Angesichts wachsender Armut schürt die SPD gezielt ausländerfeindliche Stimmungen. Am Samstag forderte der Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, in Deutschland lebenden EU-Ausländern das Kindergeld zu kürzen, wenn ihre Kinder woanders leben. In diesem Fall sollte „das Kindergeld auf dem Niveau des Heimatlandes ausgezahlt werden“, sagte Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Zur Begründung seiner Forderung stellte Gabriel die Realität auf den Kopf. Er behauptete: „In manchen Großstädten gibt es ganze Straßenzüge mit Schrottimmobilien, in denen Migranten nur aus einem Grund wohnen: Weil sie für ihre Kinder, die gar nicht in Deutschland leben, Kindergeld auf deutschem Niveau beziehen.“
Gerade Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien, in der Mehrzahl Sinti und Roma, werden extrem ausgebeutet und leiden unter hoher Armut. Weil ihnen oft Hartz-IV-Sozialleistungen vorenthalten werden, müssen sie jede, noch so niedrig bezahlte Arbeit annehmen. Häufig müssen sie sich und ihre Familien als Tagelöhner über Wasser halten. Unterkunft finden sie dabei nur in sogenannten „Schrottimmobilien“, die sie von ihren mickrigen Löhnen – nicht selten weniger als fünf Euro die Stunde – und dem Kindergeld zahlen, das ihre einzige sichere Einnahmequelle darstellt. Ihnen nun zu unterstellen, sie würden dort nur wegen des Kindergelds wohnen, ist üble rassistische Hetze im Stile der AfD und anderer Rechtsextremer.
Die Bild-Zeitung lieferte denn auch gleich die Zahlen dazu. Laut Bundesagentur für Arbeit habe Deutschland im November Kindergeld für rund 185.000 im EU-Ausland lebende Kinder gezahlt, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hatten. Im Dezember des Vorjahres seien es nur 120.000 gewesen. Von Januar bis Dezember 2016 seien in Deutschland rund 32 Milliarden Euro Kindergeld ausbezahlt worden, davon 470 Millionen an im EU-Ausland lebende Kinder ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Am häufigsten bezögen Polen, Rumänen, Kroaten und Tschechen Kindergeld aus Deutschland.
„Es gibt in Europa ein Recht auf Zuwanderung in Arbeit, aber kein Recht auf Zuwanderung in Sozialsysteme ohne Arbeit“, hetzte Gabriel. Das ist gelogen. Es gibt in Europa die „Freizügigkeit von Arbeitnehmern“, ein in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankerter Grundsatz.
EU-Bürgern steht es demnach u. a. zu, „in einem anderen EU-Land Arbeit zu suchen“ und „zu diesem Zweck dort zu wohnen“, schreibt die Europäische Kommission auf ihrer Website. EU-Ausländer müssten „hinsichtlich Zugang zu Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und aller anderen Sozialleistungen und Steuervorteile genauso behandelt zu werden wie die Staatsangehörigen des Aufnahmelandes“.
Die Kommunen zeigten sich über Gabriels Vorstoß erfreut. „Wir brauchen dieses Gesetz jetzt rasch“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der Welt. Gerd Landsberg (CDU), der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, stimmte ein: „Freizügigkeit innerhalb der EU bedeutet nicht, dass sich die EU-Bürger das Sozialsystem mit den umfassendsten Leistungen aussuchen können.“ Mit dem neuen Gesetz sollten nun Missbrauch und eine „gewisse Form von Sozialtourismus“ verhindert werden.
Beim Kindergeld gebe es in Europa enorme Unterschiede, „zum Teil von weit mehr als 100 Euro im Monat“, sagte Landsberg. Wenn das Kindergeld für 185.000 Kinder um monatliche 100 Euro gekürzt würde, schlügen demnach Einsparungen von 18,5 Millionen Euro zu Buche. Das sind weniger als 0,07 Prozent des gesamten ausbezahlten Kindergeldes. Das unterstreicht, dass Gabriels Forderung rechten politischen Zwecken dient.
Gabriel greift selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von rechts an: „Ich möchte seit Monaten, dass der zuständige CDU-Finanzminister einen Vorschlag für eine solche Kürzung des Kindergeldes vorlegt.“
Schäuble ist nicht gegen eine Kürzung des Kindergelds. Er kann sie angesichts der europäischen Rechtslage gegenwärtig nur nicht durchsetzen. „Die EU-Kommission hat letzte Woche eine Initiative vorgelegt, nach der das Kindergeld in der Europäischen Union nicht an das Preisniveau im Aufenthaltsland des Kindes angepasst werden soll“, sagte ein Sprecher aus Schäubles Ressort. Man bedauere das und prüfe, „welche Möglichkeiten das Europarecht lässt, dennoch zu einer Änderung zu kommen“.
Im Vorschlag der Kommission heißt es: „Es ist nicht vorgesehen, die Leistungen für Kinder an einen Index zu binden: Das Land der Erwerbstätigkeit des Elternteils (der Eltern) ist auch weiterhin für die Zahlung der Kinderbeihilfe zuständig und dieser Betrag kann nicht angepasst werden, wenn das Kind woanders lebt.“ Laut Kommission werden innerhalb der EU „weniger als 1 Prozent der Leistungen für Kinder von einem Mitgliedstaat in einen anderen exportiert“.
Bei CDU und CSU rannte Gabriel mit seiner Forderung offene Türen ein. Die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, erinnerte daran, dass ihre Partei schon lange für eine solche Kürzung eintrete. Wenn Gabriel nun auf diesen Kurs einschwenke, sei das „gut und notwendig“.
CDU-Vize Thomas Strobl, ein rechter Scharfmacher, der in der CDU in vielen Fragen die Politik der AfD vertritt, sagte, es sei schön, dass Gabriel nun auf der Spur sei. Seine Kollegin, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, bemerkte süffisant, Gabriel mache Vorschläge, die er sonst bei anderen als Populismus bezeichne. Und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte, scheinbar zum Jahresende beginne der SPD-Chef schon mal mit guten Vorsätzen. „Im neuen Jahr können wir das Thema gleich gemeinsam lösen.“
Bereits im April hatte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen Gesetzentwurf vorgelegt, der arbeitslosen EU-Ausländern fünf Jahre lang Sozialleistungen vorenthält. Nun unternimmt die SPD den nächsten Vorstoß, die Wut über die selbst geschaffene soziale Misere in rassistische und chauvinistische Kanäle zu lenken.
Mit der Agenda 2010 hat die rot-grüne Bundesregierung von Gerhard Schröder (SPD) vor 15 Jahren die Voraussetzungen für einen riesigen Niedriglohnsektor geschaffen. Inzwischen arbeitet jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland zu Löhnen unter zehn Euro brutto pro Stunde. Die so hervorgerufene soziale Spaltung ist Wasser auf die Mühlen der AfD, die die soziale Wut gegen Ausländer, Muslime und andere Minderheiten lenkt.