Vor rund einer Woche verkündete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung eine massive Erhöhung des Wehretats und neue Auslandseinsätze der Bundeswehr. Nun legt sie nach und erklärt, dass die Truppenstärke der Bundeswehr in den nächsten Jahren auf nahezu 200.000 Soldaten anwachsen soll. Gegenwärtig liegt die Gesamtzahl aktiver Soldaten bei etwa 178.000.
In einer offiziellen Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums vom Dienstag heißt es, dass „für die kommenden sieben Jahre einen Bedarf von weiteren 5.000 militärischen, 1.000 zivilen Dienstposten sowie 500 zusätzlichen Stellen für Reservisten festgestellt“ wurde. Der „Zielumfang der Bundeswehr bis 2024“ werde „sich somit auf insgesamt 198.000 Soldatinnen und Soldaten und rund 61.400 Haushaltsstellen für zivile Beschäftige erhöhen“.
Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte von der Leyen in einem Tagesbefehl die sogenannte „Trendwende Personal“ verkündet und eine schrittweise Personalerhöhung eingeleitet. Anfang Dezember folgte dann die neue „Personalstrategie der Bundeswehr“. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump werden die Forderungen der Regierung nach Aufrüstung und Krieg immer aggressiver.
In der aktuellen Pressemitteilung heißt es: „Die Bundeswehr muss auf außen- und sicherheitspolitische Einflüsse jederzeit angemessen reagieren können.“ Ziel der „Trendwende Personal“ sei es, „die Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr zu erhöhen, die Robustheit zu stärken und wichtige Zukunftsfähigkeiten aufzubauen.“
Insgesamt seien „99 Einzelmaßnahmen geplant, um die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zu steigern“. Dazu gehörten „unter anderem Spezialisten für den neuen Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum, Besatzungen für die Korvetten K 130 (2. Los), Stärkung der Unterstützungskräfte der Streitkräftebasis (Logistik/ABC-Abwehr), Aufstellung eines 6. Panzerbataillons, Ausbau unserer Sanitätsversorgung im In- und Ausland sowie weitere Schritte, mit denen wir Auswirkungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie abfedern wollen.“
Es besteht kein Zweifel, dass sich die Bundeswehr auf Krieg vorbereitet. Warum sonst die massive personelle und materielle Aufrüstung? „Die Bundeswehr ist gefordert wie selten zuvor“, stellt von der Leyen in der Pressemitteilung klar. „Etwa im Kampf gegen den IS-Terror, bei der Stabilisierung Malis, der anhaltenden Unterstützung Afghanistans, gegen den Menschenschmuggel im Mittelmeer und in der Ägäis, oder mit unserer erheblichen Präsenz für die Nato im Baltikum.“
Bezeichnenderweise verkündete das Verteidigungsministerium noch am gleichen Tag die Verlegung von schwerem Gerät und weiteren Kampftruppen in Richtung russische Grenze. „20 Marder und sechs Kampfpanzer Leopard sowie drei Bergepanzer sind auf dem Weg nach Litauen“, heißt es in einem Bericht auf der offiziellen Website der Bundeswehr. Insgesamt seien seit Mitte Januar rund 120 Container und 200 Fahrzeuge verladen und mit insgesamt neun Eisenbahnzügen nach Litauen gebracht worden. Bis Ende der Woche würden sich dann die restlichen der insgesamt 450 Soldaten auf den Weg machen, um eine dort eine insgesamt 1000-Mann starke Battlegroup der Nato anzuführen.
Die Verlegung von Nato-Kampftruppen nach Osteuropa – weitere Battlegroups werden in Estland (unter Führung Großbritanniens), Lettland (Kanada) und Polen (USA) aufgestellt – ist Bestandteil der Kriegsoffensive gegen Russland, die im Juli 2016 auf dem Nato-Gipfel in Warschau beschlossen wurde. Dazu gehören auch der Aufbau eines Nato-Raketenabwehrsystems in Rumänien und Polen, die Schaffung einer 5000 Mann starken schnellen Eingreiftruppe und die Aufstockung der Nato Response Force von 13.000 auf mindestens 40.000 Soldaten.
Bürgerliche Medien wie der Spiegel rechtfertigen „die größte Truppenverlegung Richtung Osten seit Ende des Kalten Krieges“ und die Entsendung des ersten deutsche Kampfbataillons nach Osteuropa seit dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg als „eine Reaktion auf die Vereinnahmung der ukrainischen Krim durch Russland“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Das stellt die Wahrheit auf den Kopf. Tatsächlich ist nicht Moskau der Aggressor, sondern die Nato. Bevor die Krim im März 2014 Russland eingegliedert wurde, hatten Washington und Berlin in Kiew in enger Kollaboration mit extrem rechten Kräften einen Putsch gegen die russlandfreundliche Janukowitsch-Regierung organisiert. Seitdem zündelt die Nato und nutzt die überwiegend defensive Reaktion Moskaus, um systematisch aufzurüsten und Russland immer stärker militärisch unter Druck zu setzen.
Wie weit Teile der deutschen Eliten dabei zu gehen bereit sind, unterstreicht ein Kommentar im Tagesspiegel unter dem Titel „Nuklearwaffen gegen Russland: Deutschland braucht Atomwaffen“. Der Politikwissenschaftler an der Universität Hagen und vormalige Referent für Sicherheitspolitik und Strategie im Verteidigungsministerium Maximilian Terhalle erklärt: „Ein Deutschland [...], das die Macht von Putins Russland begrenzen will, um unabhängig und damit politisch unbeugsam ein Europa aufrechtzuerhalten, das unseren innen- und außenpolitischen Handlungsspielraum erhält, muss dies militärisch und damit nuklear tun.“
Terhalle begründet seine atomaren Großmachtphantasien mit Trumps „pro-russischem Kurs“ und den mangelhaften Arsenalen der „beiden Sicherheitsratsmitglieder“ Frankreich und Großbritannien. Diese seien „zu geringen Umfangs, zu taktisch ausgerichtet und teilweise veraltet“ und könnten „damit in keiner Weise umfassende Abschreckung liefern“. Außerdem könne man sich im Ernstfall schlicht nicht „darauf verlassen, dass sich der stärkere Partner (z.B. Großbritannien) im Ernstfall atomar für [Deutschland] verbürgt und Russland atomar entgegenstellt“. In „einem worst-case Szenario“ müsse Deutschland „für sich selber einstehen können“. Das sei „es seiner Bevölkerung schuldig“.
Man fragt sich, ob Leute wie Terhalle eigentlich noch alle Tassen im Schrank haben? Als angeblicher „Sicherheitsberater“ sollte er wissen, dass ein „worst-case Szenario“ – also ein atomar geführter Krieg mit Russland – das Potential hätte, nicht nur die deutsche Bevölkerung zu vernichten, sondern die gesamte Menschheit auszulöschen. Arbeiter und Jugendliche müssen derartige Kommentare todernst nehmen. 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die herrschende Klasse wieder bereit, schreckliche Verbrechen zu begehen, um ihre geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen global durchzusetzen.