruins steht, muss es bis Juli Schulden für Staatsanleihen im Wert von sieben Milliarden Euro begleichen.
Bereits bis Ende letzten Jahres hätte ein Abkommen ausgehandelt werden sollen. Hauptgrund für die Verzögerung waren Differenzen zwischen der EU und dem IWF über die Frage, wie man Griechenland am besten ausbluten sollte.
Der IWF betrachtet Griechenlands derzeitigen Schuldenstand als unhaltbar und spricht sich für einen Schuldenerlass aus. Als Gegenleistung fordert er jedoch weitere, noch drakonischere Sparmaßnahmen.
Während noch nicht endgültig feststeht, welche formale Rolle dem IWF bei der anhaltenden Austeritätspolitik in Griechenland zukommt, ruft er nach schärferen Angriffen auf die Arbeitnehmerrechte. Im Februar klagte er in einem Bericht, dass das griechische Gewerkschaftsrecht „seit den 1980er Jahren nicht mehr reformiert worden ist“. Dies „könnte erklären, warum in Griechenland so viele Streiks stattfinden. Bereits vor der Krise haben sie das in anderen Ländern übliche Ausmaß weit überschritten.“
Der Bericht forderte, dass Griechenlands Streikrecht an die „international bewährte Praxis“ angepasst werde, „indem angemessene Beschlussfähigkeitsregeln, nach denen Gewerkschaften einen Streik einberufen können, festgelegt werden und Arbeitgebern erlaubt ist, defensive Aussperrungen durchzusetzen.“ Dies würde „die Kosten einschränken, die mit der Aussicht auf Streiks und Störungen der Produktion assoziiert werden, und damit Investitionen fördern.“
Der IWF beklagte sich außerdem über zu restriktive Richtlinien für Massenentlassungen von Arbeitern, die den „Personalabbau in Griechenland sehr kostspielig machen. Viele Firmen sind daher gezwungen, Werke zu verlagern, Insolvenz zu beantragen oder kostspielige freiwillige Kündigungssysteme einzuführen.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble messen der Beteiligung des IWF eine politisch entscheidende Bedeutung für die Fortsetzung des griechischen Bailout-Programms bei. Das Handelsblatt schrieb, Schäuble wolle die nächste Tranche nur zahlen, wenn der IWF wie bei den ersten beiden Programmen mit an Bord ist. Andernfalls befürchte er eine Rebellion innerhalb seiner christdemokratischen Parlamentsgruppe, die erwartet, dass sich der IWF bei der finanziellen Hilfe Griechenlands beteilige.
Allerdings erwähnte das Handelsblatt auch Berlins Unnachgiebigkeit beim Thema Schuldenerlass und erklärte, Schäuble werde auf den Vorschlag des IWF vermutlich mit einem eindeutigen „Nein“ antworten. Der Hauptgrund dafür ist, dass die herrschende Elite in Deutschland am härtesten von einem Schuldenerlass betroffen wäre, da sie der größte Schuldner Griechenlands ist.
Ein weiteres mögliches Hindernis für die Teilnahme des IWF an dem Griechenland-Programm ist die „America First“-Politik von US-Präsident Donald Trump. Sie stellt die gesamte kapitalistische Ordnung der Nachkriegszeit infrage, in der der US-dominierte IWF eine wesentliche Rolle gespielt hat. Vor kurzem hat Trump mit Adam Lerrick einen entschiedenen Kritiker des IWF zum Untersekretär für internationale Finanzen im US-Finanzministerium ernannt.
Die Angst vor dem Grexit hat in diesem Jahr bereits zum Abfluss von 2,8 Milliarden Euro Kapital geführt. Die Financial Times nannte diese Summe „den schwersten Kapitalabfluss innerhalb von zwei Monaten seit das Land vor zwei Jahren nur knapp dem Ausschluss aus der Eurozone entkommen ist.“
Angesichts der eskalierenden Finanzkrise waren die Vertreter der EU gezwungen, die Gespräche über Griechenland zu intensivieren und den Forderungen des IWF entgegenzukommen. Am Dienstag erklärte ein anonymer Vertreter in einem Interview mit dem griechischen Nachrichtenportal Euro2day: „Die EZB [Europäische Zentralbank] hat eine Kehrtwende bei ihren Verhandlungen mit Athen vollzogen und nähert sich den Forderungen des IWF an, vor allem in der Frage einer Reform des Arbeitsrechts.“
Im Januar 2015 hatte Syriza die Wahl gewonnen, weil sie versprochen hatte, den Austeritätskurs zu beenden. Dass ihr einmal mehr die Verantwortung für weitere brutale Kürzungen übertragen wurde, unterstreicht das Ausmaß der Rechtsentwicklung dieser pseudolinken Partei.
Seit ihrem Wahlsieg hat Syriza gemeinsam mit ihrem Juniorpartner, den rechten Unabhängigen Griechen (ANEL), die Diktate der EU und des IWF durchgesetzt. Der Höhepunkt war die Unterzeichnung des dritten Sparpakets im Sommer 2015, mit dem sie sich über das Ergebnis des Referendums vom Juli hinweggesetzt hat. Darin hatte sich eine klare Mehrheit gegen die Austeritätspolitik der griechischen Regierungen seit 2010 ausgesprochen.
Syriza ist mittlerweile in breiten Teilen der Bevölkerung verhasst. Die Partei kommt bei Umfragen nur noch auf fünfzehn Prozent und liegt fünfzehn Punkte hinter der konservativen Nea Dimokratia (ND).
Die Feindseligkeit der Arbeiterklasse gegenüber Syriza äußerte sich in der jüngsten Welle von Streiks und Protesten. Am 15. März organisierten Pflegekräfte und Ärzte einen 24-stündigen Streik für kostenlose medizinische Versorgung, die Einstellung von zusätzlichem Personal und die rückwirkende Zahlung von gekürzten Löhnen. Gleichzeitig organisierte das Krankenhauspersonal eine Kundgebung gegen den Sparkurs vor dem Finanzministerium, die von der Bereitschaftspolizei angegriffen wurde.
Auch kommunale Beschäftigte, Hafenarbeiter und Angestellte der Steuerbehörden protestierten.
In der vorherigen Woche eskalierte eine Protestveranstaltung griechischer Bauern gegen Steuererhöhungen und Rentenkürzungen, nachdem Vertreter des Landwirtschaftsministeriums ein Treffen mit Delegierten verweigerten. Nach einem gewalttätigen Zusammenstoß drängte die Bereitschaftspolizei die Teilnehmer mit Tränengas in die Seitenstraßen.
Syriza hat die Austeritätspolitik so gründlich umgesetzt, dass bei einer Protestveranstaltung sogar eine Delegation von Blinden gegen Kürzungen ihrer Invalidenrente protestierten.
Eine landesweite Bewegung gegen Zwangsversteigerungen wirft Syriza vor, sie habe ihr Wahlversprechen gebrochen, den Banken die Beschlagnahme und Versteigerung von Arbeiterwohnungen zu verbieten.
Syriza verstärkt die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, um den wachsenden Widerstand gegen ihr Austeritätsprogramm zu unterdrücken. Zu diesem Zweck hat die Regierung dafür gesorgt, dass bei den Verhandlungen mit der EU und dem IWF auch die Wiedereinführung von Tarifverhandlungen auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Arbeitsministerin Efi Achtioglou (Syriza) betonte in einem Artikel für die Huffington Post die prokapitalistische Logik ihrer Forderung. Die Wiedereinführung von Tarifverhandlungen würde zu einem „Abbau der Transaktionskosten führen und in der Lohnpolitik gleiche Ausgangsbedingungen für die Unternehmen schaffen. Damit können sie sich auf ihre Produktivität, den Kampf gegen Schwarzarbeit und die Förderung von sozialem Dialog und sozialem Frieden konzentrieren.“