Die Parti de l'égalité socialiste (PES, Sozialistische Gleichheitspartei) wurde Mitte November 2016 auf ihrer Gründungskonferenz in Paris als französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) anerkannt.
Einstimmig verabschiedete die Konferenz zwei programmatische Dokumente: die Erklärung des IKVI „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ und die Gründungserklärung der PES „Für den Aufbau der Parti de l’égalité socialiste!“, die wir an dieser Stelle in deutscher Übersetzung veröffentlichen.
Auch in Frankreich schlägt sich die Krise des Kapitalismus in Militarismus, Staatsaufrüstung, Sozialabbau und im Aufstieg rechtsextremer Parteien nieder. Damit einher geht die Desintegration des alten „linken“ Establishments, d. h. der Sozialistischen und der Kommunistischen Partei samt ihrer diversen Satelliten, die aus Renegaten der trotzkistischen Bewegung hervorgegangen sind.
Die PES ruft die Leser der WSWS und Anhänger des IKVI in Frankreich auf, die Dokumente der Gründungskonferenz der PES sorgfältig zu lesen und im ganzen Land zu verbreiten. Alle, die mit dem darin dargelegten Programm übereinstimmen, sollten Mitglied der PES werden und sie als revolutionäre Führung der Arbeiterklasse in Frankreich aufbauen.
Hier geht es zum Kontaktformular der PES.
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Für den Aufbau der Parti de l’égalité socialiste!
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) gründet die Parti de l´égalité socialiste (PES) als seine französische Sektion. Die PES kämpft dafür, die Arbeiter in Frankreich für das Programm der sozialistischen Weltrevolution zu gewinnen, das vom IKVI vertreten wird und auf der ununterbrochenen Kontinuität basiert, mit der das IKVI den Trotzkismus und das Erbe des klassischen Marxismus verteidigt hat. Das IKVI ist zuversichtlich, dass dieses Programm vor dem Hintergrund der zunehmenden Weltkrise des Kapitalismus und ihrer Auswirkungen auf das politische Establishment Frankreichs wachsende Unterstützung gewinnen wird.
Vor einem Vierteljahrhundert, als die stalinistische Bürokratie die UdSSR auflöste, behaupteten die Apologeten des Kapitalismus, dass mit dem angeblichen Ende der kommunistischen Gefahr Frieden, Wohlstand und Demokratie Einzug halten würden. Stattdessen hat der Kapitalismus in den vergangenen 25 Jahren den Arbeitern weltweit vor Augen geführt, weshalb ihre Klassengenossen in Russland dieses System vor hundert Jahren, in der Oktoberrevolution von 1917, unter der Führung der bolschewistischen Partei stürzten.
Der globale Wirtschaftszusammenbruch, der vom Börsenkrach 2008 ausgelöst wurde, und die ersten revolutionären Reaktionen des Weltproletariats – die Massenaufstände in Ägypten und Tunesien 2011 – haben den Wettlauf der imperialistischen Mächte um die Neuaufteilung der Welt stark beschleunigt. Die Umgebung Europas, vom Nahen Osten und Afrika bis hin zu Osteuropa und Asien, wird von Kriegen überzogen, die zu einem neuerlichen Weltkrieg zu eskalieren drohen.
Im Inneren hat der europäische Kapitalismus das pazifistische und reformistische Gewand abgelegt, mit dem er sich während des Kalten Krieges getarnt hatte, um der politischen und ideologischen Herausforderung zu begegnen, die ihm die Sowjetunion durch ihre bloße Existenz auferlegte. Die Europäische Union (EU) setzt ihr Austeritätsdiktat auf dem ganzen Kontinent rücksichtslos durch, tritt soziale Rechte mit Füßen, verteilt zugleich Milliarden aus Rettungsprogrammen an die Banken und schafft die rechtlichen und überwachungstechnischen Voraussetzungen für einen Polizeistaat. Die Infrastruktur für die polizeiliche Überwachung soll vor allem dazu dienen, Arbeiterproteste gegen Sozialkürzungen gewaltsam niederzuschlagen.
Die politische Lage in Frankreich ist durch einen enormen Widerspruch gekennzeichnet. Vor knapp 200 Jahren leisteten die revolutionären Traditionen des französischen Proletariats einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung des Marxismus. Die Oktoberrevolution stieß in der französischen Arbeiterklasse auf große Unterstützung, und auch ihre großen revolutionären Kämpfe im 20. Jahrhundert bildeten wesentliche strategische Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse. Doch obwohl der Kapitalismus heute unter dem Druck der zunehmenden Kriegstendenzen und der tiefsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression ins Taumeln gerät, gibt es außerhalb des IKVI keine einzige Tendenz in Frankreich, die sich den revolutionären Sturz des Kapitalismus durch die Arbeiterklasse und den Aufbau des Sozialismus zum Ziel gesetzt hat.
Die Kräfte, die seit 1968 die Politik der „Linken“ dominieren, legen gegenüber dem Sozialismus und der Arbeiterklasse eine erbitterte Feindschaft an den Tag. Dabei hat die reaktionäre Politik von Krieg, Sozialkürzungen und Angriffen auf demokratische Rechte, wie sie die Sozialistische Partei (PS) und ihre Satelliten eine ganze historische Periode lang betrieben haben, mittlerweile den Zorn der Bevölkerung wachgerufen. Heute ist völlig klar, dass die Gründung der PS 1969, der jahrzehntelange Niedergang der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) und die Prägung der offiziellen „linksextremen“ Politik durch Veteranen der Studentenbewegung von 1968 zur völligen politischen Entmündigung der Arbeiter geführt haben.
So erklärte Hollande während seiner Wahlkampagne 2012 vor einer Versammlung von Bankern in London: „Es gibt in Frankreich heute keine Kommunisten mehr. Die Linke hat die Wirtschaft liberalisiert und die Märkte für den Finanzsektor und die Privatisierung geöffnet. Es gibt nichts zu befürchten.“
Über Jahrzehnte hinweg haben die PS und ihre Verbündeten ihre „linke“ Politik auf die Wünsche abgestimmt, die wohlhabende Teile der Mittelklasse mit ihrem Lebensstil verbanden. Sie treten nicht für Opposition gegen den Imperialismus ein, sondern für „humanitäre“ Kriege; nicht für Klassenkampf, sondern für den „gesellschaftlichen Dialog“ zwischen Gewerkschaftsbürokratie und Großkonzernen; nicht für die internationale Solidarität der Arbeiter, sondern für Islamfeindlichkeit und Nationalismus. In dem Maße, in dem diese Leute als Vertreter des Sozialismus auftreten können, treiben sie wütende und verzweifelte Wähler in die Arme der neofaschistischen Nationalen Front (FN).
Aber der Klassenkampf duldet keine Unterbrechung. Wenn die bestehenden Parteien politische Werkzeuge der Bourgeoisie sind, besteht die entscheidende Aufgabe darin, eine revolutionäre Alternative für die Arbeiterklasse aufzubauen. Die PES kämpft darum, als Vorhut der Arbeiterklasse zu einer Massenpartei zu werden. Dabei stützt sie sich auf die Kontinuität des Kampfs für den Trotzkismus, den das IKVI gegen die Sozialdemokratie, den Stalinismus und den kleinbürgerlichen Antimarxismus geführt hat.
Es ist der herrschenden Klasse nicht gelungen, die Erinnerung an Trotzki und den Trotzkismus in Frankreich auszulöschen. Der Name Trotzkis ist auf immer verknüpft mit der Opposition gegen den Verrat des Stalinismus an den revolutionären Möglichkeiten im Frankreich des 20. Jahrhunderts: dem Generalstreik von 1936, der Befreiung von der nationalsozialistischen Besatzung 1944 und dem Generalstreik 1968.
Dabei weiß die PES durchaus, dass ein Bekenntnis zum Trotzkismus nicht ausreicht, um die Massen der Arbeiter und Jugendlichen für sich zu gewinnen oder ihnen den Inhalt ihres Programms zu vermitteln. Seit 45 Jahren wird der Trotzkismus in Frankreich fälschlicherweise mit den Nachkommen der kleinbürgerlichen Renegaten des Trotzkismus identifiziert, die im Umkreis oder innerhalb der PS agieren. Seit 1971 hatte das IKVI in Frankreich keine Sektion mehr. Damals spaltete die Organisation communiste internationaliste (OCI, die heutige Parti ouvrier indépendant démocratique, POID) unter Pierre Lambert mit der britischen Socialist Labour League (SLL), der vormals führenden Sektion des IKVI. Die OCI schloss sich dem internationalen Milieu kleinbürgerlicher Gruppen an, dem sich das IKVI bei seiner Gründung 1953 entgegengestellt hatte. Zu diesem Milieu gehörten in Frankreich die Ligue communiste révolutionnaire (LCR, heute Nouveau parti anticapitaliste (NPA)) und Lutte ouvrière (LO). Dass diese Parteien keine Alternative zur PS darstellen, wurde in jüngster Zeit durch die Rolle ihrer griechischen Verbündeten Syriza unter Beweis gestellt. Nachdem Syriza 2015 in Griechenland an die Regierung gekommen war, setzte sie das Kürzungsdiktat der EU sklavisch um.
Die PES verdeutlicht den fortgeschrittenen Arbeitern den unversöhnlichen Gegensatz zwischen dem Kampf, den das IKVI als trotzkistische Organisation für den proletarischen Internationalismus führt, und diesen pseudolinken Parteien. Die PES ist ein unversöhnlicher Gegner dieser Parteien. Sie hält es für unmöglich, irgendeine dieser Organisationen als trotzkistisch einzustufen oder sie durch Druck zu einer trotzkistischen Politik zu bewegen. Den Vorwurf des „Sektierertums“ weist die PES mit Verachtung zurück. Aus dem Munde dieser Parteien richtet er sich gegen den Kampf für politische Prinzipien. Die Opposition der PES gegen die Pseudolinken basiert auf den historischen und politischen Lehren aus dem jahrzehntelangen revolutionären Kampf des IKVI und seiner Vorläufer.
Die PCF und der Verrat des Stalinismus
Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Generalstreik 1968 war die Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) die führende Partei in der französischen Arbeiterklasse. Sie nutzte ihre engen Verbindungen zum Kreml und ihre Stellung in der Führung des bewaffneten Widerstands gegen die Nazibesatzung während des Zweiten Weltkriegs aus, um sich in Frankreich als Erbe der Oktoberrevolution darzustellen. Das dadurch gewonnene Ansehen missbrauchte sie zur Verbreitung von Nationalismus und zum Verrat an den großen revolutionären Möglichkeiten, die sich im 20. Jahrhundert boten. Im Verlauf des letzten halben Jahrhunderts diskreditierte sie sich durch den Verrat am Generalstreik von 1968, durch ihre Rolle als Stütze und Juniorpartner von PS-Regierungen und durch die Unterstützung für die vom Kreml betriebene Restauration des Kapitalismus in der UdSSR. Ihre Geschichte bestätigt Trotzkis Kritik am Stalinismus als konterrevolutionäre und antimarxistische Reaktion, die sich gegen die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution richtet.
Im Jahr 1935 verabschiedete die stalinisierte Dritte Internationale die Strategie der Volksfront, mit der bürgerliche Regierungen unterstützt wurden, und gab den Kampf für die sozialistische Revolution außerhalb der UdSSR bewusst auf. Mit dieser Strategie, die sich aus ihrer Abkehr von der Weltrevolution und ihrer Theorie des „Sozialismus in einem Land“ (der UdSSR) ergab, verstieß die Sowjetbürokratie unmittelbar gegen einen kardinalen Grundsatz des Marxismus: die Notwendigkeit, die Arbeiterklasse politisch unabhängig von der Bourgeoisie zu organisieren. Sie rief damit weltweit verheerende Niederlagen hervor. In Spanien unterdrückte die Volksfrontregierung die Aufstände der Arbeiter und führte die Spanische Republik im Kampf gegen die faschistische Rebellion von Generalissimo Francisco Franco in eine Niederlage. In Frankreich zermürbte die Volksfrontregierung den Generalstreik von 1936, den die Stalinisten gegen Zugeständnisse der französischen Wirtschaftsverbände ausverkauften, und schlug die Streikwelle nieder, die noch bis 1938 andauerte.
Kurz nach dem französischen Generalstreik von 1936 leitete Stalin die Moskauer Prozesse in die Wege, in denen die altgedienten bolschewistischen Führer der Oktoberrevolution als Terroristen und Faschisten vor Gericht gestellt wurden. Diese Schauprozesse ebneten den Weg für die Großen Säuberungen und den politischen Völkermord an den Marxisten innerhalb der Kommunistischen Internationale, der in der Ermordung Trotzkis gipfelte. Als die Kommunistische Partei in Frankreich die Streiks im Anschluss an den Generalstreik von 1936 isolierte und ihre Niederschlagung durch den Staat ermöglichte, betrieb sie zugleich eine zügellose Hetze gegen Trotzki und griff seine Anhänger an. In der Tageszeitung der PCF, L`Humanité, verbreitete ihre Führungsspitze Verleumdungen gegen Trotzki und die alten Bolschewiki und half der GPU, auf der ganzen Welt Trotzkisten zu ermorden.
Der Stalinismus raubte dem europäischen Proletariat die letzte Chance, die Katastrophe und Massenschlächterei des Zweiten Weltkriegs durch eine soziale Revolution abzuwenden. Er ebnete dem Machtantritt des faschistischen Vichy-Regimes den Weg, mit dem die Bourgeoisie nach dem Einmarsch der Nazis 1940 einen defätistischen Kurs einschlug. Die Nationalversammlung erteilte Marschall Philippe Pétain, der die Zusammenarbeit mit den Nazis organisierte, alle Vollmachten. Nachdem die PCF noch den Nichtangriffspakt zwischen Stalin und Hitler von 1939 unterstützt hatte, musste sie in den Untergrund gehen.
Im Einklang mit der konterrevolutionären Politik des Kremls, die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit dem amerikanischen und britischen Imperialismus in Einflusssphären aufzuteilen, verriet die PCF die Gelegenheit zur Revolution, die sich bei der Befreiung Frankreichs von der Nazibesatzung auftat. Sie benutzte ihre vorherrschende Stellung in der Résistance, um im Zusammenwirken mit den amerikanischen und den britischen Behörden General Charles de Gaulle an die Macht zu bringen, die kapitalistische Vierte Republik zu gründen und die Verbrechen des europäischen Faschismus zu vertuschen. Unter Berufung auf den von de Gaulle verbreiteten Mythos vom „Widerstand“ Frankreichs ersetzte die PCF die Fabrikkomitees durch den Unternehmern verpflichtete und von ihnen kontrollierte Gremien, löste die Milizen der Résistance in de Gaulles Armee auf und stellte selbst Minister in seiner Regierung. Sie ließ die Kolonialkriege, insbesondere in Indochina und dann in Algerien, ungehindert geschehen und erwies sich in jeder Krise als tragende Säule der Vierten Republik. So verkaufte sie die aufstandsähnlichen Streiks von 1947 und den Generalstreik von 1953 aus. Auf diese Weise sicherte sie sich breite Unterstützung unter den Intellektuellen, die ihren Theorien gern einen „linken“ oder sogar marxistischen Anstrich verpassten, eine sozialistische Revolution jedoch ablehnten.
Die irrige Gleichsetzung der Oktoberrevolution mit der PCF erwies sich für die französische Arbeiterbewegung nach der Befreiung als fatal. Millionen Arbeiter strömten in die Gewerkschaften und die PCF, während zugleich der Kapitalismus durch die Verbrechen des Faschismus zutiefst diskreditiert war. Doch die Organisationen, denen sich die Arbeiter anschlossen, waren vom Gift einer nationalistischen Anschauung durchtränkt. Ihre Behauptungen, für die Revolution einzustehen, basierten auf historischen Lügen: der Vertuschung der Verbrechen des Faschismus in Frankreich, der hartnäckigen Verteidigung der Moskauer Prozesse durch die PCF und der Leugnung der Tatsache, dass der Trotzkismus die Kontinuität der Oktoberrevolution darstellte.
Es dauerte nicht lange, da entlarvte der Algerienkrieg von 1954-1962 die reaktionäre Rolle des politischen Establishments der Vierten Republik, in das die PCF aufs Engste verwoben war. Als Premierminister Guy Mollet, Mitglied der Section française de l’Internationale ouvrière (SFIO), der damaligen sozialdemokratischen Partei Frankreichs, Kriegskredite und Sondervollmachten beantragte, erhielt er die Stimmen der PCF. Anschließend leistete sie keinen Widerstand gegen den (gescheiterten) Putschversuch gegen Mollet, der de Gaulle 1958 erneut an die Macht brachte und zur Gründung der Fünften Republik führte. Die Massenfolterungen und der Mord an Hunderttausenden Algeriern entlarvten den wahren Charakter des französischen Nachkriegsstaats. Die Methoden der französischen Fallschirmjäger und Sicherheitskräfte in Algerien erinnerten an das Vorgehen der faschistischen Machthaber Frankreichs gut zehn Jahre zuvor. Antikriegsproteste wurden blutig niedergeschlagen. Am 17. Oktober 1961 ordnete der Präfekt von Paris und ehemalige Vichy-Beamte Maurice Papon ein brutales Massaker an einer Demonstration von Algeriern an, zu der die Nationale Befreiungsfront (FLN) aufgerufen hatte.
Der Ausbruch des Generalstreiks vom Mai-Juni 1968 in Frankreich war der Höhepunkt einer Welle internationaler Klassenkämpfe, die das Nachkriegsgleichgewicht erschütterten und in Frankreich die PCF und die Regierung de Gaulles untergruben. Ein brutaler Angriff der Polizei auf protestierende Studenten an der Sorbonne löste eine Massenreaktion in der Arbeiterklasse aus. Mehr als zehn Millionen Arbeiter traten in den Streik, überall im Land wurden über den Fabriken rote Fahnen gehisst, und die französische Wirtschaft kam zum Erliegen. Als de Gaulle daraufhin zu seinen Generälen in Baden-Baden aufbrach, musste er feststellen, dass die ihnen unterstehenden Truppen nicht bereit waren, in Paris einzumarschieren, um die Proteste niederzuschlagen.
Die internationale Arbeiterklasse stellte ihr enormes revolutionäres Potenzial unter Beweis. Von 1968 bis 1975 kam es auf der ganzen Welt zu Massenkämpfen der Arbeiter, antikolonialen Aufständen und Jugendprotesten. Der Zusammenbruch der Diktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland, der Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon und die Niederlage Washingtons im Vietnamkrieg vor dem Hintergrund von Massenstreiks und Protesten im eigenen Land erschütterten den Weltkapitalismus bis in die Grundfesten.
Das Haupthindernis für die sozialistische Revolution war die Krise der revolutionären Führung in der Arbeiterklasse. In Frankreich versperrten die PCF und ihr Gewerkschaftsverband CGT auch 1968 den Weg zum Kampf um die Macht, hielten der de-Gaulle-Regierung die Stange, vereinbarten im Abkommen von Grenelle einige Lohnzugeständnisse und sorgten binnen weniger Wochen für die Wiederaufnahme der Arbeit. Es gelang der PCF zwar, eine Revolution zu verhindern, aber sie untergrub damit auch ihr illusionäres Image einer revolutionären Partei.
Der Aufstieg der Sozialistischen Partei
Aus der Diskreditierung der PCF durch die Ereignisse von 1968 ging jedoch keine revolutionäre Massenpartei der Arbeiterklasse hervor, sondern die Sozialistische Partei (PS). Die PS, die auf Kongressen in Alfortville und Epinay 1969 und 1971 gegründet wurde, war von Anfang an keine sozialistische Partei, sondern eine Partei des Finanzkapitals. Sie war auch keine Neuauflage der SFIO. Eine solche Neuauflage wäre an sich schon ein reaktionäres Unterfangen gewesen, denn die SFIO war eine konsequente Verteidigerin der Bourgeoisie: Sie hatte den Ersten Weltkrieg unterstützt und sich gegen die Oktoberrevolution gewandt; die meisten ihrer Abgeordneten hatten 1940 für Pétain gestimmt, und sie hatte den Algerienkrieg geführt. Die PS allerdings bestand aus einem weitaus breiteren Bündnis als zuvor die SFIO.
Sie sollte zunächst als Wahlkampfinstrument für François Mitterrand dienen. Als ehemaliger Vichy-Beamter und Justizminister unter Mollet unterhielt Mitterrand enge Beziehungen zu führenden Polizeikräften des Vichy-Regimes, beispielsweise zu René Bousquet, der sich am Holocaust beteiligt hatte. Weitere Bestandteile der PS waren Reste der SFIO, Mitterrands Convention des Institutions Républicaines (CIR), die u. a. aus Vertretern der mit Vichy verbundenen alten Radikalen Partei bestand, Anhänger der katholischen Soziallehre wie die Herausgeber der Zeitschrift Esprit und „linke“ Intellektuelle, Ex-Stalinisten sowie Ex-Trotzkisten aus der Parti socialiste unifié (PSU). Die PS war eine bürgerliche Partei, deren Mitglieder hauptsächlich aus dem Staatsapparat, den Medien und akademischen Kreisen stammten. Angesichts der Protestwelle unter Arbeitern und Jugendlichen, die nach wie vor unter dem Einfluss der PCF und der trotzkistischen Bewegung standen, war die PS jedoch gezwungen, sich als „sozialistisch“ darzustellen.
Sie wollte, wie Mitterrand später wohlwollenden Vertretern der US-Regierung erläuterte, der PCF die Wählerbasis entziehen, zur einflussreichsten „linken“ Partei werden und die Macht übernehmen. Sie warf sich in eine sozialistische Pose, indem sie die PCF und die historischen Verbrechen des Stalinismus kritisierte, die in den 1960er und 1970er Jahren aufgedeckt wurden. Bei dieser Kritik ging sie nicht vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus, den Trotzki vertreten hatte, als er die Sowjetdemokratie gegen die stalinistische Bürokratie verteidigte, und auch nicht von einer trotzkistischen Kritik an der konterrevolutionären Rolle der PCF. Vielmehr schürte die PS den Antikommunismus und Illusionen über die bürgerliche Demokratie.
Die PS nutzte die Rechtswende der PCF aus, die durch den Generalstreik von 1968 Federn gelassen hatte. Die PCF wiederum reagierte auf die revolutionären Kämpfe von 1968-1975, indem sie 1972 das Gemeinsame Programm mit der PS und der bürgerlichen Mouvement des Radicaux de Gauche (MRG, Bewegung der Radikalen der Linken) verabschiedete und dann 1976, in der Wende zum „Eurokommunismus“, die Diktatur des Proletariats aus ihrem Programm strich. Im Gemeinsamen Programm wurden die sozialen Zugeständnisse beschworen, die 1936 vorübergehend von der Volksfront-Regierung gewährt worden waren. Es läutete jedoch keine Sozialreformen ein, sondern eine ganze Epoche des Kriegs gegen die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse.
Vor allem stützte sich die PS auf den Krieg gegen den Marxismus, der von breiten Schichten der französischen Intelligenz geführt wurde. Die „linke“ Intelligenz, die nach dem Algerienkrieg und nach dem Eingeständnis der Stalinschen Verbrechen in Nikita Chruschtschows Geheimrede weitgehend von der PCF zum Maoismus übergangen war, wandte sich nach dem Generalstreik von 1968 noch stärker nach rechts. Durch die Tuchfühlung mit der sozialen Revolution in Angst und Schrecken versetzt, gab sie ihren Flirt mit dem Marxismus unter der Ägide der PCF auf und widmete sich fortan einer Medien- und politischen Kampagne im Dienste der PS.
Verschiedene Kräfte, von den „neuen Philosophen“ um Bernard Henri-Lévy bis hin zum Poststrukturalisten Michel Foucault und zum Historiker der Revolution von 1789, François Furet, geißelten nun den „Totalitarismus“ und stellten ihn als unausweichliches Ergebnis der sozialen Revolution dar. Unter dem Begriff des „Totalitarismus“ wurden Kommunismus, Stalinismus und Faschismus auf reaktionäre Weise zusammengeworfen. Diese Kampagne richtete sich in Wirklichkeit weder gegen den Faschismus noch gegen die Verbrechen Stalins. Sie zielte nicht auf ehemalige Beamte des Vichy-Regimes ab, wie Bousquet und Mitterrand, oder auf den politischen Völkermord des Kremls an den Marxisten. Ihre Verfechter griffen vielmehr den Kommunismus und den Marxismus an, indem sie die antidemokratische Politik des Kremls von rechts kritisierten. Sie warben für Dissidenten die sich für den freien Markt aussprachen und vom Kreml unterdrückt wurden, wie etwa Alexander Solschenizyn. Sie schwiegen über die Verbrechen des Imperialismus und lehnten einen Kampf der sowjetischen Arbeiterklasse für den Sturz der stalinistischen Bürokratie ab. So schufen sie den theoretischen Rahmen für eine „linke“ Unterstützung des Antikommunismus, der kapitalistischen Restauration in der UdSSR und, später, der „humanitären“ Kriege des Imperialismus gegen ehemalige Kolonialländer, deren Führer sie ebenfalls als „totalitär“ darstellten.
Im Namen der „Selbstverwaltung“ griffen sie außerdem den Kampf um die Arbeitermacht an. Die Forderung nach „Selbstverwaltung“, die ursprünglich auf den gescheiterten Versuch der Belegschaft zurückging, die insolvente Uhrenfabrik Lip in Eigenregie weiterzuführen, nahm schließlich einen breiteren, gegen den Marxismus gerichteten Inhalt an. Der Vorsitzende der Parti socialiste unifié (PSU) Michel Rocard erklärte, der Begriff der Selbstverwaltung sei zwar „mehrdeutig“, habe jedoch den Vorzug, dass er „mit der Ablehnung eines Regimes einhergeht, wie es die UdSSR erzwingt“. Die Esprit-Redaktion wurde deutlicher und warnte, dass gesellschaftliche Kämpfe, die sich „von den Grundsätzen... des Sozialismus leiten lassen, zu einem totalitären Staat führen“. Die Selbstverwaltung hingegen empfehle sich zur „Kastration des Machtstrebens“.
Auf diese Weise wurde der Weg für Mitterrand geebnet, der 1981 mit Unterstützung der PCF die Regierung übernahm. Mitterrand machte sich die Unzufriedenheit der Massen über die Folgen der Wirtschaftskrise in den 1970er Jahren und der Kürzungspolitik des konservativen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing zunutze. Er versprach, die Schlüsselindustrien zu verstaatlichen und die Kaufkraft zu stärken. Nachdem er die Regierung übernommen hatte, warf er dieses Programm bald über Bord. Als erwartungsgemäß eine Kapitalflucht aus Frankreich einsetzte, verhängte er keine Kapitalkontrollen, sondern vollzog eine „Wende zur Austeritätspolitik“, die mit Sozialkürzungen und Arbeitsplatzabbau einherging.
Der Bruch der PS-Wahlversprechen durch Mitterrand löste in der Arbeiterklasse Wut und Enttäuschung aus. Da es in Frankreich aber keine Partei gab, die für eine unabhängige, revolutionäre Politik gegen die PS kämpfte, fand diese Opposition keinen organisierten Ausdruck. In dieser surreal anmutenden Situation, in der sich die Klassenkluft zwischen den Arbeitern und den privilegierten Schichten der Studentenbewegung und der Gewerkschaftsbürokratie zusehends vertiefte, begann die Arbeiterbewegung zu zerfallen. Die Gewerkschaften brachen zusammen, die Streikaktivitäten und die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder gingen stark zurück, und die Gewerkschaften mauserten sich zu einer Polizeitruppe, die vorwiegend von der Wirtschaft finanziert wurde. Das radikalisierte Kleinbürgertum rief diverse Organisationen ins Leben, die von der PS und ihren politischen Verbündeten wie SOS Racism und den Studentengewerkschaften gegründet wurden. Ihre Aufgabe bestand darin, die Stimmung in der Bevölkerung zu überwachen und bei Bedarf durch beschränkte Proteste ein Sicherheitsventil für die angestaute Unzufriedenheit zu schaffen.
Die Krise der trotzkistischen Bewegung in Frankreich und die Spaltung der OCI mit dem IKVI
Wenn nach 1968 eine Partei wie die PS mit ihren rechtsgerichteten Angriffen auf die PCF zur dominierenden politischen Kraft in Frankreich werden konnte, dann lag das in erster Linie an der Krise der trotzkistischen Bewegung und am Verrat der OCI, die das Entstehen einer linken Alternative verhinderte. Die OCI brach mit dem IKVI und übernahm die Perspektive der Union de la gauche (Einheit der Linken), indem sie sich für ein politisches Bündnis und ein Wahlbündnis zwischen PS und PCF aussprach. Zwar rechtfertigte die OCI diese Perspektive mit der Schaffung einer Einheitsfront der Arbeiterorganisationen, doch in Wirklichkeit führte sie zu einer arbeiterfeindlichen Umgruppierung unter der Ägide der PS, einer bürgerlichen Partei.
Der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und gegen bürgerliche Einflüsse innerhalb der trotzkistischen Bewegung selbst, der im Zentrum der Arbeit Trotzkis und des IKVI gestanden hatte, wurde auf der ganzen Linie zurückgewiesen. Indem sie sich die Perspektive der Union de la gauche zu eigen machte und dem breiten kleinbürgerlichen Milieu beitrat, das auf die PS orientiert war, trug die OCI zur Schaffung des politischen Rahmens bei, in dem „linke“ bürgerliche Regierungen seit nunmehr einem halben Jahrhundert operieren.
Zu diesem Milieu gehört auch die Gruppe Lutte ouvrière (LO), die 1956 unter dem Namen Voix ouvrière als syndikalistische Organisation gegründet und 1968 in LO umbenannt worden war. Zu ihren Mitgliedern zählten Veteranen einer Gruppe, die in den 1930er und 1940er Jahren von David Barta geführt worden war. Die Barta-Gruppe bekannte sich zwar zum Trotzkismus, lehnte den Beitritt zur Vierten Internationale (VI) aber mit dem antimarxistischen Argument ab, dass die VI eine kleinbürgerliche Organisation sei, da die Arbeiterklasse nur auf nationaler Grundlage kämpfen könne. Zwar unternahm die Barta-Gruppe gemeinsame Aktionen mit der VI, indem sie sich beispielsweise für den Renault-Streik einsetzte, der zum Auslöser der Massenstreiks von 1947 wurde, unterhielt jedoch stets enge Verbindungen zu anarchosyndikalistischen Kreisen. Die LO wird von den Medien und der politischen Elite im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlkampagnen ihrer Kandidatin Arlette Laguiller als trotzkistisch bezeichnet, ist aber ein getreuer Satellit der PS. Auf der Grundlage ihrer nationalistischen und anarchosyndikalistischen Orientierung deckt die LO den Verrat der Gewerkschaften an Arbeiterkämpfen ab, schürt Islamfeindlichkeit durch die Unterstützung für ein Kopftuch- und Burkaverbot und trägt die imperialistische Außenpolitik Frankreichs mit.
Das IKVI wurde 1953 im direkten Kampf gegen die pablistische revisionistische Tendenz innerhalb der Vierten Internationale (VI) gegründet, aus der die LCR/NPA hervorgegangen ist. Diese Tendenz entstand im Internationalen Sekretariat der VI in Paris unter der Führung von Michel Pablo und Ernest Mandel, die zunächst die Mehrheit der französischen Sektion ausschlossen, weil sie sich ihrer Politik widersetzte. Das IKVI verteidigte in dieser Auseinandersetzung den Trotzkismus gegen Pablo und Mandel, die verlangten, dass sich die VI in den stalinistischen und bürgerlich-nationalistischen Parteien auflösen sollte, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Führung der Arbeitermassenbewegungen und antikolonialen Aufstände geworden waren. Die Pablisten sagten eine „Kriegsrevolution“ in Form eines Kampfs zwischen den stalinistischen und imperialistischen Regimen voraus. Diese werde an die Stelle der Revolution in Form einer unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse treten, wie sie im Oktober 1917 in Russland stattgefunden hatte. Die siegreichen „Kriegsrevolutionen“ würden wiederum Diktaturen nach Art der stalinistischen Regime in China und Osteuropa hervorbringen, die Jahrhunderte Bestand haben würden und aus denen in ferner Zukunft der Sozialismus hervorgehen werde.
Es sollte nicht lange dauern, bis die Prognosen Pablos und Mandels von der Geschichte widerlegt wurden. Weniger als vier Jahrzehnte später hatten die stalinistischen Regime in der UdSSR, China und Osteuropa den Kapitalismus restauriert, und die nationalistischen Regime der ehemaligen Kolonialländer hatten dem imperialistischen Finanzkapital Tür und Tor geöffnet.
Bereits lange zuvor wurde die konterrevolutionäre Rolle des Pablismus in der Praxis sichtbar. Die Spaltung des IKVI mit den Pablisten erfolgte nur wenige Monate nach dem Verrat der PCF an dem Generalstreik von 1953, an den sich die Pablisten angepasst hatten. Auch der Bankrott des bürgerlichen Regimes in Algerien, das 1962 aus dem Krieg hervorgegangen war, hatte die Orientierung der Pablisten auf die Bourgeoisie der Kolonialländer entlarvt. Im Gegensatz zur OCI, die sich erfolglos bemühte, durch Diskussionen mit Teilen der Algerischen Nationalen Bewegung unter Messali Hadj eine trotzkistische Bewegung in Algerien aufzubauen, unternahmen die Pablisten nicht einmal einen Versuch in diese Richtung. Stattdessen druckten sie Falschgeld, um der Nationalen Befreiungsfront (FLN) zu Waffen zu verhelfen. Pablo war kurze Zeit als Berater der FLN tätig, bevor er nach dem Putsch von Boumédiène das Land verließ.
Das IKVI bekämpfte den Pablismus, der sich an die vorherrschenden stalinistischen und bürgerlich-nationalistischen Kräfte anpasste, und zeigte auf, dass er einen kleinbürgerlichen Angriff auf den Marxismus darstellte. Indem er die Politik auf den Konflikt zwischen imperialistischen und stalinistischen Staaten reduzierte, verwies der Pablismus die internationale Arbeiterklasse, der im klassischen Marxismus die Hauptrolle zukam, in die Bedeutungslosigkeit. Darüber hinaus machte er sich zahlreiche Ansichten zu eigen, die in der französischen Bourgeoisie wohlgelitten waren. Die virulente Opposition des Pablismus gegen das unabhängige Bestehen der trotzkistischen Bewegung entsprach den verbreiteten kleinbürgerlichen Vorurteilen gegen das zentrale politische Instrument des Marxismus: die revolutionäre proletarische Partei.
Obwohl sich die Mehrheit der französischen Sektion dem Pablismus widersetzte, entwickelte sie nach und nach eine skeptische Haltung gegenüber der Geschichte des IKVI und der trotzkistischen Bewegung. Zum Dritten Kongress des IKVI 1966 brachte sie eine Delegation von Voix ouvrière mit und sprach vom „Wiederaufbau“ der Vierten Internationale. Hinter der Wortwahl „Wiederaufbau“ stand eine zentristische Abkehr von der Unversöhnlichkeit des IKVI gegenüber dem Pablismus und eine Öffnung gegenüber den kleinbürgerlichen Satelliten der Sozialdemokratie und der PCF, die eine relativ breite Basis hatten.
1968 trat die OCI in den Studentenprotesten für eine Orientierung auf die Arbeiter ein und rief bei dem Flugzeughersteller Sud Aviation in Nantes einen Streik aus, der zu einem der Auslöser des Generalstreiks wurde. Allerdings vertrat sie eine syndikalistische Linie, indem sie lediglich zur Bildung eines zentralen Streikkomitees und damit zur Umgruppierung aller Gewerkschaften und Arbeiterparteien aufrief. Die britische SLL kritisierte zu Recht, dass die OCI nicht die Forderung aufstellte, dass die PCF und der stalinistische Gewerkschaftsverband Confédération generale du travail (CGT) die Macht übernehmen. Auf diese Weise hätte sie gegenüber den Arbeitern die Frage der Staatsmacht aufwerfen, die konterrevolutionäre Politik der PCF entlarven und selbst um die politische Führung der Arbeiterklasse kämpfen können. Die zunehmend zentristische und skeptische Orientierung der OCI hatte fatale Folgen, als die Welle des Radikalismus nach 1968 unvermittelt zahlreiche neue Mitglieder in die Partei brachte, die vorwiegend aus der Studentenschaft stammten.
1971 erklärten die SLL und die Mehrheit der Sektionen des IKVI die Spaltung mit der OCI. Die Kritik der SLL am Opportunismus der OCI war unbedingt gerechtfertigt. Ein anschaulicher Beweis hierfür ist die Laufbahn von Lionel Jospin, der als verdecktes OCI-Mitglied zugleich Mitglied der PS war und schließlich zu einem der wichtigsten Helfer Mitterrands und später zum Premierminister Frankreichs aufstieg. Dennoch versäumte die SLL bei der Spaltung die notwendige Klärung der politischen Fragen. Sie bemühte sich auch nicht, Kräfte aus der OCI zu gewinnen oder in Frankreich eine Partei aufzubauen. Durch die übereilte Spaltung, die eine Diskussion über die wesentlichen politischen Fragen verhinderte, wurde der Trotzkismus als organisierte politische Tendenz für eine gesamte historische Periode in Frankreich praktisch aufgelöst. Dies hatte auch für die SLL in Großbritannien schwerwiegende politische Konsequenzen.
In der Spaltung von 1971 verteidigte die OCI ihre syndikalistische Linie von 1968 und ihre Orientierung auf die PS. Ihrer Argumentation nach wäre die von der SLL vertretene Forderung nach einer PCF-CGT-Regierung gleichbedeutend mit einer Spaltung der Arbeiterklasse gewesen. Sie hätte die sozialdemokratischen Gewerkschaften, in der die OCI über Anhänger verfügte, isoliert und eine Einheitsfront der Arbeiterorganisationen verhindert. Dabei setzte sich die OCI nicht nur darüber hinweg, dass die überwiegende Mehrheit der militanten Arbeiter von der PCF, und nicht von den sozialdemokratischen Gewerkschaften, eine revolutionäre Politik erwartete. Sie stellte auch den Klassencharakter der PS, bei der es sich um eine bürgerliche Partei handelte, falsch dar.
Indem die OCI ein dauerhaftes politisches Bündnis mit der PS schloss, wies sie die Perspektive des IKVI von Grund auf zurück. Die OCI gab den Kampf für den Trotzkismus und für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse auf und verwandelte sich in eine bürgerliche Partei. Sie machte sich die Perspektive der Union de la gauche (Einheit der Linken) zu eigen, d. h. des politischen Instruments, mit dem sich die PS im Rahmen der Präsidentschaft Mitterrands von 1981 an die Vorherrschaft sicherte. Die OCI veranlasste ihre Mitglieder zum Eintritt in die PS, wo sie als Fraktion der PS und der Gewerkschaften arbeiten sollten. Sie beschränkte sich dabei nicht auf Frankreich, sondern nutzte ihren Einfluss zum Aufbau arbeiterfeindlicher Parteien weltweit, vor allem in Lateinamerika, wo sie an der Gründung der Partido dos Trabalhadores (PT, Arbeiterpartei) beteiligt war. Mit ihrer politischen Auflösung in solchen bürgerlichen Parteien strebten die Lambertisten nicht an, Kräfte für den Trotzkismus zu gewinnen, sondern stellten der französischen, brasilianischen und internationalen Bourgeoisie einen politischen Deckmantel zur Verfügung.
Die Spaltung des IKVI mit der WRP
Nach ihrer ungeklärten Spaltung mit der OCI 1971 begann die SLL in Großbritannien eine ähnliche politische Richtung einzuschlagen. Nach ihrer Umbenennung in Workers Revolutionary Party (WRP) verzeichnete sie aufgrund der weit verbreiteten Opposition gegen die konservative Regierung unter Edward Heath einen Mitgliederzuwachs, maß dem Kampf des IKVI gegen den Pablismus jedoch eine zunehmend geringere Bedeutung bei. Als die Labour Party 1974 an die Regierung zurückkehrte und die WRP Schwierigkeiten hatte, ihren Einfluss unter Arbeitern weiter auszubauen, suchte sie hinter dem Rücken der anderen IKVI-Sektionen anderweitig Unterstützung –bei Nationalisten in der Dritten Welt und bei Fraktionen der Gewerkschaftsbürokratie und des politischen Establishments.
Die Opposition gegen die Degeneration der WRP innerhalb des IKVI gipfelte 1982 in der Ausarbeitung einer politischen und theoretischen Kritik durch David North, den nationalen Sekretär der Workers League (der mit dem IKVI solidarischen Partei in den USA). Nach dem Ausbruch einer Fraktionskrise innerhalb der WRP suspendierte das IKVI 1985 die Mitgliedschaft seiner britischen Sektion und nahm diejenigen Mitglieder wieder auf, die sich der internationalen Autorität und Perspektive des IKVI unterordneten. Unter dem Titel „Wie die WRP den Trotzkismus verraten hat“ veröffentlichte das IKVI eine umfassende Erklärung, in welcher der Verrat der WRP aufgedeckt wurde. Außerdem erschien „Das Erbe, das wir verteidigen“, in dem David North die Geschichte des Trotzkismus gegen eine gehässige Attacke des Generalsekretärs der WRP Michael Banda verteidigte. In diesen Dokumenten wurde nachgewiesen, wie das IKVI den Trotzkismus gegen die Anpassung der WRP an die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie und gegen deren Unterstützung des bürgerlichen Nationalismus verteidigt hatte.
Das IKVI führte eine kraftvolle politische Offensive gegen den kleinbürgerlichen Revisionismus, während sich zugleich der objektive Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und den alten, national orientierten Bürokratien der Arbeiterbewegung mitsamt den an ihnen orientierten kleinbürgerlichen Parteien zuspitzte wie nie zuvor. Auf der ganzen Welt wurden große Streikbewegungen ausverkauft, darunter der PATCO-Fluglotsenstreik 1981 in den USA und der britische Bergarbeiterstreik 1984/1985 in Europa. Vor allem aber kündigte die Regierung der UdSSR unter Michail Gorbatschow als Generalsekretär des ZK der KPdSU unter dem Schlagwort „Perestroika“ marktwirtschaftliche Reformen an.
Während dieses Vorspiels zur Restauration des Kapitalismus in der UdSSR wurde deutlich, welche Klassenkluft das IKVI von kleinbürgerlichen Gruppen wie der LCR und der OCI trennte, die zunehmend nach rechts rückten. Im Chor mit den Regierungen der großen imperialistischen Staaten bejubelten diese Gruppen die Perestroika als demokratischen Reformprozess der Bürokratie. Allein das IKVI stützte sich auf Trotzkis Prognose, dass die stalinistische Bürokratie auf die Wiedereinführung des Kapitalismus in der UdSSR zusteuere. Es warnte, dass Gorbatschows Reformen zur kapitalistischen Restauration führen würden, wenn die sowjetische Arbeiterklasse die Bürokratie nicht stürze.
Die Restauration des Kapitalismus in China und Osteuropa und schließlich die Auflösung der UdSSR 1991 waren ein historischer und politischer Wendepunkt. Trotzkis Warnungen vor der konterrevolutionären Rolle des Stalinismus, die er mehr als 50 Jahre zuvor aufgedeckt hatte, bestätigten sich auf der ganzen Linie. Die stalinistischen Parteien in Europa, die nach 1968 stetig an Einfluss verloren hatten, brachen zusammen. Ungeachtet des Zerfalls von Industrie und Wirtschaft in den nunmehr kapitalistischen ehemaligen Sowjetrepubliken und ungeachtet des Aufstiegs einer kriminellen Oligarchie sprachen Reaktionäre vom Ende der Geschichte und vom endgültigen Sieg des Kapitalismus.
In Opposition zu diesen Kräften betonte das IKVI, dass die Restauration des Kapitalismus, zweifellos ein Rückschlag für die internationale Arbeiterklasse, nicht das Ende der Epoche von imperialistischem Krieg und sozialistischer Weltrevolution bedeutete, die nahezu ein Jahrhundert zuvor begonnen hatte. Die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus, die der Marxismus aufgedeckt hatte, waren mit der Auflösung der Sowjetunion nicht überwunden. Dieselben wirtschaftlichen Prozesse und geostrategischen Konflikte, die das Fundament der UdSSR ausgehöhlt und das stalinistische Regime zur Restauration des Kapitalismus getrieben hatten, untergruben in Wirklichkeit auch das kapitalistische Weltsystem.
Das IKVI verwies auf die Globalisierung des Wirtschaftslebens und auf die Entstehung transnationaler Konzerne, die in ihrem rücksichtslosen Kampf um Profitmaximierung weltumspannende Produktionsketten organisierten. Aufgrund dieser Prozesse war es unmöglich geworden, auf nationaler Ebene die Wirtschaft zu gestalten oder bessere Löhne und Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Die „nationalen Entwicklungsstrategien“ der Bourgeoisie in den ehemaligen Kolonien, die national ausgerichteten Tarifverhandlungen der Gewerkschaften und die auf Autarkie abgestellte Politik der Stalinisten waren am Ende. Ihre Vertreter trugen die Interessen der Arbeiter immer offener zu Markte und wetteiferten darum, wer die Löhne und Arbeitsbedingungen tiefer drücken konnte, um dem internationalen Finanzkapital die größten Gewinnaussichten zu bieten.
Die Verschärfung der sozialen Krise ging mit einer zunehmenden Krise der imperialistischen Weltordnung einher. Die Globalisierungsprozesse und die damit verbundene Umverteilung der Wirtschaftsmacht untergruben nicht nur den Lebensstandard der Arbeiter, sondern auch die objektive Grundlage für die Hegemonialstellung der USA in der Welt. Ungeachtet der wahnhaften Träume des US-Imperialismus, dass er seinen relativen wirtschaftlichen Niedergang nach dem Verschwinden der rivalisierenden Supermacht durch militärische Gewalt wettmachen könnte, mündeten seine Versuche, den Nahen Osten und Zentralasien zu erobern oder militärisch zu beherrschen, in eine einzige Katastrophe. Es war unmöglich, zu den alten, auf Nationen beruhenden Formen des Wirtschaftslebens zurückzukehren. Die Globalisierung des Kapitalismus trieb alle Widersprüche, die in früheren Jahrzehnten zu Weltkriegen und Revolutionen geführt hatten, erneut auf die Spitze. Sie waren und sind die objektive Grundlage für die sozialistische Weltrevolution.
Die Schlüsselfrage für die internationale Arbeiterklasse war jedoch nach wie vor die Krise der revolutionären Führung und der politischen und historischen Perspektive. Das IKVI formulierte in seinem Kampf die Grundlagen für die Entwicklung sozialistischen Bewusstseins in einer neuen Epoche und setzte sich zum Ziel, dieses Bewusstsein in die Arbeiterklasse hineinzutragen. Unermüdlich widerlegte es die akademischen Vertreter der postsowjetischen Schule der Geschichtsfälschung, die Trotzki verunglimpften und behaupteten, es habe keine sozialistische Alternative zum Stalinismus und zur Auflösung der Sowjetunion gegeben.
Im Jahr 1995 wandelten sich die nationalen Sektionen des IKVI, die bis dahin in Form von Bünden bestanden hatten, in Parteien um und wählten den Namen Sozialistische Gleichheitspartei. Hintergrund dieser Initiative war eine Neubewertung der Beziehung zwischen dem IKVI und der Arbeiterklasse. Nach der Wende der alten, national basierten Organisationen zu einer offen arbeiterfeindlichen Politik und der Auflösung ihrer Basis in der Arbeiterklasse, so das IKVI, war es unmöglich geworden, den Kampf für eine Neuorientierung der Arbeiterklasse dadurch zu führen, dass man Forderungen an diese Organisationen stellte, um Arbeiter daraus zu gewinnen. Die Socialist Equality Party (USA) erklärte dazu: „Überall auf der Welt ist die Arbeiterklasse damit konfrontiert, dass sich die Gewerkschaften, Parteien und sogar Staaten, die sie in einer früheren Periode aufgebaut hat, in direkte Werkzeuge des Imperialismus verwandelt haben. Die Tage, in denen die Gewerkschaftsbürokratien den Klassenkampf ,vermittelten‘ und als Puffer zwischen den Klassen wirkten, sind vorbei... Wir können die Krise der Führung der Arbeiterklasse nicht dadurch lösen, dass wir ,fordern‘, dass andere diese Führung geben sollen. Wenn es eine neue Partei geben muss, dann müssen wir sie aufbauen.“
1998 gründete das IKVI die World Socialist Web Site als täglich aktualisierte sozialistische Online-Publikation. Vermittels der WSWS artikulieren die Sektionen des IKVI kollektiv eine gemeinsame politische Linie und bieten eine Analyse, eine Perspektive und eine Führung für die Kämpfe der internationalen Arbeiterklasse. Im Verlauf der mehr als 18 Jahre ihres ununterbrochenen täglichen Erscheinens hat sich die WSWS als die weltweit meistgelesene sozialistische Website etabliert.
Der Kampf des IKVI gegen die Pseudolinke in Frankreich
Die intensive politische und theoretische Arbeit des IKVI schuf die Grundlage für seine Intervention in Frankreich. In den 1990er und 2000er Jahren kam es in Frankreich zu bedeutenden Klassenkämpfen und sozialen Protesten: Streiks gegen Rentenkürzungen, einschließlich des Massenstreiks der Eisenbahner 1995, und Jugendproteste gegen eine Arbeitsrechtsreform, die in Form des Contrat Première Embauche (CPE) den Kündigungsschutz bei der Ersteinstellung junger Arbeiter aufheben sollte. In dieser Zeit reagierten Arbeiter auf den Zusammenbruch der PCF mit der Suche nach einer trotzkistischen Alternative. Der Weg dorthin wurde ihnen jedoch durch die reaktionäre Rolle von LCR, LO und OCI versperrt. Nachdem diese Parteien die kapitalistische Restauration in der UdSSR unterstützt hatten, knüpften sie engere Beziehungen zu den geschrumpften stalinistischen und sozialdemokratischen Parteien in Europa an und integrierten sich noch tiefer in die Medien, den Hochschulbetrieb und die Gewerkschaftsbürokratien. Im „linken“ Gewand unterstützten sie imperialistische Kriege, Sozialkürzungen und Angriffe auf demokratische Rechte.
In der Zeit seit der Krise um die Präsidentschaftswahlen 2002 haben sie ihren Bankrott unter Beweis gestellt. In jenem Jahr schied Lionel Jospin als Kandidat der PS in der ersten Runde aus, und die Stichwahl zwischen Jacques Chirac von den Konservativen und Jean-Marie Le Pen vom Front National löste Proteste aus. LCR, LO und Parti des travailleurs (PT, „Arbeiterpartei“, Nachfolgeorganisation der OCI) hatten zusammen drei Millionen Stimmen gewonnen. Im selben Jahr kam es weltweit zu Massenkundgebungen gegen den bevorstehenden völkerrechtswidrigen Einmarsch der USA im Irak, der dann 2003 erfolgte. LCR, LO und PT waren zu nichts anderem fähig, als diese Gelegenheit zu vergeuden.
Das IKVI gab einen offenen Brief an diese drei Parteien heraus, in dem es für einen aktiven Boykott der Stichwahl plädierte. Ohne seine politischen Differenzen zu verhehlen, erklärte das IKVI, dass ein aktiver Boykott, der die Arbeiter zum Kampf mobilisieren würde, die beste Vorbereitung auf den Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Politik Chiracs wäre. LCR, LO und PT machten sich jedoch nicht einmal die Mühe zu antworten und unterstützten die Kampagne der PS zugunsten einer Stimmabgabe für Chirac, angeblich, um eine Machtübernahme des Neofaschismus zu verhindern.
Über die nächsten vierzehn Jahre hinweg segelten sie im Kielwasser Chiracs und der PS, während die herrschende Klasse den Neofaschismus hoffähig machte und eine Reihe neokolonialer Kriege führte. Selbst als der französische Staat seine anfängliche Opposition gegen den Irakkrieg aufgab, unterstützten die angeblich „linksextremen“ Organisationen rassistische islamfeindliche Gesetze gegen Kopftuch und Burka. Im Anschluss an den Finanzkrach von 2008 und die ersten Reaktionen des internationalen Proletariats –die Aufstände von 2011 in Ägypten und Tunesien – rückten sie noch weiter nach rechts. Als ihre griechischen Gesinnungsgenossen von Syriza vergangenes Jahr an die Regierung kamen, bejubelten die „Linksextremen“ Premierminister Alexis Tsipras, der die Kürzungsdiktate der EU gegen die Bevölkerung durchsetzte. Sie unterstützten nicht nur die Kriege der Nato in Libyen und Syrien als „demokratische Revolutionen“, sondern auch den von Faschisten angeführten Putsch in Kiew, der ein extrem rechtes, mit der Nato verbündetes Regime an die Macht brachte, das einen offenen Krieg mit Russland anzuzetteln droht. Diese Politik hat die Welt an den Rand eines Atomkriegs und des wirtschaftlichen Zusammenbruchs gebracht.
Das IKVI bezeichnet diese Kräfte als „Pseudolinke“: als eine Tendenz, deren Basis in den oberen Schichten der Mittelklasse besteht und die aus der Degeneration der Studentenbewegung nach 1968 hervorgegangen ist. Sie sind antimarxistisch, stehen der Arbeiterklasse und dem Klassenkampf feindlich gegenüber und begrüßen imperialistische Kriege, Kürzungen und Polizeistaatsmaßnahmen. Für die Arbeiterklasse kann dies nur zu Katastrophen führen. Gleichzeitig schafft der explosive Unmut über die PS und ihre pseudolinken Verbündeten, der sich in der Arbeiterklasse angestaut hat, die politischen Voraussetzungen für den Aufbau der PES zur trotzkistischen Massenpartei.
Vor 78 Jahren veröffentlichte die Vierte Internationale ihr Gründungsdokument, das Übergangsprogramm, und warnte zwei Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg vor der Todeskrise des Kapitalismus. Heute befindet sich der Kapitalismus erneut in einer unlösbaren historischen Krise, und sämtliche imperialistischen Mächte steuern – unter dem Druck der Wirtschaftskrise und der Endkrise der US-Hegemonie – auf Krieg und Diktatur zu. Die Kriegsgefahr, soziale Ungleichheit in grotesken Ausmaßen und Angriffe auf demokratische Rechte kennzeichnen die Lage weltweit. Die Kriege im Nahen Osten, die Konflikte zwischen Nato und Russland in Osteuropa und die US-Politik des „Pivot to Asia“ zwecks Isolation Chinas drohen in einen Weltkrieg zu münden, während zugleich die EU durch ihre Austeritätspolitik ihren reaktionären Charakter offenbart und der Neofaschismus in ganz Europa aufsteigt. Ebenso wie 1938 geht es auch heute um die Hinwendung zur internationalen Arbeiterklasse und den Kampf für den Sozialismus.
In seiner Resolution „Sozialismus und der Kampf gegen imperialistischen Krieg“ schrieb das IKVI 2014: „Wenn die internationale Arbeiterklasse nicht auf der Grundlage eines revolutionären marxistischen Programms eingreift, ist ein weiteres imperialistisches Blutbad nicht nur möglich, sondern auch unvermeidlich... Zugleich erzeugen dieselben Widersprüche, die den Imperialismus an den Rand des Abgrunds treiben, die objektiven Triebkräfte für die soziale Revolution.“ Weiter hieß es: „Der Aufbau der Vierten Internationale unter der Führung des Internationalen Komitees ist die zentrale strategische Aufgabe. Dies ist der einzige Weg, auf dem die Arbeiterklasse international vereint werden kann... Die Aufgabe des IKVI besteht nun darin, in neuen Ländern und Regionen der Welt Sektionen aufzubauen.“
Auf der Grundlage dieser Perspektive und Geschichte stellt die PES (Frankreich) folgende Grundsätze für ihre politische Arbeit auf:
Grundsätze der Parti de l‘égalité socialiste (Frankreich)
Internationalismus und der Kampf für die sozialistische Weltrevolution
Die PES erkennt die politische Autorität des IKVI an und setzt sich zum Ziel, Arbeiter in Frankreich für das Programm der sozialistischen Weltrevolution unter der Führung des IKVI zu gewinnen. Diese Revolution bedeutet, dass die Masse der Bevölkerung einen bewussten politischen Kampf für die Abschaffung der Klassengesellschaft und damit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufnimmt. Die Aufgabe der Partei in Frankreich besteht darin, die Arbeiterklasse für die Eroberung der politischen Macht zu mobilisieren und einen Arbeiterstaat zu errichten, der im Rahmen Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa eine sozialistische Politik verwirklicht.
Die Arbeitermacht kann nicht errichtet werden, indem Sozialisten in die Institutionen des bürgerlichen Staats gewählt werden. Unerlässliche Grundlage eines Arbeiterstaats ist der Aufbau neuer Organe der partizipatorischen Demokratie, die im Verlauf revolutionärer Massenkämpfe geschaffen werden, um die arbeitende Bevölkerungsmehrheit tatsächlich zu vertreten. Ein solcher Staat würde im Zuge der sozialistischen Umgestaltung des Wirtschaftslebens aktiv Maßnahmen anstreben, um die demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse über alle Entscheidungsprozesse stark auszuweiten. Solche Veränderungen setzen die Massenmobilisierung einer Arbeiterklasse voraus, die sich ihrer sozialistischen Ziele bewusst ist. So werden die objektiven Voraussetzungen für den Aufbau einer wirklich demokratischen, egalitären und sozialistischen Gesellschaft gelegt.
Dieses Endziel kann nur durch einen internationalen Kampf für den Zusammenschluss der Arbeiter aller Länder und für die Schaffung einer Weltföderation von Arbeiterstaaten reicht werden. In einer solchen Föderation müssen die Verwendung und Weiterentwicklung der Produktivkräfte, die unter dem global integrierten Kapitalismus entstanden, in den Dienst der gesellschaftlichen Bedürfnisse gestellt werden. Wie Trotzki zur Erläuterung seiner Theorie der permanenten Revolution erklärte: „ Die sozialistische Revolution beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird vollendet in der Weltarena. Folglich wird die sozialistische Revolution in einem neuen, breiteren Sinne des Wortes zu einer permanenten Revolution: Sie findet ihren Abschluss nicht vor dem endgültigen Sieg der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten.“
Die SEP kämpft darum, den politischen Blick der Arbeiter über die Grenzen Frankreichs hinaus zu heben. Sie erklärt, dass die Kämpfe der Arbeiter in Frankreich untrennbar mit dem sich anbahnenden Prozess der sozialistischen Weltrevolution verbunden sind und daher einer internationalistischen Strategie und Perspektive bedürfen. Die SEP widersetzt sich allen Versuchen, die Arbeiterklasse durch Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Abstammung, Sprache, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung zu spalten. Die SEP verteidigt das Recht aller Flüchtlinge und Immigranten, im Land ihrer Wahl zu leben, zu arbeiten und zu studieren und dort volle Staatsbürgerrechte zu genießen. Grundlage ihrer Politik ist der Zusammenschluss der Arbeiterklasse zu einem revolutionären Kampf.
Die Abschaffung der Klassengesellschaft ist die Aufgabe einer ganzen historischen Epoche. Daher basieren auch die Grundsätze der SEP auf dieser gesamten Epoche: auf Trotzkis Kampf gegen den Verrat des Stalinismus an der Oktoberrevolution (der auf die Ersetzung des Internationalismus durch den Nationalismus der Sowjetbürokratie zurückging) und auf der ununterbrochenen historischen Kontinuität des Kampfs, den das IKVI für den Trotzkismus geführt hat.
Die Krise des Kapitalismus
Die Hauptursachen für Armut, Ausbeutung, Gewalt und menschliches Leid sind der Kapitalismus und das imperialistische Weltsystem, das sich auf seiner ökonomischen Basis erhebt. Die blutige Geschichte des 20. Jahrhunderts – mit zwei Weltkriegen, zahllosen lokalen Kriegen und faschistischen Diktaturen in ganz Europa – ist ein unwiderlegbares Urteil gegen den Kapitalismus.
Die enormen Produktivkräfte und technischen Errungenschaften der modernen Gesellschaft reichen aus, um der gesamten Weltbevölkerung einen hohen Lebensstandard zu sichern. Und doch gelingt es der kapitalistischen Gesellschaft nicht, auch nur ein einziges ihrer wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen oder kulturellen Probleme lösen. Stattdessen sinkt der Lebensstandard der breiten Bevölkerungsmassen vor dem Hintergrund der tiefsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression immer weiter. Die soziale Ungleichheit nimmt groteske Ausmaße an: Ein paar Dutzend Multimilliardäre besitzen mehr Vermögen als die untere Hälfte der Weltbevölkerung, und das reichste 1 Prozent besitzt ebenso viel wie der Rest der Welt.
Ohne Perspektive und Zukunftshoffnung droht der Menschheit erneut die Barbarei von Faschismus und Krieg. Die Lösung dieser Krise besteht nicht in der Reform des Kapitalismus, die längst nicht mehr möglich ist, sondern in seinem Sturz. So, wie der Feudalismus vom Kapitalismus abgelöst wurde, muss der Kapitalismus schließlich dem Sozialismus weichen.
Der Kampf gegen imperialistischen Krieg
Ihren brutalsten Ausdruck findet die Krise des Kapitalismus in der Ausbreitung imperialistischer Raubkriege und in Konflikten zwischen den Imperialisten, die in einen weiteren Weltkrieg zu münden drohen. Ursache dieser Konflikte sind die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus, die vor hundert Jahren von Lenin und Trotzki analysiert wurden: der Widerspruch zwischen Weltwirtschaft und Nationalstaatensystem und zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln. Während die Produktionsmittel global von transnationalen Konzernen betrieben werden, bleibt der Kapitalismus in einem System von Nationalstaaten verwurzelt, von denen aus die jeweilige Kapitalistenklasse ihre globalen Interessen verfolgt. Der unkontrollierbare Drang der imperialistischen Mächte nach der Eroberung von Märkten, Rohstoffen, billigen Arbeitskräften, Einflusssphären und strategischen Vorteilen führt unausweichlich zu Krieg.
Frankreich ist eine imperialistische Macht, die ihre räuberischen wirtschaftlichen und militärischen Ziele durch Kriege und Interventionen auf der ganzen Welt verfolgt. Im 19. Jahrhundert herrschte es über Dutzende Millionen Kolonialsklaven in ganz Afrika, dem Nahen Osten und Asien. In seinem heutigen Bemühen um die Rückeroberung von Einflussgebieten schließt es sich den Kriegen an, welche die imperialistischen Mächte vom Nahen Osten und Afrika bis hin zu Russland und China anzetteln und die einen neuen Weltkrieg auszulösen drohen.
Die PES verurteilt die Kriege, die Frankreich und alle anderen imperialistischen Mächte führen, und weist die Rechtfertigungen der Imperialisten und ihrer pseudolinken Apologeten zurück, es handele sich um Interventionen für Menschenrechte oder gegen den Terrorismus. Die PES erkennt das Recht der Völker an, sich und ihre Länder gegen neokoloniale Invasoren zu verteidigen. Diese prinzipielle Haltung ändert nichts an der Opposition der PES gegen Gewaltakte, die in den besetzten Ländern selbst oder anderswo auf der Welt gegen unschuldige Zivilisten begangen werden. Solche reaktionären Anschläge, die zurecht als terroristisch bezeichnet werden, stiften Entsetzen und Verwirrung, schüren ethnische und religiöse Spannungen und untergraben die internationale Einheit der Arbeiterklasse im revolutionären Kampf – die einzige Grundlage, auf der Länder von der imperialistischen Vorherrschaft befreit werden können. Terroranschläge spielen den imperialistischen herrschenden Eliten in die Hände und werden von ihnen zur Rechtfertigung von Kriegen benutzt.
Die SEP fördert und unterstützt alle Proteste gegen imperialistischen Krieg. Sie betont jedoch, dass der Kampf gegen imperialistischen Krieg, da seine Ursachen in der Struktur der kapitalistischen Gesellschaft und deren Aufteilung in Nationalstaaten liegen, nur dann erfolgreich geführt werden kann, wenn er die Arbeiterklasse auf der Grundlage einer internationalen revolutionären Strategie in Bewegung bringt. In seiner Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ schreibt das IKVI dazu:
„• Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint.
• Die neue Bewegung gegen Krieg muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen, ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Militarismus und Krieg bildet, ein Ende zu setzen.
• Aus diesem Grund muss die neue Antikriegsbewegung unbedingt vollkommen unabhängig sein von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse und diese ablehnen.
• Vor allem muss die neue Antikriegsbewegung international sein und dem Imperialismus in einem vereinten globalen Kampf die enorme Kraft der Arbeiterklasse entgegenstellen. Dem ständigen Krieg der Bourgeoisie muss die Arbeiterklasse mit der Perspektive der permanenten Revolution begegnen, die als strategisches Ziel die Abschaffung des Nationalstaatensystems und die Errichtung einer sozialistischen Weltföderation anstrebt. Auf diese Weise können die globalen Ressourcen auf rationale, planmäßige Weise erschlossen werden, um die Armut zu überwinden und die Kultur der Menschheit aufblühen zu lassen.“
Verteidigung demokratischer Rechte
Die PES vertritt und verteidigt alle demokratischen Rechte, die über mehr als zwei Jahrhunderte hinweg erst gegen die feudale und dann gegen die kapitalistische Aristokratie Frankreichs erkämpft wurden. Insbesondere seit der Auflösung der UdSSR, der Wirtschaftskrise von 2008 und Frankreichs Entscheidung, im sogenannten „Krieg gegen den Terror“ mitzumischen, wurden diese Rechte bereits stark eingeschränkt.
Die Rehabilitierung extrem rechter Kräfte in Europa, die Vorbereitungen auf den Einsatz der französischen Armee gegen Widerstand im Inneren und die massive elektronische Ausspähung der Bevölkerung durch französische und internationale Geheimdienste zeigen, wie weit die Fäulnis der bürgerlichen Demokratie bereits fortgeschritten ist. Die PS und die Pseudolinke, die den Marxismus und die Revolution als Bedrohung der Demokratie beschimpfen, haben sich als Unterstützer von Polizeistaatsmaßnahmen erwiesen. Die Gefährdung der Demokratie ergibt sich aus der Politik der Bourgeoisie und aus der Krise des Kapitalismus als ein dem historischen Untergang geweihtes System.
Die Verteidigung demokratischer Rechte ist untrennbar mit dem Kampf für Sozialismus verbunden: So, wie es keinen Sozialismus ohne Demokratie geben kann, wird es auch keine Demokratie ohne Sozialismus geben. Die Fäulnis der Demokratie in Frankreich und in allen Ländern mit bürgerlich-demokratischen Traditionen kann nur durch Widerstand gegen das gesamte politische Establishment bekämpft werden und setzt die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms voraus.
Der Kampf für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse
Voraussetzung für den Kampf um die Macht ist die bedingungslose politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von den Parteien, politischen Vertretern, Theoretikern und Agenten der Kapitalistenklasse. Der wiederholte Verrat an revolutionären Gelegenheiten in Frankreich durch den Stalinismus und die Pseudolinken veranschaulicht auf klassische Weise, welche tragischen Folgen es hat, wenn das Proletariat durch Bündnisse mit Parteien, die andere Klassen vertreten, gelähmt wird. In Frankreich gilt es daher vor allem und in erster Linie der Sozialistischen Partei und ihren diversen stalinistischen und pseudolinken Satelliten konsequent entgegenzutreten und die Lüge zurückzuweisen, dass diese Kräfte gegenüber anderen bürgerlichen Parteien das kleinere Übel wären.
Die Opposition gegen dieses bankrotte politische Establishment verpflichtet uns allerdings in keiner Weise zur Unterstützung neuer Parteien und Organisationen, die sich von ihnen abgrenzen. Die PES beurteilt solche Tendenzen nicht aufgrund ihrer vorübergehenden Haltung zu Einzelfragen, sondern anhand ihrer Geschichte, ihres Programms, ihrer Perspektive, ihrer gesellschaftlichen Basis und ihrer Klassenorientierung.
Die PES vertritt die grundlegenden Interessen der Arbeiterklasse ausgehend von einem wissenschaftlichen marxistischen Verständnis der Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus und der politischen Dynamik der Klassengesellschaft. Damit stellt sich die PES in unversöhnlichen Gegensatz zu jeder Art von opportunistischer Politik, bei der die langfristigen Interessen der Arbeiterklasse kurzfristigen taktischen Vorteilen geopfert werden. Allerdings ist der Opportunismus nicht einfach ein Ergebnis weltanschaulicher und theoretischer Fehler. Seine Wurzeln liegen in den materiellen Gegebenheiten der kapitalistischen Gesellschaft, und er bringt innerhalb der Arbeiterbewegung die Interessen feindlicher Klassen zum Ausdruck. Manifestationen des Opportunismus, wie sie von Stalin in den 1920er Jahren in der bolschewistischen Partei, von Pablo und Mandel in den 1950er Jahren in der Vierten Internationale und von der OCI bei ihrer Anpassung an die PS in den 1970er Jahren vertreten wurden, gehen auf den Einfluss bürgerlicher und kleinbürgerlicher Kräfte auf die Arbeiterklasse zurück. Der Kampf gegen solche Einflüsse ist keine Ablenkung vom Aufbau der Partei, sondern die am höchsten entwickelte Form des Kampfs für den Marxismus in der Arbeiterklasse.
Die SEP verteidigt die klassische marxistische Konzeption, dass revolutionäres Bewusstsein nicht spontan in der Arbeiterklasse entsteht. Diese Auffassung geht auf Lenins Konzeption der bolschewistischen Partei zurück und wurde von Trotzki im Kampf für den Aufbau der Vierten Internationale fortgeführt. Revolutionäres Bewusstsein setzt ein wissenschaftliches Verständnis der historischen Entwicklungsgesetze und des Kapitalismus voraus. Dieses Verständnis muss in die Arbeiterklasse hineingetragen werden, und darin besteht die wesentliche Aufgabe der marxistischen Bewegung. Eine verächtliche Haltung gegenüber dem Kampf für revolutionäres Bewusstsein ist das Markenzeichen reaktionärer Akademiker und politischer Opportunisten.
Der Verrat der Gewerkschaften
Die PES ruft alle Arbeiter auf, mit den Gewerkschaften zu brechen. Arbeiterkämpfe können nur siegen, wenn sie unabhängig von den Gewerkschaften organisiert werden. Sie müssen sich auf eine revolutionäre sozialistische Perspektive stützen, die auf eine breite Mobilisierung der Arbeiterklasse in einem politischen Kampf gegen den Kapitalismus abzielt. Die PES ruft bei jeder geeigneten Gelegenheit zur Bildung neuer, unabhängiger Organisationen wie Fabrik- und Betriebskomitees auf, die wirklich die Interessen der einfachen Arbeiter vertreten und ihrer demokratischen Kontrolle unterliegen.
Die PES setzt sich für ein wissenschaftliches Verständnis der Rolle der Gewerkschaften ein. Bereits in den Anfangstagen der britischen Gewerkschaftsbewegung kritisierte Marx, dass die Gewerkschaften nicht den Sturz des Kapitalismus weltweit anstreben, sondern die Ausbeutungsbedingungen der Arbeiterklasse in einem gegebenen Land aushandeln. „Statt des konservativen Mottos: ,Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!‘, sollte sie [die Arbeiterklasse] auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: ,Nieder mit dem Lohnsystem!‘“, empfahl Marx.
Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts haben die allgemein konterrevolutionäre Rolle der Gewerkschaftsbürokratie bestätigt, so auch in Frankreich, wo die Confédération générale du travail (CGT) gemeinsam mit der PCF eine Schlüsselrolle dabei gespielt hat, die revolutionären Gelegenheiten von 1936, 1945, 1953 und 1968 zu verraten. Als breite Schichten militanter Arbeiter noch vermittels der Gewerkschaften zu kämpfen versuchten, bemühte sich die trotzkistische Bewegung zu Recht, in diese Entwicklung einzugreifen. Darin unterschied sich das IKVI von zahllosen Gruppierungen der kleinbürgerlichen Linken, die sich nur deshalb über die Politik der Gewerkschaften empörten, um keinen Zugang zu den Arbeitern suchen zu müssen.
Doch seit dem Einsetzen der Globalisierung nach 1968 und dem Verlust ihrer Basis in der Arbeiterklasse haben sich die Gewerkschaften verwandelt. Aus Organisationen, die durch nationale Verhandlungen über Löhne und Arbeitsbedingungen die kurzfristigen Interessen der Arbeiter verteidigten, wurden sie zu privilegierten Bürokratien, die Angriffe auf Löhne und Arbeitsplätze planen, um die globale Wettbewerbsfähigkeit ihrer jeweiligen Konzerne zu fördern. In Frankreich organisierten sie zwar symbolische Proteststreiks, die auf die politischen Bedürfnisse der herrschenden Elite zugeschnitten waren, sorgten aber zugleich für einen drastischen Rückgang der Streiktage. Obwohl sie kaum noch Mitgliedsbeiträge kassieren und trotz Sozialkürzungen, Massenentlassungen und Fabrikschließungen verzeichnen die Gewerkschaften steigende Einnahmen, die sie der legalen oder halblegalen Finanzierung aus Mitteln der Unternehmen und des Staats in Milliardenhöhe verdanken. Es sind keine Arbeiterorganisationen mehr, sondern von der herrschenden Klasse finanzierte leere Hüllen, in denen Arbeiter von kleinbürgerlichen Funktionären gegängelt werden, die mit der Polizei und den Geheimdiensten verbandelt sind. Sie fungieren heute als Polizeitruppe gegen die Arbeiterklasse.
Für eine leninistische Avantgardepartei in der Arbeiterklasse
Die gesamte Geschichte des 20. Jahrhunderts beweist, dass die Arbeiterklasse nur siegen kann, wenn sie von einer revolutionären Partei geführt wird. Dies ist der Grund für die erbitterte Feindschaft, mit der das reaktionäre kleinbürgerliche Milieu der Pseudolinken dem Aufbau einer marxistischen Avantgardepartei in der Arbeiterklasse begegnet. Die PES tritt für einen breit basierten Kampf der Arbeiterklasse ein und begrüßt jeden echten Sieg. Sie wendet sich jedoch grundsätzlich gegen die syndikalistische Auffassung, dass militante Kämpfe eine ausgearbeitete revolutionäre Strategie für die Arbeiterklasse unter Führung einer marxistischen Partei ersetzen können.
Die PES hält sich an das wesentliche revolutionäre Prinzip des Sozialismus: den Arbeitern die Wahrheit zu sagen. Sie gründet ihr Programm und ihre politische Arbeit auf eine wissenschaftliche und objektive Einschätzung der politischen Wirklichkeit und kämpft für die Entwicklung von sozialistischem Bewusstsein unter den Massen, indem sie den fortgeschrittensten Schichten von Arbeitern und Jugendlichen ihre marxistische Perspektive nahebringt. Sie lehnt die hinterhältige Behauptung ab, dass Marxisten vom vorherrschenden Niveau des Massenbewusstseins – oder vielmehr dem, was kleinbürgerliche Spießer dafür halten – ausgehen müssten. Die Partei ist vor allem dafür verantwortlich, erklärte Trotzki, „ein klares, aufrichtiges Bild der objektiven Lage und der historischen Aufgaben [zu] geben, die sich aus ihr ergeben, unabhängig davon, ob die Arbeiter heute dafür reif sind oder nicht. Unsere Aufgaben hängen nicht vom Bewusstsein der Arbeiter ab. Unsere Aufgabe besteht darin, das Bewusstsein der Arbeiter zu entwickeln. Das ist es, was das Programm formulieren und den fortgeschrittenen Arbeitern darlegen sollte.“
Die Arbeiterklasse braucht für ihren revolutionären Kampf eine Organisation, und ohne Disziplin ist keine Organisation möglich. Doch die für den revolutionären Kampf erforderliche Disziplin kann nicht von oben erzwungen werden, sondern muss aus einer freiwilligen Übereinstimmung hinsichtlich Prinzipien und Programm erwachsen. Diese Konzeption liegt der Organisationsstruktur der PES zugrunde, die auf den Prinzipien des demokratischen Zentralismus beruht. Bei der Ausarbeitung ihrer Politik und Taktik muss innerhalb der Partei volle Demokratie herrschen. Der internen Diskussion über die Politik und die Aktivitäten der PES werden keine Grenzen auferlegt, sofern sie sich im Rahmen der Satzung bewegt. Die Führung wird von der Mitgliedschaft demokratisch gewählt und unterliegt deren Kritik und Kontrolle. Doch während die Ausarbeitung der Politik eine möglichst umfassende Diskussion sowie ehrliche und offene Kritik voraussetzt, ist für ihre Durchführung strikte Disziplin erforderlich. Demokratisch gefasste Parteibeschlüsse sind für alle Mitglieder bindend. Wer diesem wesentlichen Aspekt des Zentralismus widerspricht oder die Forderung nach Disziplin für eine Verletzung seiner persönlichen Freiheit hält, ist kein revolutionärer Sozialist, sondern ein anarchistischer Individualist, der die Anforderungen des Klassenkampfs nicht versteht.
Die Verteidigung des Marxismus
Die Verteidigung der historischen und theoretischen Tradition des Marxismus ist eine zentrale Aufgabe der PES. Vor beinahe hundert Jahren, am 50. Jahrestag der Pariser Kommune, schrieb Trotzki: „Das französische Proletariat hat die größten Opfer für die Revolution gebracht. Es wurde aber auch mehr als alle anderen betrogen. Die Bourgeoisie hat es durch alle Arten des Republikanismus, des Radikalismus, des Sozialismus zu umgarnen versucht und es dann wieder in kapitalistische Ketten geschlagen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Agenten, ihre Advokaten und ihre Journalisten eine Menge demokratischer, parlamentarischer und autonomistischer Formeln konstruiert, die nur Knüppel zwischen den Beinen des Proletariats sind und seine Vorwärtsbewegung hemmen.“ Dem ist nur hinzuzufügen, dass diese politische und theoretische Mystifizierung in den letzten fünfzig Jahren mit vervielfachter Energie fortgesetzt wurde.
Die PES gründet sich bei ihrer Arbeit auf eine Analyse der objektiven Gesetze von Geschichte und Gesellschaft. Als materialistische Philosophie geht der Marxismus vom Primat der Materie gegenüber dem Bewusstsein aus. „Bei mir ist umgekehrt das Ideelle“, schrieb Marx, „nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle.“ Der Materialismus des Marxismus ist dialektisch, denn er betrachtet die materielle Welt und ihre Widerspiegelung im Denken nicht als Ansammlung fester, in sich nicht differenzierter Gegenstände und Begriffe, sondern als Komplex von Prozessen mit widersprüchlichen und gegenläufigen Tendenzen, die sich in ständiger Bewegung und Wechselwirkung befinden. Diese Auffassung diente Karl Marx und Friedrich Engels als theoretische Grundlage für die Entwicklung des wissenschaftlichen Sozialismus, der auf einem objektiven Verständnis des Klassengegensatzes und der Ausbeutung in der kapitalistischen Gesellschaft sowie der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse basiert.
Ungeachtet der sozialistischen Bestrebungen, die im 20. Jahrhundert Massen von Arbeitern in Frankreich beseelten, war jedoch der kleinbürgerlichen Intelligenz, die sich in Worten zum Marxismus bekannte, ein solches Verständnis fremd. Der Zusammenbruch der pseudolinken Parteien in der heutigen Epoche, die durch die kapitalistische Krise, imperialistische Kriege und revolutionäre Kämpfe der Arbeiterklasse gekennzeichnet ist, beweist den Bankrott der antimarxistischen Theorien ebenso wie der Parteien, die sich darauf gestützt haben. Die PES kämpft für ein Wiedererstehen des klassischen Marxismus als theoretische Grundlage für den Aufbau einer trotzkistischen Bewegung in der Arbeiterklasse.
Die PES verteidigt das historische Vermächtnis von Leo Trotzki und der trotzkistischen Bewegung gegen alle Angriffe und Fälschungen seiner bürgerlichen und kleinbürgerlichen Gegner. Diese Angriffe, ob vonseiten der Nachfolger antikommunistischer Kalter Krieger oder stalinistischer Ideologen oder vonseiten pseudolinker Kräfte, die ihre antitrotzkistische Politik mit verlogenem Gerede über „viele Trotzkismen“ beschönigen, zielen samt und sonders darauf ab, das Entstehen von sozialistischem Bewusstsein in der Arbeiterklasse zu verhindern. Sie bestreiten, dass der Kampf Trotzkis, den das IKVI weiterführt, die Fortsetzung des Kampfs der marxistischen Bewegung als revolutionärer Alternative zum Kapitalismus darstellt.