Trump brüskiert australischen Premierminister

Am letzten Wochenende soll US-Präsident Donald Trump Medienberichten zufolge während eines Telefonats mit dem australischen Premierminister Malcolm Turnbull ausfällig geworden sein und dann unvermittelt aufgelegt haben. Dieser Vorfall wurde offenbar bewusst von den höchsten Kreisen des Weißen Hauses publik gemacht.

Laut einem Bericht der Washington Post vom Donnerstag hatte Trump Turnbull attackiert, weil dieser ihn gebeten hatte, ein Flüchtlingsabkommen einzuhalten. Dieses Abkommen hatte Turnbull noch mit der Obama-Regierung ausgehandelt und sieht die Aufnahme von Flüchtlingen aus Australien vor. Trump, der notorisch gegen Flüchtlinge hetzt, nannte dies den „schlechtesten Deal aller Zeiten“. Er warf Turnbull vor, er wolle „die nächsten Boston-Attentäter“ in die USA exportieren.

Doch Trump ging noch weiter. Er sagte zu Turnbull, ihr Gespräch sei „das schlimmste“ von den vier Telefonaten gewesen, die er an diesem Tag mit internationalen Regierungschefs geführt hatte, unter anderem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nach nur fünfundzwanzig Minuten brach Trump das Gespräch ab, obwohl dafür eigentlich eine Stunde eingeplant war. Laut der Zeitung war das Telefonat damit „deutlich kürzer als seine Gespräche mit dem japanischen Premier Shinzo Abe, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande und Putin.“

Bevor die Details öffentlich gemacht wurden, hatte Turnbull erklärt, das Gespräch „endete herzlich“. Außenministerin Julie Bishop hatte behauptet, das Telefonat wäre „sehr freundlich“ und „sehr verbindlich“ gewesen. Turnbull sagte am Donnerstag, er sei „sehr enttäuscht“, dass Details über das Telefonat durchgesickert sind.

Der Vorfall war sicherlich nicht nur ein persönlicher Affront gegen Turnbull. Er war vielmehr ein absichtlicher Warnschuss gegen seine Regierung und das ganze australische Establishment und dreht sich um die Zukunft des Militärbündnisses mit den USA, das seit dem Zweiten Weltkrieg besteht. Trumps faschistoider Chefstratege Stephen K. Bannon, sein militaristischer Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn und sein Pressesprecher Sean Spicer saßen während des Anrufs im Oval Office.

Am Donnerstag bekräftigte Trump bei einer Rede in Washington seine „America First“-Politik, die eine Kriegserklärung an Verbündete und Rivalen der USA bedeutet. Er erklärte, die Welt sei durcheinander, aber er werde „alles wieder in Ordnung bringen“. Weiter sagte er: „Machen Sie sich keine Sorgen, wenn sie von meinen harten Telefongesprächen hören... Wir müssen hart sein. Es ist Zeit, dass wir etwas Härte zeigen, Leute. Praktisch alle Länder auf der Welt nutzen uns aus. Aber damit ist jetzt Schluss.“

Zuvor hatte Trump in Gangstermanier erklärt, er „liebe Australien als Land“, aber er habe „ein Problem“ mit dem Flüchtlingsdeal. Sein Sprecher Spicer bekräftigte, Trump sei „unglaublich enttäuscht“ über diesen „furchtbaren Deal“. Flüchtlinge würden erst nach einer „sehr strengen Sicherheitsüberprüfung“ in die USA einreisen dürfen.

In Wirklichkeit war diese drakonische Sicherheitsüberprüfung bereits ein zentraler Bestandteil des Abkommens, welches die Obama-Regierung letztes Jahr ausgehandelt hatte. Es zielte darauf ab, die reaktionäre Flüchtlingspolitik auf beiden Seiten des Pazifiks zu verstärken. Kein einziger der mehr als 2.000 Flüchtlinge, die von Australien unbefristet auf dem Inselstaat Nauru und der Insel Manus vor Papua-Neuguinea interniert wurden, hat einen garantierten Anspruch auf Einreise in die USA.

Trumps rücksichtsloses Verhalten gegenüber Turnbull hat die australische Regierung und die Medien in Unruhe versetzt. Sie zeigen ihnen mit brutaler Klarheit, dass die Aggressivität der neuen US-Regierung bedrohliche Implikationen hat. Nicht zuletzt drängt Washington laut Medienberichten auf mehr militärisches Engagement Canberras, vor allem im Nahen Osten und im Südchinesischen Meer.

In den letzten sechs Jahrzehnten haben australische Regierungen in alle Kriege, die von den USA angezettelt wurden, Soldaten geschickt, um zu morden und ermordet zu werden – von Korea und Vietnam bis Afghanistan, Irak und Syrien. Als Gegenleistung wurde Australien von den USA militärisch und strategisch geschützt. Doch Trump fordert jetzt noch mehr. Er will „Amerika wieder groß machen“ und sich gegen seine Rivalen durchsetzen, darunter China und Deutschland.

Die australischen Medien haben weitgehend totgeschwiegen, was das Weiße Haus von Turnbull als Gegenleistung für das Flüchtlingsabkommen gefordert hat oder vermutlich bald fordern wird. Am Freitag schrieb der freie Journalist Paul Kelly in der Zeitung The Australian: „Wenn Trump den Deal absegnet, wird er als geschäftsorientierter Präsident zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Gegenleistung verlangen. Und Turnbull wird zustimmen. Er weiß, dass er sein politisches Kapital bereits verbraucht hat.“

Am Mittwoch berichtete der Australian unter Berufung auf anonyme „hochrangige Informanten“ aus den USA, die Trump-Regierung hätte sich auf Drängen Canberras bereit erklärt, ihr umfassendes Einreiseverbot für Immigranten zu ändern. Auf diese Weise soll das „im Vorfeld vereinbarte“ Flüchtlingsabkommen umgesetzt werden.

Allerdings sei das Weiße Haus „nicht zufrieden“ und habe „kein Geheimnis daraus gemacht, dass von Australien letzten Endes eine Gegenleistung erwartet würde“. Ein Informant erklärte: „Die Gefälligkeit wird nicht sofort eingefordert werden... aber irgendeine Gegenleistung wird früher oder später kommen. Und wahrscheinlich wird sie aus Militärübungen für die Freiheit der Seefahrt [im Südchinesischen Meer] oder dem Einsatz von Spezialeinheiten im Irak bestehen.“

Unter Turnbulls Vorgänger Tony Abbott hatte die liberal-nationale Regierung unter dem Vorwand, den Islamischen Staat zu bekämpfen, Kampfflugzeuge und andere Streitkräfte in den erneut aufgeflammten Krieg im Irak geschickt. Wenn australische Spezialeinheiten an der Seite amerikanischer Bodentruppen kämpfen würden, wäre dies eine deutliche Eskalation der US-amerikanischen Hegemonialpolitik im rohstoffreichen Nahen Osten.

Obwohl die Turnbull-Regierung Washingtons Linie folgt, hat sie sich bisher noch nicht daran beteiligt, wie die USA Kriegsschiffe oder Flugzeuge in die Territorialgebiete um die von China kontrollierten Inseln im Südchinesischen Meer zu schicken. Unter dem Vorwand, sie würde die „Freiheit der Seefahrt“ verteidigen, hat die Obama-Regierung drei provokante Operationen durchgeführt und damit die Spannungen mit Peking und die Gefahr eines Kriegs zwischen den Atommächten USA und China verschärft.

Trump und sein neuer Außenminister Rex Tillerson haben China gedroht, ihm den Zugang zu den Inseln zu versperren, was einer Kriegshandlung gleichkäme. Ein solcher Konflikt könnte verheerende Folgen für die australische Kapitalistenklasse haben, da China Australiens größter Exportmarkt ist.

Der neue US-Präsident erhöht jetzt deutlich den Druck auf Canberra, den bereits Obama im Rahmen seiner Asienpolitik ausgeübt hatte. Dieser hatte 2011 im australischen Parlament den „Pivot to Asia“ verkündet, um die USA militärisch und strategisch auf einen Krieg gegen China vorzubereiten. Als der damalige Labor-Premierminister Kevin Rudd Mitte 2010 vorgeschlagen hatte, die USA sollten Chinas Wirtschaftswachstum und seinen wachsenden Einfluss hinnehmen, wurde er durch einen Hinterzimmer-Putsch in der Labor Party beseitigt, der von Labor-Mitgliedern mit engen Verbindungen zur amerikanischen Botschaft, darunter der heutige Labor-Vorsitzende Bill Shorten, organisiert wurde.

Barack Obama selbst hatte Turnbull offen gewarnt. Dieser stand Obamas „Pivot“ anfangs etwas kritisch gegenüber. Letzten September berichtete die Australian Financial Review (AFR), die australischen Geheimdienste würden Turnbull wegen seiner früheren Wirtschaftsbeziehungen in China „nicht trauen“. Zwei Monate später enthüllten Medienberichte, dass Obama Turnbull bei einem Treffen in Manila dafür gerügt hat, dass er sich nicht mit Washington abgesprochen hatte, bevor er den Handelshafen Darwin für 99 Jahre an ein chinesisches Unternehmen verpachtete.

Die australischen Medien reagierten alarmiert auf das schroffe Telefonat zwischen Trump und Turnbull und gingen auf die möglichen Folgen ein, beispielsweise den Einfluss, den das Gespräch auf den ohnehin zurückgehenden öffentlichen Rückhalt für das Bündnis mit den USA haben könnte.

Der Chefkorrespondent des Politikressorts der AFR, Phillip Coorey, schrieb: „Wenn Trump Australien weiterhin wie den letzten Dreck behandelt, wird der öffentliche Rückhalt für jede Art von Hilfe für die USA, wie die Genehmigung der US-Truppenstationierung in Darwin oder sogar australische Unterstützung bei einem Abenteuer im Südchinesischen Meer, sehr schnell schwinden.“

Professor James Curran vom US Studies Centre an der Universität Sydney äußerte Bedenken über die weitere Entwicklung: „Wenn bereits wegen relativ unwichtiger Fragen so schnell derartige Spannungen entstehen, was wird dann bei einer echten Krise passieren?“ Das US Studies Centre, ein proamerikanischer Thinktank, soll dazu beitragen, die ablehnende Haltung der australischen Bevölkerung gegenüber den USA seit dem Einmarsch im Irak 2003 zu überwinden.

Andere Stimmen aus den Medien und dem politischen Establishment wollen zwar das Bündnis mit den USA beibehalten, bezweifeln aber seine Zuverlässigkeit. Peter Hartcher, politischer Redakteur des australischen Medienunternehmens Fairfax Media, erklärte am Freitag, es sei Zeit, dass „Australien aufwacht“. Der „Moment des Bündnisschocks“ könnte Australien dazu bringen, „mehr für sich selbst zu tun“ und das Land „könnte sich aus einem Zustand pubertärer Abhängigkeit von Amerika zu einem erwachseneren Staat entwickeln“.

Solche Äußerungen sind Teil der Versuche der herrschenden Elite, den öffentlichen Widerstand gegen die Trump-Regierung in reaktionäre nationalistische Kanäle zu lenken. Sie setzen sich für eine „unabhängigere“ Außenpolitik ein, um die Interessen der australischen herrschenden Klasse zu verfolgen.

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