Am Freitag veröffentlichten die amerikanischen Geheimdienste einen Bericht über die angeblichen Hackerangriffe Russlands auf die E-Mail-Server des Nationalkomitees der Demokratischen Partei und des Vorsitzenden von Hillary Clintons Wahlkampfteam, John Podesta. Der Bericht enthält keinerlei Beweise für diese Vorwürfe, sondern nur unbestätigte Schlussfolgerungen der CIA, des FBI und der NSA. Sie benutzen ganze neunzehnmal die Phrase „wir schätzen“, ohne auch nur durch eine Tatsache die Schuld Russlands zu demonstrieren.
Das Dokument, das am Freitagnachmittag veröffentlicht wurde, war eine freigegebene Version eines 50-seitigen „streng geheimen“ Berichts, der am Donnerstag Präsident Obama und am Freitagmorgen den Fraktionsführern im Kongress und dem designierten Präsidenten Trump vorgelegt wurde. Doch laut zwei Geheimdienstlern, die am Donnerstag mit NBC News und der Washington Post sprachen, enthält die vertrauliche Version ebenso wenig schlagkräftige Beweise wie die öffentliche.
Der freigegebene Text behauptet nicht einmal, es gäbe Beweise zur Bekräftigung seiner Schlüsse, die aus Sicherheitsgründen nicht im öffentlichen Dokument aufgeführt würden. Man kann daraus nur den folgenden Schluss ziehen: Wir, die Geheimdienste, haben uns unser Urteil gebildet, und ihr, die amerikanische Bevölkerung, müsst es blind glauben.
Eines enthüllt die 25-seitige freigebene Version jedoch. Fast die Hälfte dieses Dokuments ist eine Neuauflage eines CIA-Berichts vom Dezember 2012, der sich mit der Berichterstattung des englischsprachigen, von der russischen Regierung unterstützten Senders RT befasst. Dieser hatte umfangreich über die Occupy Wall Street-Proteste von 2011 und die Wahlkämpfe von Drittparteien bei der Präsidentschaftswahl 2012 berichtet.
Dieser Anhang deutet im Wesentlichen an, dass jeder, der das Zweiparteiensystem infrage stellt oder die „Gier der Konzerne“ kritisiert, ein Agent der russischen Regierung ist. Eine solche Behauptung würde selbst den früheren Kommunistenjäger Joseph McCarthy erröten lassen.
Über den tatsächlichen Inhalt der gehackten und veröffentlichten E-Mails des DNC und von Podesta schweigt sich der Geheimdienstbericht völlig aus: wahre Informationen über die Versuche des DNC, den Präsidentschaftswahlkampf von Senator Bernie Sanders zu sabotieren, und die Protokolle von Clintons unterwürfigen Reden an Wall Street-Banker, darunter Goldman Sachs.
Die längere, vertrauliche Version des Berichts wurde dem designierten Präsidenten Trump am Freitagmorgen bei einer Besprechung mit den vier höchsten Beamten des amerikanischen Geheimdienstapparats vorgelegt: Dem Direktor der nationalen Geheimdienste (DNI) James Clapper, CIA-Direktor John Brennan, FBI-Direktor James Comey und NSA-Direktor Admiral Michael Rogers.
Schon vor der Besprechung äußerte Trump in einer Reihe von Twitter-Meldungen Zweifel. Er bezog sich auf Presseberichte, laut denen das FBI keine forensische Untersuchung des DNC-E-Mail-Servers durchgeführt hat, weil das DNC die Kooperation verweigert hat. Er forderte außerdem eine Untersuchung des Kongresses über die Veröffentlichung von Details aus dem vertraulichen Bericht an NBC und die Washington Post, bevor der Bericht ihm selbst und dem Kongress übergeben wurde.
Nach der Besprechung hinter verschlossenen Türen veröffentlichte Trump eine flüchtige Erklärung aus drei Absätzen, in der er das Treffen als „konstruktiv“ beschrieb“ und seinen „ungeheuren Respekt für die Arbeit und den Dienst dieser Männer und Frauen“ der Geheimdienste erklärte. Er rief zur ständigen Wachsamkeit gegen Versuche „Russlands, Chinas und anderer Länder und außenstehenden Gruppen“ auf, die versuchen könnten, in die Cyber-Infrastruktur der USA einzudringen. Seine Erklärung endete mit einer Absage an jede „öffentliche Diskussion“ über die „Methoden, Werkzeuge und Taktiken, mit denen wir Amerika sicher halten“, da dies nur „denen helfen würde, die uns schaden wollen.“
Seit fast vier Monaten veranstalten die amerikanischen Medien ein Zetergeschrei über angebliche russische Hackerangriffe auf den Präsidentschaftswahlkampf. Am 7. Oktober erklärte James Clapper, der für siebzehn Geheimdienste spricht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin praktisch zum persönlich Verantwortlichen für die Hackerangriffe. Doch der faktische Inhalt dieser Hetzkampagne besteht, wie jetzt klar wurde, aus nichts und wieder nichts.
Der Bericht, der am Freitag veröffentlicht wurde, spricht Russland sogar vom Vorwurf des Eingriffs ins amerikanische Wahlsystem frei und erklärt, dass es keinen erkennbaren Einfluss auf die technische Seite der Wahl ausgeübt habe, wo die Stimmen von kommunalen und staatlichen Beamten gezählt werden. Das Heimatschutzministerium, das in allen Bundesstaaten mit Wahlbeamten in Kontakt war, kam zu dem Schluss, dass das Hacking „keinen Einfluss auf die Auszählung der Stimmen hatte.“
Das völlige Fehlen stichhaltiger Beweise hat die Kampagne der Medien nicht im Geringsten aufgehalten. Am Freitag ging sie weiter mit einem Leitartikel in der New York Times mit dem Titel „Donald Trump weist Geheimdienste zurück“. Genau wie frühere Ergüsse der Times sprach auch dieser Artikel den überführten Lügnern und Halsabschneidern an der Spitze des amerikanischen Geheimdienstapparats völlig unkritisch sein Vertrauen aus.
Der Leitartikel behauptete, Trump würde „faktisch daran arbeiten, Institutionen zu delegitimieren, deren Aufgabe es ist, über Risiken, Drohungen und Fakten zu berichten, die ein Präsident braucht, um die Sicherheit der Nation zu gewährleisten.“ Er attackierte Trump für seine angebliche Unterstützung für WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der darauf beharrt hatte, Russland sei nicht die Quelle der E-Mails von Podesta und des DNC, die WikiLeaks veröffentlicht hat.
Die Times kam zu dem Schluss, dass sich Trump selbst Probleme für seine künftige Rolle als Oberbefehlshaber schafft: „Nachdem er so hart daran gearbeitet hat, die amerikanische Bevölkerung davon zu überzeugen, dass man den Geheimdiensten nicht trauen kann, was wird er dem Land dann sagen, wenn ihn Agenten über eine eindeutige und akute Gefahr informieren?“
Der Kolumnist David Ignatius von der Washington Post, der engste Beziehungen zum Militär- und Geheimdienstapparat hat, stellte die Tatsache so dar, als würde sich Trump auf die Seite Russlands statt auf die Seite der amerikanischen Geheimdienste stellen. Ignatius lobte den Auftritt von James Clapper vor dem Militärausschuss des Senats, erwähnte aber nicht, dass Clapper nachweislich Meineid geleistet hat: nur drei Monate vor Snowdens Enthüllungen hatte er bei einer Zeugenaussage vor dem Kongress unter Eid geleugnet, dass die NSA umfassende Spionageaktivitäten betreibt.
Die Tatsache, dass die künftige Trump-Regierung die Theorie von den russischen Hackerangriffen zurückgewiesen hat, obwohl sie von sämtlichen Medien verbreitet wird, macht deutlich, dass hinter den Kulissen innerhalb der herrschenden Elite ein erbitterter Kampf um die Außen- und Militärpolitik stattfindet.
Trumps Berater haben versucht, die Hacking-Vorwürfe gegen Russland mit Andeutungen abzublocken, China sei verantwortlich oder zumindest ein genauso gefährlicher Gegner im Cyberkrieg. Darin äußert sich die Orientierung der Trump-Regierung, statt Russland China als Hauptgegner des US-Imperialismus ins Visier zu nehmen – jedenfalls für die unmittelbare Zukunft.
Was ist das logische Ergebnis der Kampagne um „russische Hackerangriffe“ auf die Wahl? Was sind die Implikationen der unaufhörlichen Vorwürfe der Obama-Regierung, der Demokraten und vieler Republikaner im Kongress, Russland hätte eine „kriegerische Handlung“ gegen die USA begangen? Sind die Hintermänner dieser Kampagne bereit, gegen Russland in den Krieg zu ziehen? Wie weit würde ein solcher Krieg gehen, wenn man berücksichtigt, dass Russland und die USA zusammen 95 Prozent der weltweit vorhandenen Atomwaffen besitzen? Wie viele hundert Millionen Menschen würden dabei sterben?
Die amerikanischen Medien und das politische Establishment weigern sich, diese Fragen offen zu stellen. Allerdings besteht kaum Zweifel daran, dass diese Fragen in den spezialisierten Denkfabriken, in denen die herrschende Elite und ihr Militär- und Geheimdienstapparat ihre Strategien ausarbeiten, lebhaft diskutiert werden. Die amerikanische Bevölkerung könnte in eine eskalierende Konfrontation gezogen werden, die Schritt für Schritt zu einem Krieg gegen die Atommacht Russland führt.