Perspektive

Schlacht um Mossul: Obamas Vermächtnis im Irak

Barack Obama ist der erste amerikanische Präsident mit zwei Amtszeiten, der jeden Tag seiner Regierungszeit im Kriegszustand verbrachte.

Folgende Schauplätze hinterlässt er der Trump-Regierung: den andauernden Krieg in Afghanistan, Drohnenangriffe im Nordwesten Pakistans, die Folgen der Zerstörung Libyens in 2011, einen von den USA angestachelten Bürgerkrieg in Syrien, die brutale von den USA unterstützte Intervention im Jemen, sowie mehrere Bürgerkriegskonflikte in der Ukraine, im Kaukasus und in Afrika.

Obamas blutigstes Vermächtnis zeigt sich im Irak. Eine bittere Ironie besteht in der Tatsache, dass er die Wahl 2008 vor allem deshalb gewann, weil er sich gegen die Invasion und Besetzung des Landes durch die Bush-Regierung ausgesprochen hatte. Noch heute brüstet er sich damit, den Irakkrieg mit dem formellen Abzug der amerikanischen Truppen im Dezember 2011 beendet zu haben; das war allerdings erst fast drei Jahre nach seiner Amtsübernahme.

Danach griff Obama 2014 erneut im Irak ein, nachdem der IS im Juni jenes Jahres Mossul eingenommen hatte. Dies Intervention ist heute eine der kriminellsten Episoden in der 25-jährigen Gewaltgeschichte der USA gegen den Irak und seine Bevölkerung.

Die nordirakische Stadt wird von zehntausenden Soldaten der irakischen Armee unter Führung der USA, Truppen der Kurdischen Regionalregierung (KRG) und schiitischen Milizen belagert. Ihr Ziel besteht darin, die Kontrolle über die Stadt von den sunnitischen Extremisten des Islamischen Staats zurückzugewinnen. Der IS hatte Mossul und andere irakische Städte der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad nur deswegen entreißen können, weil seine Milizen in Syrien als Stellvertretertruppen für die USA und ihre Verbündeten gedient hatten und dort im Kampf gegen Baschar al-Assad mit Waffen und Personal ausgerüstet worden waren.

Die Obama-Regierung nutzte das Ergebnis ihrer eigenen Politik als Vorwand, um erneut umfangreiche Operationen im Irak aufzunehmen und direkt in den Krieg in Syrien einzugreifen. Zahllose Iraker und Syrer haben das mit ihrem Leben bezahlt. Die mehrheitlich sunnitischen Städte Falludscha und Ramadi im westlichen Irak sind in dem Feldzug gegen den IS zerstört worden und ihre Einwohner wurden vertrieben. Jetzt droht das gleiche Szenario bei der „Befreiung“ Mossuls, der zweitgrößten Stadt des Irak, mit einer Bevölkerung von anderthalb Millionen Menschen.

Nach zweimonatigen Kämpfen unter Führung der USA weisen alle Berichte auf hohe zivile Opfer, Massenvertreibungen, die Zerstörung von Infrastruktur und Wohnungen und schreckliches menschliches Leid.

Die Regierung in Bagdad hat die Stadtbewohner angewiesen, in ihren Häusern zu bleiben und nicht aus Mossul zu fliehen. Seitdem haben Luftangriffe amerikanischer, britischer, französischer, australischer, kanadischer, jordanischer und irakischer Kampfflugzeuge Brücken über den Tigris zerstört und Wasserleitungen beschädigt. In den meisten Bezirken ist der Strom ausgefallen. Die Universität und andere öffentliche Gebäude sind nur noch ein Trümmerfeld. Straßen sind mit Bombenkratern übersät und unbefahrbar.

Hunderttausende Menschen sitzen fest, darunter auch viele Kinder. Sie haben kein sauberes Trinkwasser, zu wenig zu essen und keine medizinische Versorgung. Der IS hat Gebäude vermint und schickt Selbstmordattentäter mit Autobomben gegen die Regierungstruppen, die in die östlichen Stadtteile vorstoßen. IS-Kämpfer entzünden mit Öl gefüllte Gräben, um die Stadt in dichten Rauch zu hüllen und den Angreifern die Sicht zu nehmen. Die Offensive der Regierungstruppen macht gegen den zähen Widerstand nur langsame Fortschritte.

Die bevölkerungsreichsten Stadtteile werden immer noch vom IS gehalten. Aus den Gebieten, die von Truppen unter Führung der USA zurückerobert wurden, konnten bisher nur etwa zehntausend Menschen fliehen, die jetzt in Zeltstädten campieren. Männer werden von ihren Familien getrennt und verhört, weil man herausfinden will, ob sie IS-Sympathisanten seien. Es gibt auch Berichte über sunnitische Zivilisten, die von schiitischen Milizen oder Soldaten getötet oder gefoltert wurden. Sobald die Menschen in ein Zeltlager kommen, hindert man sie „aus Sicherheitsgründen“ daran, das Lager wieder zu verlassen.

Ein Vertreter der kurdischen Regionalregierung erklärte diese Woche, dass zurzeit täglich 2000 Menschen aus der Stadt fliehen. Lisa Grande von den Vereinten Nationen sagte der Washington Post: „Wir machen uns Sorgen, denn unsere Vorräte könnten ausgehen. Wir haben nur begrenzte Mengen auf Lager. Wenn jeder in Mossul und Umgebung Hilfe braucht, dann haben wir nicht genug, jedenfalls nicht längerfristig.“

Die Krankenstationen sind überfüllt mit Zivilisten, die Schusswunden oder Sprengstoffverletzungen haben. Die Verwundeten in der Stadt sind in einer schrecklichen Situation, da die Krankenhäuser nicht mehr funktionieren.

Die Obama-Regierung und die US-Medien, sowie auch Regierungen und Medien verbündeter Staaten, verurteilen die Offensive der von Russland unterstützten syrischen Regierung gegen die islamistischen „Rebellen“ in Aleppo als Kriegsverbrechen. Jeden Tag wird über das Schicksal der Zivilisten von Aleppo berichtet, und die Bilder leidender Kinder gehen um die Welt.

Die Menschen in Mossul dagegen werden von den imperialistischen Heuchlern als „Kollateralschaden“ bezeichnet und werden kaum erwähnt. Für die Opfer wird fast immer der IS verantwortlich gemacht, der Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ missbrauche oder Menschen auf der Flucht angreife.

Ein Flüchtling beschrieb die Lage gegenüber der Washington Post so: „Die Menschen in Mossul haben zwei Optionen. Entweder sie bleiben in der Stadt und sterben durch Bomben oder Hunger, oder sie gehen in die Lager, d.h. ins Gefängnis. Beides bedeutet ein Sterben auf Zeit.“

Das amerikanische Militär hat erklärt, dass die Offensive noch mindestens zwei bis vier Monate andauern werde und damit über den Beginn der Präsidentschaft Trumps hinaus. Unabhängig davon wann und ob Mossul fallen wird – die volle Zahl ziviler Opfer wird wahrscheinlich nie bekannt werden.

Noch heute, knapp vierzehn Jahre nach Beginn der US-Invasion, behaupten Apologeten des amerikanischen Imperialismus und seiner Marionettenregierung in Bagdad, eine Schätzung der Opfer durch die Fachzeitschrift Lancet im Irakkrieg sei stark übertrieben. Lancet hatte glaubhaft dargelegt, alleine von März 2003 bis Juni 2006 seien 650.000 Zivilisten im Irak ums Leben gekommen. Vom diesjährigen Blutbad in Falludscha und Ramadi sind keine Opferzahlen bekannt.

Auch wenn die genauen Todeszahlen nicht bekannt sind – am hauptsächlichen Kriegsmotiv gibt es keinen Zweifel. So haben der Golfkrieg von 1991, die jahrelangen Sanktionen gegen den Irak, die Invasion von 2003 und auch der gegenwärtige Angriff auf Mossul eines gemeinsam: Es geht immer ums Öl.

Der Überfall auf den Irak 2003 war eine kriminelle Verschwörung der Bush-Regierung und der größten Ölkonzerne. Er wurde mit der dreisten Lüge gerechtfertigt, der Irak bedrohe die Vereinigten Staaten mit „Massenvernichtungswaffen“. Obama setzte den Krieg fort, weil der jahrelange irakische Widerstand die uneingeschränkte Vorherrschaft der USA über die Bodenschätze des Landes und den ganzen Nahen Osten behinderte. In den letzten drei Jahren haben die Siege des IS im Irak und die Entscheidung Russlands, gemeinsam mit dem Iran die syrische Assad-Regierung zu unterstützen, zu weiteren Rückschlägen für die USA geführt.

Unter Trump werden die amerikanischen Intrigen im Nahen Osten weitergehen. Er hat sich mit Personen umgeben, die tief in den 25-jährigen blutigen Versuch verwickelt sind, die Region dem amerikanischen Diktat zu unterwerfen. Einer davon ist ExxonMobile-Vorstandschef Rex Tillerson, dessen Konzern versucht hat, einen großen Teil der irakischen Ölindustrie aufzukaufen. Neuer Chef des Pentagon wird General James „Mad Dog“ Mattis, der 2004 die Marines beim Angriff auf Falludscha befehligt hat. 2011 wandte er sich gegen den Abzug der US-Truppen und trat für die militärische Konfrontation mit dem Iran ein, um dessen Einfluss im Irak und in Syrien zurückzudrängen.

Der Nahe Osten wird unter Trump weiter im Fokus der amerikanischen Kriegspolitik stehen, wobei ein erbitterter Machtkampf im amerikanischen Establishment über das Ausmaß des Engagements entscheiden wird. Dabei geht es um die Frage, welcher Rivale das erste Ziel der US-Aggression sein wird. Die Demokratische Partei und ein Großteil der Medien beschuldigen Trump, sein Wahlsieg sei das Ergebnis „russischer Einmischung“. Diese Behauptungen sind von der Sorge getrieben, die neue Regierung könnte die Konfrontation mit Russland im Nahen Osten und Osteuropa zurückfahren, um sich stärker auf den Konflikt mit China zu konzentrieren.

Zwar ist momentan noch ungewiss, welchen Gegner die Trump-Regierung schließlich an die erste Stelle setzen wird. Eins jedoch ist gewiss: Barack Obamas Vermächtnis hat die Gefahr eines dritten Weltkriegs erhöht.

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