Trump setzt Auflagen für Finanzsektor außer Kraft

Ende vergangener Woche unterzeichnete US-Präsident Trump Dekrete zur Aufhebung der Regulierungen für den Finanzsektor, die nach dem Wall-Street-Crash 2008 von der Obama-Regierung verhängt worden waren.

Zum einen geht Trump gegen den Dodd-Frank-Act vor, ein umfassendes gesetzliches Regelwerk zur Bankenregulierung aus dem Jahr 2010. Zum zweiten hat er das ursprünglich für April vorgesehene Inkrafttreten eines Gesetzes verschoben, mit dem Finanzdienstleister verpflichtet werden sollten, bei der Beratung zur Altersvorsorge im Sinne der Kunden und nicht der eigenen Gewinnmaximierung zu handeln.

Die Unterzeichnung der Dekrete zugunsten der Wall Street wurde medienwirksam inszeniert. Der Milliardärspräsident unterzeichnete sie nach einem Treffen mit seinem Wirtschaftsrat, dem National Economic Council. Vorsitzender dieses Rats ist Stephen A. Schwarzman, der milliardenschwere CEO der großen Investmentgesellschaft Blackstone.

Unter den rund einem Dutzend geladenen Konzernchefs befanden sich auch Jamie Dimon, ebenfalls Milliardär und CEO der größten US-Bank JPMorgan Chase, sowie Laurence D. Fink, seines Zeichens Multimillionär und Chef der Investmentfirma BlackRock.

„Wir gehen davon aus, dass ein großer Teil von Dodd-Frank gestrichen wird, weil, ehrlich, es gibt so viele Leute, Freunde von mir, die schöne Unternehmen hatten und keinen Kredit bekommen“, erklärte Trump in seiner typisch ungezwungenen Art. Lobend hob er hervor, dass Dimon als CEO von JPMorgan Chase den Dodd-Frank-Act seit jeher erbittert bekämpft hat. Seine Bank musste nach der Krise von 2008 Strafzahlungen in Milliardenhöhe leisten, weil sie gegen zahlreiche aufsichtsrechtliche Vorschriften und Gesetze verstoßen hatte. So war sie in die betrügerische Vergabe von Hypothekendarlehen verwickelt, die 2007 den Kollaps des Immobilienmarkts in den USA auslöste. Dimon, der bereits zu Zeiten von Trumps Vorgänger im Weißen Haus ein und aus ging, galt einige Zeit als „Obamas Lieblingsbanker“.

„Niemand kann mir besser etwas über Dodd-Frank erzählen als Jamie“, ließ Trump verlauten.

Auch für CEO Fink war der neue Präsident des Lobes voll, hatte doch BlackRock Trumps Geldanlagen stets mit einer „tollen Rendite“ verwaltet.

Nichts könnte Trumps Pose als Anwalt der einfachen Arbeiter klarer entlarven.

Die Wall Street feierte den Angriff auf die Regulierung des Finanzsektors mit einem Kaufrausch, insbesondere bei Beteiligungen an Banken und Finanzinstituten. Die größten Gewinner waren JPMorgan, Goldman Sachs und Visa. Der Dow-Jones-Index stieg an einem Tag um 186 Punkte und machte vorangegangene Verluste wieder wett. Er schloss mit 20.071 Punkten erneut oberhalb der 20.000er-Marke. Auch die Indizes Standard & Poor’s 500 und Nasdaq verzeichneten hohe Kursgewinne, der Nasdaq bewegte sich zu Handelsschluss in rekordverdächtigen Gefilden.

Trumps Vorgehen gegen die Regulierung des Finanzsektors liegt auf einer Linie mit seinem Plan, die Konzerne von allen gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Schranken zu befreien. Seit seiner Amtsübernahme vor zwei Wochen hat er Dekrete über die Aufhebung von Regulierungen quer durch die Bank unterzeichnet, den Bau der Keystone- und der Dakota-Access-Ölpipeline freigegeben und langjährige Gegner von Arbeitssicherheits- und Umweltschutzgesetzen mit der Leitung der dafür zuständigen Ressorts betraut.

Das Weiße Haus plant Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche, ein Infrastrukturprogramm, das auf Steuergeschenke an Privatinvestoren hinausläuft, einen Einstellungsstopp für Behörden und Ministerien sowie beispiellose Kürzungen bei staatlichen Gesundheits- und Rentenprogrammen. Kurz, Trumps Wirtschaftsprogramm richtet sich nach dem Wunschzettel der Finanzoligarchie.

Der Präsident und seine Gefolgschaft bezeichnen den Dodd-Frank-Act als „Desaster“ und „staatliche Überregulierung“ und stellen seine Vereinbarkeit mit der Verfassung in Frage. In Wirklichkeit besteht dieses Gesetz weitgehend aus kosmetischen Maßnahmen, die vertuschen sollten, dass Obama die Wall Street und die Finanzelite mit Milliardensummen aus der Staatskasse rettete.

Kein einziger führender Banker wurde unter Obama für die illegalen Machenschaften zur Rechenschaft gezogen, die zur größten Finanzkatastrophe und tiefsten Rezession seit den 1930er Jahren führten. Dutzende Millionen Arbeiterfamilien in den USA und anderen Ländern verloren ihre gesamten Ersparnisse und wurden in Armut gestürzt.

Trotz der minimalen Beschränkungen durch den Dodd-Frank-Act explodierten die Gewinne der Banken in der Amtszeit Obamas. Das Vermögen der reichsten 400 Amerikaner stieg von 1,57 auf 2,4 Billionen Dollar, der Dow-Jones-Index legte um 148 Prozent zu, und die Vermögens- und Einkommenskonzentration bei den obersten 10 Prozent, insbesondere dem oberen 1 Prozent bzw. 0,01 Prozent, erreichte ein zuvor nie erreichtes Ausmaß.

Und doch duldet die Finanzoligarchie nicht die kleinste Einschränkung ihres „Rechts“, die Wirtschaft in den USA und weltweit auszuplündern. Unter Obama wurde der Weg für eine Regierung bereitet, die nun nicht nur in ihrer Politik, sondern auch in ihrer personellen Zusammensetzung die Oligarchie verkörpert – geführt von einem milliardenschweren Immobilienspekulanten und Reality-TV-Star.

Neben Trump werden mindestens drei Multimilliardäre hochrangige Kabinettsposten besetzen: Wilbur Ross, Betsy DeVos und Carl Icahn. Hinzu kommen die Multimillionäre Stephen Mnuchin, Rex Tillerson, Andrew Puzder, Elaine Chao und Gary Cohn, der seine Stellung als Vizechef von Goldman Sachs aufgab, um künftig Trumps Wirtschaftsrat zu leiten.

Nicht nur Cohn war früher bei Goldman Sachs beschäftigt, sondern auch Mnuchin und Trumps Chefberater Stephen Bannon. Der langjährige Goldman-Sachs-Jurist Jay Clayton übernimmt die Führung der US-Börsenaufsichtsbehörde, der Securities and Exchange Commission.

„Wir werden alle Aspekte von Dodd-Frank ins Visier nehmen“, erklärte Cohn am Freitag dem Fernsehsender Bloomberg Television. Er verstieg sich zu der absurden Behauptung, mit dem Gesetz würden die US-Banken „in Ketten gelegt“.

Das Weiße Haus könne dabei „eine ganze Menge“ selbst erledigen, doch die Regierung werde auch mit der republikanischen Mehrheit im Kongress zusammenarbeiten, um den Auflagen für die Banken den Garaus zu machen. Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben angekündigt, in den kommenden Wochen ein Gesetz einzubringen, das den Dodd-Frank-Act ablösen soll.

Insbesondere zwei Bestimmungen von Dodd-Frank sind Cohn ein Dorn im Auge. Die erste ist die sogenannte Volcker-Regel. Sie beschränkt den Eigenhandel der Banken, d. h. die Banken dürfen nicht auf eigene Rechnung, sondern nur im Auftrag ihrer Kunden spekulative Anlagengeschäfte betreiben. Diese Art von Finanzwetten hat 2008 wesentlich zum Zusammenbruch des Finanzsektors beigetragen. Die Wall-Street-Banken, allen voran Goldman Sachs und JPMorgan, drängen seit langem auf die Abschaffung der Volcker-Regel.

Die zweite Bestimmung betrifft das Consumer Financial Protection Bureau, eine weitgehend zahnlose Verbraucherschutzbehörde, die der US-Notenbank angegliedert ist. Sie soll die Öffentlichkeit vor betrügerischen Machenschaften der Banken, Kreditkartenunternehmen und anderer Finanzinstitute schützen. Cohn ließ durchblicken, dass das Weiße Haus womöglich die Verkleinerung oder völlige Abschaffung dieser Behörde verlangen und als ersten Schritt den Rücktritt ihres Direktors Richard Cordray fordern werde. „Personalfragen sind politische Fragen“, erklärte er.

Als weitere Amtshandlung unterzeichnete Trump eine Anweisung an den Arbeitsminister, das ursprünglich für April geplante Inkrafttreten eines neuen Verbraucherschutzgesetzes zu verschieben. Nach diesem Gesetz wäre es Finanzberatern künftig untersagt, für die Altersvorsorge überteuerte Geldanlagen vorzuschlagen, um selbst höhere Provisionen zu kassieren. Eine von der Obama-Regierung in Auftrag gegebene Studie hatte 2015 ergeben, dass den Käufern von Altersvorsorgeprodukten „durch von Interessenkonflikten geprägte Beratungsleistungen“ pro Jahr Kosten in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar entstehen.

Zur gleichen Zeit, als Trump seine Dekrete unterzeichnete, stimmten die Republikaner im Senat für die Rücknahme einer mit dem Dodd-Frank-Act verbundenen Vorschrift für Erdölkonzerne. Danach waren diese Unternehmen zur Offenlegung von Zahlungen verpflichtet, die sie im Zusammenhang mit ihrer globalen Geschäftstätigkeit an Regierungsstellen leisten. Besonders der neue Außenminister Rex Tillerson hatte sich in seiner Funktion als CEO von Exxon Mobil gegen diese Auflage gewehrt.

Die nun erteilte Amnestie für Bestechung und kriminelle Machenschaften zeigt, was die Trump-Regierung mit ihrer Politik der verbrannten Erde gegen jede Art von staatlicher Regulierung im Wesentlichen erreichen will.

Die Demokraten werden nichts dagegen unternehmen. Ihre Opposition gegen Trump dreht sich um Fragen der imperialistischen US-Außenpolitik. Sie richtet sich nicht gegen seine Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte der arbeitenden Bevölkerung.

Arbeiter, die sich auf der Suche nach einer Alternative zum politischen Establishment zu der Hoffnung verleiten ließen, dass Trump tatsächlich wieder ordentlich bezahlte Arbeitsplätze schaffen werde, dürften sehr bald eines Besseren belehrt werden. Die Erkenntnis, dass sie ein weiteres Mal hinters Licht geführt wurden, wird explosive Folgen haben.

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