Die New York Times ist ein verlässliche Propagandaorgan der US-Regierung gegen Russland. Seit dem Putsch in der Ukraine von 2014 macht sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin praktisch für alles Schlimme verantwortlich, seien es die Gräuel im Syrienkrieg oder der Aufstieg Donald Trumps.
In ihrer Ausgabe vom 1. November setzte die Times diese anti-russische Kampagne mit einem Nachrichtenfeature fort. Es trägt den Titel: „Furcht vor russischen Ambitionen: Estland wird zur Nation der Aufständischen”. Der Artikel preist die Aktivitäten einer paramilitärischen Einheit in dem winzigen baltischen Land. Die ehemalige Sowjetrepublik ist heute Nato-Mitglied und liegt gerade einmal 140 Kilometer von St. Petersburg entfernt.
Unter der Leitung von James Bennet, Chefredakteur seit Anfang des Jahres, verfolgt die Times eine aggressive, anti-russische Linie. Sie spiegelt den Konsens im Pentagon und der CIA wider, wonach Russland heute das größte Hindernis für das Streben der USA nach globaler Hegemonie darstelle. Bennets Vater war früher Chef von USAID, einer Agentur, die immer wieder als CIA-Frontorganisation dient. Sein Bruder ist der dienstältere US-Senator von Colorado. Bennet ist also bestens für die Rolle als Kriegspropagandist gerüstet.
Ergänzt wird die redaktionelle Propaganda gegen Russland von diversen Experten vor Ort, die am laufenden Band so genannte „Nachrichten”-Artikel produzieren, die die schlimmsten Auswüchse der Boulevardpresse beinhalten.
Einer dieser Experten ist der Times-Korrespondent in Moskau Andrew E. Kramer. Er hat schon zahlreiche Fälschungen, Verzerrungen und Lügen propagiert und stellt sich ganz in den Dienst der Kampagne, mit der die amerikanische Öffentlichkeit auf eine militärische Konfrontation mit Russland vorbereitet wird. Im April 2014, nach dem Putsch in Kiew, war er Mitautor eines üblen Aufmachers. Dieser gab vor, fotografische Beweise dafür zu besitzen, dass russische Truppen in der Ostukraine aktiv seien, und dass sie die Rebellion pro-russischer Kräfte gegen das rechte Regime in Kiew anführten. Das Material stammte aus dem US-Außenministerium. Kurz darauf stellte sich heraus, dass die Fotos gefälscht waren und die Times musste den Artikel zurückziehen.
Jüngeren Datums ist der Artikel „Wieder Kreml-Feinde getötet: Das Muster weist auf staatliche Beteiligung hin”. Darin wird Putin im Wesentlichen für eine Serie politischer Morde verantwortlich gemacht, ohne dass auch nur der Anschein eines Beweises dafür vorgelegt wird.
In seinem jüngsten Artikel beschreibt Kramer die Paramilitärs der estnischen Verteidigungsliga. Dabei entsprechen seine journalistischen Ergüsse zu hundertprozentig den Operationen des US-Imperialismus. Erst letzte Woche gab die Nato in Brüssel die endgültigen Pläne bekannt, in allen drei baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen je eine Kampfbrigade zu stationieren. Eine 40 000 Mann starke schnelle Eingreiftruppe soll die 4000 Soldaten an der Grenze zu Russland unterstützen. Hinzu kommt ein Ring von Raketenabwehrstellungen in ganz Osteuropa, die einen atomaren Erstschlag der USA ermöglichen sollen.
Estland dient als strategischer Stolperdraht für einen nuklearen dritten Weltkrieg. Im September 2014 bekräftigte Präsident Barack Obama in der estnischen Hauptstadt Tallinn: „Die Verteidigung von Tallinn, Riga und Vilnius ist genauso wichtig wie die Verteidigung von Berlin, Paris und London.” Er bekannte sich zur „ewigen” Verpflichtung nach Artikel 5 des Nato-Statuts, den kleinen Staat von 1,3 Millionen Einwohnern zu verteidigen und sagte für diesen Fall „amerikanische Bodentruppen” zu.
In einem rhetorischen Ausflug in die Fantasiewelt lobte Obama damals den estnischen Nationalismus. Er erklärte: „Ihr habt nie aufgegeben, als die Rote Armee aus dem Osten oder die Nazis aus dem Westen kamen.”
Kramer wiederholt nun Obamas Geschichtsnarrativ bei seinen Erzählungen über die Abenteuer der estnischen Verteidigungsliga, wie sie durch den Wald vor Tallinns Toren stapfen und lernen, Sprengfallen zu bauen. Kramer berichtet, in Estland „werden die Partisanen, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis und die Sowjets kämpften, noch immer glorifiziert”.
Die Behauptung, die sogenannten Partisanen hätten der Roten Armee und der Wehrmacht gleichermaßen Widerstand geleistet, und die Vorgänger der heutigen estnischen Verteidigungsliga hätten heldenhaft gegen die Nazis gekämpft, ist eine groteske historische Fälschung. Der Vorläufer der heutigen estnischen Verteidigungsliga, die Omakaitse (Heimatwache), wurde 1918 von ehemaligen zaristischen Offizieren in Opposition gegen die Russische Revolution gegründet.
1941 wurde der Verband im Zusammenhang mit der Operation Barbarossa des Nazi-Regimes wiederbelebt und im Kampf gegen die zurückweichende Rote Armee eingesetzt.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Jedes Jahr am 28. August feiert Estland diese Partisanen. Das Datum markiert den Tag in dem Jahr 1942, an dem die Waffen-SS die Mitglieder der estnischen Verteidigungsliga in ihre Reihen aufnahm. SS-Veteranen führen an diesem Tag Kundgebungen durch, unterstützt von faschistischen und extrem nationalistischen Gruppen. Meist halten estnische Spitzenpolitiker offizielle Grußreden.
Im Zweiten Weltkrieg schlossen sich 80 000 Esten den Nazis an. 30 000 traten dagegen in die Rote Armee ein und bildeten das estnische Schützencorps, das gegen die Nazis kämpfte. Diese Veteranen werden heute weder „glorifiziert” noch gefeiert.
Viele Männer, die aus der estnischen Verteidigungsliga in die SS rekrutiert worden waren, dienten in den Wachmannschaften der 22 Konzentrations- und Arbeitslager, die es in Estland gab. Aus ihnen wurden sogar KZ-Kommandanten rekrutiert. Sie waren so effektiv, dass im Januar 1942 auf der Wannseekonferenz, als die sogenannte Endlösung der Judenfrage beschlossen wurde, die Nationalsozialisten prahlten, Estland sei bereits „judenfrei”.
Mit Hilfe der estnischen Faschisten hatten die Nazis jeden der 4500 Juden ermordet, denen es nicht gelungen war, vor der deutschen Besetzung zu fliehen. Aus anderen europäischen Ländern wurden zusätzlich etwa 20 000 Juden nach Estland deportiert. Die arbeitsfähigen Männer mussten sich in der Ölförderung zu Tode schuften, während Frauen, Kinder und Alte gleich bei der Ankunft ermordet wurden.
In Estland starben auch 15 000 kriegsgefangene Rotarmisten. Viele wurden umgebracht. Andere fielen den mörderischen Bedingungen in den Lagern zum Opfer.
Die Erinnerung an dieses schreckliche Erbe wollen Obama und die New York Times auslöschen. Dazu bedienen sie sich einer gemeinsamen Sprache mit dem Ziel, die militärische Aufrüstung gegen Russland voranzubringen. Letztlich geht es ihnen darum, die Geschichte des letzten Weltkriegs umzuschreiben, um den Boden für den nächsten vorzubereiten.