Italien: Pseudolinke gründen Sinistra Italiana

Mehrere hundert Vertreter der italienischen Pseudolinken versammelten sich vom 17. bis 19. Februar in Rimini, um die Partei Sinistra Italiana (Italienische Linke – SI) aus der Taufe zu heben. Sie soll die bürgerliche Herrschaft, die Europäische Union und den Euro in ihrer bisher tiefsten Krise verteidigen.

Die treibende Kraft hinter der neuen Linkspartei ist Nichi Vendola, ein ehemaliges Führungsmitglied der Kommunistischen Partei, der 1991 Rifondazione Comunista und 2009 das Parteienbündnis Sinistra, Ecologia, Libertà (Linke, Ökologie, Freiheit – SEL) mit gründete. Um ihn scharten sich in Rimini rund 650 Politiker, Gewerkschafter und Funktionäre, hauptsächlich aus der SEL und von Rifondazione Comunista, aber auch Abtrünnige von Matteo Renzis Demokraten (PD) und Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (M5S).

Die neue Partei hat ein äußerst schwammiges Programm, das sich auf den allerkleinsten gemeinsamen Nenner beruft, wie schon der Name „Italienische Linke“ zeigt. Das einzig Bestimmte dieser „Linken“ ist ihr Bekenntnis zu Italien. So heißt es im Statut, die SI sei eine „Vereinigung von Frauen und Männern, die sich zusammentun, um die Arbeit, wie sie sich im heutigen Italien bildet, zu repräsentieren …“.

Die SI ist nicht vollkommen neu: Als parlamentarische Liste besteht sie schon seit zwei Jahren. Nichi Vendola hatte sie im Juli 2015 auf den Weg gebracht, als es darum ging, den Verrat von Alexis Tsipras in Griechenland abzudecken und auch in Italien ein Gegenstück zur griechischen Syriza, der spanischen Podemos oder der deutschen Linkspartei aufzubauen. Ihr Vorläufer ist die „Lista con Tsipras“, ein Wahlbündnis, das vor drei Jahren zur Europawahl 2014 antrat.

Im August 2015 schrieb die World Socialist Web Site: „Es steht außer Zweifel, dass Vendola ebenso wie Tsipras bereit ist, alle sozialen Rechte der italienischen Arbeiterklasse auf dem Altar der Europäischen Union zu opfern. Angesichts der wachsenden Krise der Regierung Renzi will er zu diesem Zweck ein neues politisches Vehikel gründen.“

Diese Aufgabe stand nun im Mittelpunkt des Kongresses von Rimini. Die neue pseudolinke Partei hat die Aufgabe, die Opposition gegen die kriselnde Mittelinks-Regierung des Renzi-Vertrauten Paolo Gentiloni aufzufangen. Sie soll einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse zuvorkommen, die sich einer internationalen sozialistischen Perspektive zuwendet.

Die neue Partei wählte Nicola Fratoianni zu ihrem Sekretär. Der 45-Jährige, der seine Karriere als Jugendleiter in der KPI-Nachfolgepartei Rifondazione Comunista begann, leitete diese Partei jahrelang in Apulien und baute dann gemeinsam mit Nichi Vendola die SEL auf. Mehr und mehr wurde er zur rechten Hand Vendolas, der zehn Jahre lang, von 2005 bis 2015, als Regionalpräsident des bitterarmen Apulien amtierte.

In Rimini betonte Fratoianni, die neue Partei werde „ein breites politisches Projekt“ darstellen. Er versprach, sie werde auch mit der PD zusammenarbeiten, falls diese eine Wiederwahl Renzis ausschließe. Auch Vendola betonte: „Sinistra Italiana ist bereit, sich mit andern zusammenzuschließen.“ Er hoffe auf zehn Prozent der Stimmen bei den nächsten Wahlen.

Auch Arturo Scotto, SEL-Fraktionsführer im Parlament, formulierte die grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der PD. Scotto hatte mit Fratoianni um die neue Parteiführung rivalisiert, sich aber vor der SI-Gründung zurückgezogen. Vor dem Kongress erklärte Scotto: „Wir müssen uns ins Gefecht stürzen und nicht an der Seite stehen und zuschauen. Für mich ist das Mittelinkslager die Perspektive, ich blicke auf die Nach-Renzi-Zeit.“

Die PD befindet sich in einer tiefen Krise und droht auseinanderzubrechen, nachdem Matteo Renzis Verfassungsreform am 4. Dezember 2016 in einem Referendum klar gescheitert ist. Die deutliche Ablehnung von fast sechzig Prozent der Wahlberechtigten brachte den gesellschaftlichen Widerstand gegen die Sparpolitik der Renzi-Regierung und der Europäischen Union zum Ausdruck. Renzi trat als italienischer Regierungschef zurück und überließ den Posten seinem Vertrauten Paolo Gentiloni.

Für Renzi war der Rücktritt ein Manöver, um bei baldigen Neuwahlen erneut als Regierungschef anzutreten. Doch seither hat sich die Krise der PD verschärft. Am 19. Februar, am selben Wochenende, an dem die SI gegründet wurde, ist Renzi nun auch als Parteichef zurückgetreten.

Gleichzeitig kündigte er an, bei den Vorwahlen der PD ab dem 9. April wieder anzutreten. „Ihr könnt mich zwingen, zurückzutreten, aber ihr könnt mich nicht daran hindern, wieder zu kandidieren“, sagte er seinen innerparteilichen Gegnern, ehe er sich auf eine Reise nach Kalifornien verabschiedete.

Von dort her twittert er seither täglich und kommentiert die Parteikrise mit den Worten: „Während die Politik sich streitet, denke ich an die Zukunft“, oder: „Es ist schön, ein Patriot zu sein – Es lebe Italien!“ Die Zeitung Il Fatto Quotidiano vermutet, Renzi wolle die PD in eine „Partei der Nation“ oder „Partei für alle“ umwandeln.

Seine Gegner scharen sich um den früheren Parteichef Pier Luigi Bersani. Dieser fürchtet, die Regierungspartei werde auf diese Weise die Arbeiterklasse noch stärker gegen sich aufbringen. In der TV-Sendung „Martedí“ sagte Bersani, er hoffe, die Leute fassten das Ganze nicht als Streit um die Person von Renzi auf.

Bersani, Massimo D’Alema und andere PD-Größen hatten von Renzi verlangt, auf baldige Neuwahlen zu verzichten und Paolo Gentiloni bis zum Ende der Legislaturperiode im Februar 2018 im Amt des Regierungschefs zu belassen. Sie fürchteten, von vorgezogenen Neuwahlen könnten die EU-Gegner um Beppe Grillo und die Ultrarechten in der Lega Nord profitieren. Dies hatte Renzi jedoch abgelehnt.

Bersani, D’Alema und andere PD-Politiker der ersten Stunde wollen nun die Demokratische Partei verlassen. Sie haben angekündigt, am nächsten Parteikongress nicht mehr teilzunehmen. „Die Firma gibt’s nicht mehr“, kommentierte Bersani. Sogar der Ex-Gouverneur der Emilia Romagna, Vasco Errani, will Renzi verlassen. Erst vor kurzem hat Renzi ihn zum Sonderkommissar für den Erdbeben-Wiederaufbau ernannt.

Romano Prodi, der frühere Regierungschef, EU-Kommissar und Vertreter der Banken, der an der Gründung der PD beteiligt war, erklärte vor kurzem, die Partei begehe gerade „politischen Selbstmord“. In der Bevölkerung verliert sie zusehends an Unterstützung. Grund ist die ausweglose soziale Lage, eine Jugendarbeitslosigkeit von vierzig Prozent, eine grassierende Altersarmut, eine Pleitewelle unter kleinen und mittleren Unternehmen und die ungelöste Bankenkrise.

Die PD-Abtrünnigen und die neue Partei SI haben darauf keine fortschrittliche Antwort. Sie versuchen lediglich, dem raschen Auseinanderbrechen der Regierungspartei zuvorzukommen. Ähnlich wie der neue SPD-Vorsitzende Martin Schulz in Deutschland, der angeblich Teile der „Agenda 2010“ der Regierung Schröder wieder rückgängig machen will, wollen sie ein Referendum der Gewerkschaft CGIL unterstützen, um Renzis Arbeitsmarktreform namens Jobs Act wieder rückgängig zu machen. Dies sind durchsichtige Manöver, um die Wut und Opposition in der Bevölkerung unter Kontrolle zu halten.

Die Gründung von Sinistra Italiana dient dazu, diese Manöver abzudecken und den Ausbruch offener Klassenkämpfe zu unterbinden. Ähnlich wie Syriza in Griechenland sind diese geübten bürgerlichen Politiker auch bereit, der Regierung beizutreten, um selbst die Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzuführen. Gleichzeitig treiben sie mit ihrer nationalistischen und EU-freundlichen Politik den rechten Populisten die Wähler zu.

Ihr Programm unterscheidet sich nicht grundsätzlich von Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (M5S). Das zeigt schon der Umstand, dass mehrere M5S-Politiker sich von Grillo abgewandt und der neuen SI angeschlossen haben. Das gilt für die Senatoren Francesco Campanella und Fabrizio Bocchino, den Abgeordneten Adriano Zaccagnini, für Leandro Bracco und andere.

Grillo versucht, den Amtsantritt von Donald Trump für seinen eigenen Aufstieg zu nutzen, und fordert aggressiv rasche Neuwahlen. Er behauptet, seine Partei sei die einzige, die die notwendigen vierzig Prozent für eine Alleinregierung zustande bringen könne. In den Umfragen erreichen die Fünf Sterne derzeit knapp dreißig Prozent der Wählerstimmen.

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