Unter dem Vorwand, die Offensive gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im benachbarten Irak auszuweiten, bereitet das Pentagon die Entsendung von Hunderten oder sogar Tausenden US-Soldaten nach Syrien vor.
Die Trump-Regierung hat das Pentagon angewiesen, seine Offensive gegen den IS über 30 Tage auszuwerten. Vorschläge zur Verschärfung der Intervention werden für Ende des Monats erwartet. Medienberichten zufolge werden auch weitere Optionen in Erwägung gezogen, darunter eine Verschärfung der Luftangriffe in Syrien sowie eine verstärkte Ausbildung und Bewaffnung der kurdischen Miliz YPG. Letztere wurden von den USA als Stellvertretertruppen bei Angriffen auf IS-kontrollierte Gebiete in Syrien benutzt.
Ein Sprecher des Pentagon erklärte am Mittwoch auf dem US-Nachrichtensender CNN: „Möglicherweise werden reguläre Truppen eine zeitlang in Syrien stationiert werden.“ Laut Informationen aus dem Militär würden die US-Truppen zuerst in einen Bereitstellungsraum in Kuwait geschickt und von dort aus nach Syrien verlegt werden.
Die Webseite Military.com schrieb am Mittwoch, „mehrere Quellen aus dem Militär“ hätten bestätigt, dass die Entsendung von etwa 2.000 Soldaten aus der zweiten Brigadekampfgruppe der 82. Luftlandedivision in die Region vorbereitet wird.
Der Nachrichtensender NBC News zitierte Aussagen von Pentagon-Sprechern, laut denen zuerst mehrere Hundert zusätzliche Soldaten entsandt werden, die als „Wegbereiter, Schutztruppe und technische Berater“ fungieren sollen. Der Sender wies jedoch darauf hin, dass sie unabhängig von ihrer Größe vermutlich durch andere Kräfte unterstützt werden müssten, die für kurze Zeit im rotierenden Wechsel stationiert werden würden.
Momentan sind mehr als 500 Angehörige von Spezialeinheiten im Norden Syriens aktiv, die Luftangriffe koordinieren und als „Ausbilder und Berater“ bei den kurdischen Truppen tätig sind. Fast 6.000 weitere US-Soldaten werden in den angrenzenden Irak entsandt.
Wenn Washington tatsächlich Tausende von amerikanischen Fallschirmjägern nach Syrien schickt, wäre das faktisch eine Invasion. Ein solches Vorgehen würde eine noch größere Eskalation nach sich ziehen. Es wären beträchtliche Boden- und Luftstreitkräfte notwendig, um sie zu versorgen und zu schützen.
Der Oberbefehlshaber der US-Spezialeinheiten, General Raymond Thomas, erklärte am Dienstag, dass auch eine Verschärfung des Luftkriegs im Gespräch sei. Bereits jetzt fordern die amerikanischen Luftangriffe immer mehr syrische Todesopfer.
General Thomas erklärte während der „Special Operational/Low Intensity Conflict”-Konferenz des Verbands der Rüstungskonzerne in Washington D.C.: „Die Regierung hat einige Empfehlungen vorliegen. Wir werden sehen, wofür sie sich entscheidet.“
Er prahlte vor den versammelten Rüstungsunternehmern, dass durch die US-Intervention bereits 60.000 IS-Kämpfer getötet worden seien. „Ich bin zwar kein Fan von morbiden Auflistungen der Todeszahlen, aber das ist relevant.“, sagte Thomas. „Wenn die Leute also fragen, ob man aggressivere [Maßnahmen] braucht, oder bessere [Einsatzregeln], würde ich sagen, dass wir momentan verdammt erfolgreich sind.“
Diese „morbide Auflistung von Todeszahlen“ umfasst fast dreimal so viele Personen wie die Gesamtzahl der IS-Kämpfer, die sich laut Schätzungen des Pentagon im Irak und Syrien befanden, als Washington im Jahr 2014 die „Operation Inherent Resolve“ begann. Bisher hat niemand versucht, diese Diskrepanz zu erklären. Das Pentagon hat fast alle der immer zahlreicher werdenden Berichte über zivile Todesopfer durch Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten zurückgewiesen. Eine Verschärfung der Luftangriffe wird dieses Blutbad nur noch weiter verschärfen.
Die Stationierung amerikanischer Bodentruppen in Syrien würde eine dramatische Eskalation des unübersichtlichen militärischen Konflikts bedeuten, der sich zu einem regionalen Krieg oder sogar zu einem Weltkrieg ausweiten könnte.
Letzten Monat kündigte Trump in einem Fernsehinterview an, er bereite einen Erlass an das Pentagon vor. Es soll im Norden Syriens von den USA kontrollierte „sichere Zonen“ einrichten, hauptsächlich um den Flüchtlingsstrom aus dem Land einzudämmen. Dieser Schritt ist Teil von Trumps Plänen, in den USA ein reaktionäres Einreiseverbot für Muslime durchzusetzen.
Auch die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hatte sich für die Einrichtung solcher Sicherheitszonen ausgesprochen. Allerdings hatte die Obama-Regierung die Forderungen beider Parteien nach einer derartigen Eskalation der amerikanischen Intervention im Syrienkrieg abgelehnt. Um diese Zonen einzurichten, hätten die USA sowohl Teile des Staatsgebiets als auch des Luftraums in Syrien unter ihre Kontrolle bringen müssen. Dies wiederum hätte zu einer direkten militärischen Konfrontation mit den Truppen der Assad-Regierung und der russischen Boden- und Luftstreitkräfte geführt, welche die syrische Regierung gegen die US-finanzierte Intervention für einen Regimewechsel unterstützen.
Trump hatte mit der Idee sympathisiert, gemeinsam mit Russland in Syrien und im Irak gegen den IS vorzugehen. Allerdings hatte sich sein Verteidigungsminister, General James Mattis, am Donnerstag dieser Position entgegengestellt. Mattis erklärte bei einem Nato-Treffen in Brüssel: „Wir sind momentan nicht in einer Lage auf militärischer Ebene [mit Russland] zusammenzuarbeiten.“ Gemeinsame Operationen seien erst möglich, wenn sich Moskau „bewiesen hat“.
Während des Treffens der Außenminister der G20-Staaten in Bonn äußerte sich US-Außenminister Rex Tillerson in ähnlich aggressiver Weise gegenüber seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow über die Meinungsverschiedenheiten zwischen Washington und Moskau hinsichtlich der Ukraine und der Krim.
Während Mattis und Tillerson eine härtere Haltung gegenüber Russland ankündigen, traf sich Generalstabschef Joseph F. Dunford vom Marine Corps am Donnerstag in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku mit dem russischen Generalstabschef Waleri Gerassimow. Dies waren die ersten Diskussionen auf hoher Ebene zwischen dem amerikanischen und dem russischen Militär seit dem Putsch in der Ukraine und der anschließenden Nato-Aufrüstung gegen Russland, die von den USA organisiert wurden.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Nach dem Treffen wurde eine Erklärung veröffentlicht, laut der die amerikanischen und russischen Oberbefehlshaber vereinbart hätten, die „Kommunikation über stabilisierende Maßnahmen zu stärken“, die zur Vermeidung „unbeabsichtigter Zwischenfälle“ nötig seien. Syrien wurde in der Erklärung zwar nicht ausdrücklich erwähnt, allerdings existieren dort bereits seit 2015 Verbindungen, die Konfrontationen zwischen amerikanischen und russischen Kampfflugzeugen vermeiden sollen. Sollte das US-Militär seine Präsenz ausweiten, würde sich auch die Gefahr solcher Zusammenstöße erhöhen.
Abgesehen von „unbeabsichtigten Zwischenfällen“ würde jede Militärintervention der USA in der Hauptsache nicht gegen den IS gerichtet sein oder dem „Krieg gegen den Terror“ dienen, sondern vor allem auf Kosten der größten US-Rivalen Iran, Russland und China die strategischen Interessen des US-Imperialismus im ölreichen Nahen Osten fördern.
Unter der Obama-Regierung haben die USA mit dieser Strategie einen schweren Rückschlag erlitten, vor allem seit die Regierungstruppen im letzten Dezember Ost-Aleppo zurückerobert haben. Nach dieser Niederlage haben die von den USA unterstützten „Rebellen“ keine reale Aussicht mehr, die Assad-Regierung zu stürzen. Die Niederlage in Syrien hat zu erbitterten Schuldzuweisungen im amerikanischen herrschenden Establishment geführt, die eng mit den Versuchen zusammenhängen, Kriegshysterie gegen Russland zu schüren.
Diese Ausrichtung zeigte sich deutlich in einer Erklärung der einflussreichen Washingtoner Denkfabrik Center for Strategic and International Studies, die am Mittwoch unter dem Titel „Halbe Maßnahmen in Syrien: Die USA müssen entschlossen handeln oder das Land verlassen“ veröffentlicht wurde.
Das Papier wurde von Jon Alterman, einem ehemaligen Vertreter des Außenministeriums, verfasst. Er beklagt, dass Washington „Milliarden in das Problem Syrien investiert hat, aber bei der Lösung des Konflikts abseits steht. Russland hat viel weniger eingebracht und hat einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf das Ergebnis.“
Alterman argumentiert weiter, das angebliche Ziel, den IS zu besiegen, trage „nicht viel zur Zukunft Syriens“ bei. Es würde „die Assad-Regierung stärken, ohne großen Einfluss auf die Bedingungen einer Einigung über Syrien auszuüben.“
Abschließend erklärte er, die USA hätten die Wahl, ob sie „Syrien Assad überlassen“ oder „den Druck in Syrien verschärfen sollen, vermutlich durch eine Verstärkung ihrer militärischen Aktivitäten. Sie könnten damit drohen, nicht nur gegen [den IS] vorzugehen, sondern auch gegen die Verantwortlichen für Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung.“ Eine solche Strategie berge zwar „das Risiko eines Konflikts mit Russland, würde den USA allerdings auch mehr Mitspracherecht über die Zukunft Syriens und mehr Einfluss im Nahen Osten geben.“
Mit anderen Worten: Der amerikanische Militär- und Geheimdienstapparat und die Trump-Regierung erwägen die Stationierung von US-Truppen, um den Krieg zum Regimewechsel in Syrien fortzuführen. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen den beiden größten Atommächten der Welt.