Die Sperrung des Internetzugangs für den WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist eine weitere hässliche Episode der Präsidentschaftswahlen in den USA, deren politisches Niveau immer weiter sinkt. Assange, der seit mehr als vier Jahren in der Botschaft Ecuadors in London praktisch gefangen gehaltenen wird, verliert damit fast jeden Kontakt zur Außenwelt.
Am Donnerstag bestätigte der ecuadorianische Außenminister die Vorwürfe von WikiLeaks, dass Ecuador aufgrund des Drucks der US-Regierung die Sperrung von Assanges Internetzugang angeordnet habe. In einer Stellungnahme erklärte das Ministerium, WikiLeaks habe „eine Vielzahl von Dokumenten veröffentlicht, die Einfluss auf den Wahlkampf in den USA haben“. Die Regierung von Ecuador „mische sich nicht in Wahlprozesse anderer Länder ein“, hieß es weiter. Auf dieser Grundlage habe die Regierung von Ecuador entschieden, „den Zugang“ zum Kommunikationsnetzwerk ihrer Botschaft in London „einzuschränken“.
Diese Stellungnahme der bürgerlichen Regierung des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa ist ein Paradebeispiel für Heuchelei und Feigheit. Denn gerade indem es die US-Regierung bei der Unterdrückung von WikiLeaks unterstützt, hat Quito auf der Seite des herrschenden Establishments und gegen die Rechte des amerikanischen Volks in die US-Wahlen eingegriffen. Wenn Correa erwartet, dass seine angebliche Berücksichtigung des „Prinzips der Nichteinmischung“ erwidert werden wird, dann sollte er sich an das Schicksal des honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya erinnern. Dieser war 2009 durch einen Staatsstreich gestürzt worden, den die damalige Außenministerin Hillary Clinton inszeniert hatte.
WikiLeaks beruft sich auf Berichte, nach denen Außenminister John Kerry „am Rande der Verhandlungen“ über das gescheiterte kolumbianische Friedensabkommen letzten Monat in Bogota die Regierung von Ecuador aufgefordert habe, diese Maßnahmen zu ergreifen. Die US-Regierung hat eingegriffen, um alle weiteren Enthüllungen zu verhindern, die die Wahlkampagne von Clinton beeinträchtigen könnten. Denn Clinton hat sich als eindeutige Favoritin des militärischen und geheimdienstlichen Komplexes der USA sowie auch der Wall-Street-Banker erwiesen.
Ob das Außenministerium die einzige Instanz war, die wegen der Clinton-Wahlkampagne Druck auf Ecuador ausgeübt hat oder ob die Wall Street ebenfalls direkt interveniert hat, ist unklar. Der Zeitpunkt der Internetsperre direkt nach der Veröffentlichung der Goldman-Sachs-Reden von Clinton könnte mehr als ein Zufall sein.
Im Frühjahr 2014 hat die Regierung von Ecuador mehr als die Hälfte ihrer Goldreserven für einen Zeitraum von drei Jahren an die Goldman Sachs Group Inc. übergeben. Sie hat versucht sich dadurch Barmittel zu verschaffen, um das wachsende Defizit zu decken, das durch den Einbruch der Ölpreise verursacht worden ist. Berichten zufolge hat sie 466.000 Unzen Gold im damaligen Wert von 580 Millionen Dollar an Goldman Sachs verschickt. Im Gegenzug sollte sie Finanzinstrumente mit „hoher Sicherheit“ und erwartete Gewinne auf ihre Investition erhalten. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass diese Beziehung Goldman Sachs eindeutig die Möglichkeit gibt, Einfluss auf die Regierung Ecuadors auszuüben.
In jedem Fall ist offensichtlich, dass das herrschende Establishment der USA immer verzweifelter bemüht ist, die Flut an vormals geheimen E-Mails und Dokumenten zu unterbinden. Denn diese Dokumente legen nicht nur den wahren Charakter von Clinton offen, sondern auch der kapitalistischen Politik insgesamt. WikiLeaks hat bisher mehr als 17.000 E-Mails des E-Mailkontos von Clintons Wahlkampfmanager und hochrangigem Funktionär der Demokraten John Podesta veröffentlicht. Man geht davon aus, dass noch 33.000 weitere folgen sollen.
Die Protokolle von Clintons Reden vor Goldman Sachs und anderen führenden Bank- und Unternehmergruppen, für die sie durchschnittlich pro Auftritt 200.000 Dollar erhielt, belasten sie am meisten. Sie decken die Arbeitsweise der Oligarchie auf, die in Amerika herrscht. Obendrein enthüllen sie das Denken und die Vorgehensweise einer Politikerin, die alles tut, um die Interessen dieser herrschenden Schicht zu fördern und gleichzeitig immer größeren Reichtum und Macht zu erhalten.
Während ihrer Wahlkampftour gab sie sich „progressiv“ und entschlossen, gegen die Wall Street vorzugehen. In ihren Reden vor Goldman Sachs machte sie jedoch ihre bedingungslose Verteidigung der Banken und Finanzhäuser klar. Vor dem Hintergrund einer weit verbreiteten Empörung über die Banker und ihre Rolle, die beim Finanzcrash von 2008 Millionen Menschen in die Krise gestürzt haben, hielt Clinton Reden, in denen sie die Finanziers der Wall Street lobte. Sie behauptete, sie seien bestens gerüstet, um sich selbst zu regulieren. Sie entschuldigte sich bei ihnen, weil sie das zahnlose Dodd-Frank-Gesetz zur Finanzregulierung unterstützt hatte. Sie erklärte, es sei aus „politischen Gründen“ verabschiedet worden.
Vor ihren Wall-Street-Zuhörern machte Clinton klar, dass sie keine Hemmungen habe, im Ausland Kriege und Massaker anzuordnen. Während sie gegenüber der Öffentlichkeit erklärt, sie unterstütze eine „Flugverbotszone“ in Syrien als humanitäre Maßnahme, um Leben zu retten, bekannte sie gegenüber ihrem Publikum bei Goldman Sachs, dass eine solche Maßnahme „sehr viele Syrer töten“ würde. Sie könne sich zu einem „amerikanischen sowie Nato-Engagement“ entwickeln, „das viele Zivilisten das Leben kosten“ werde. In derselben Rede erklärte sie ihre Bereitschaft, den Iran zu bombardieren.
Die E-Mails haben den Zusammenhang der korrupten Verbindungen zwischen dem Außenministerium, der Clinton-Stiftung, ihren diversen Kampagnen und ihrem Netzwerk an Spendern aus der Finanz- und Unternehmerwelt offengelegt. Sie alle zusammen bilden ein quasi-kriminelles einflussreiches Unternehmen, das man wohl am besten als „Clinton AG“ bezeichnen könnte.
Die Enthüllungen von WikiLeaks wurden von den bürgerlichen Medien ignoriert oder heruntergespielt. Sie konzentrierten sich stattdessen auf die Vorwürfe des sexuellen Fehlverhaltens von Donald Trump.
Das Clinton-Lager selbst versucht alle Fragen über das, was Clinton in ihren Reden gesagt hat, oder über die korrupten Operationen ihrer Wahlkampagne abzuwiegeln. Ohne irgendwelche Beweise wird behauptet, das von WikiLeaks veröffentlichte Material stamme von Hackern der russischen Regierung und sei nicht vertrauenswürdig.
Diese Argumentationsweise dient dazu, die Aufmerksamkeit vom WikiLeaks-Material abzulenken. Außerdem unterstützt sie Behauptungen des Clinton-Wahlkampfteams im Stile McCarthys, der Kreml greife zugunsten von Trump in den Wahlkampf ein. Zusätzlich wird damit die Propagandakampagne vorangetrieben, mit der die öffentliche Meinung auf eine direkte militärische Konfrontation mit Russland vorbereitet werden soll.
Der Versuch, das Material von WikiLeaks zu unterdrücken, hat einen Anflug von Verzweiflung. Der Nachrichtensprecher von CNN Chris Cuomo, ein offener Anhänger von Clinton, ging so weit, sein Publikum zu belügen. Er behauptete, es sei illegal, selbst auf die E-Mails zuzugreifen, und beharrte darauf, die Öffentlichkeit könne nur durch den Filter der bürgerlichen Medien Informationen über sie erhalten.
Lange vor der Veröffentlichung der Dokumente über die Demokratische Partei zeigten die herrschenden Kreise immer wieder auf brutale Art und Weise ihre Entschlossenheit, WikiLeaks zu unterdrücken. Vertreter des Außenministeriums haben einen Bericht vom Jahr 2010 vorgelegt, einer Zeit massenhafter Veröffentlichung von Telegrammen des Außenministeriums durch WikiLeaks in denen die imperialistischen Operationen der USA überall auf der Welt aufgedeckt wurden. Clinton, die damalige Außenministerin, habe ihre Mitarbeiter gefragt: „Können wir den Kerl nicht einfach mit einer Drohne erledigen?“ Vor kurzem erklärte sie, sie könne sich an diese Bemerkung nicht erinnern, aber wenn sie dies gesagt habe, dann sei es ein Scherz gewesen.
Zur gleichen Zeit hat jedoch der Clinton-Anhänger und langjährige Wahlkampfleiter der Demokraten Bob Beckel in einem Fernsehinterview über Assange erklärt: „Ein Toter kann keine Sachen veröffentlichen. Dieser Typ ist ein Verräter, er ist ein Hochverräter, und er hat alle Gesetze der Vereinigten Staaten gebrochen... es gibt nur eine Möglichkeit: den Hurensohn auf illegalem Weg erschießen.“
Bisher hat sich die herrschende Klasse auf juristische Komplotte und Rufmorde beschränkt und sich dabei auf die Unterstützung ihrer Handlanger innerhalb der Medien und der Pseudolinken verlassen. Große Teile der Pseudolinken haben sich entweder der Hexenjagd gegen Assange angeschlossen oder seine Verfolgung verharmlost.
Das wichtigste Mittel für diese Verfolgungskampagne waren die fabrizierten Anschuldigungen wegen sexueller Verfehlungen, die von den schwedischen Behörden vorgebracht wurden. Dabei arbeiten sie eng mit der britischen und der US-amerikanischen Regierung zusammen. Anfang des Jahres hat die UNO-Arbeitsgruppe zu willkürlicher Inhaftierung einen Bericht veröffentlicht, der besagt, dass Assange „seiner Freiheit auf willkürliche Art beraubt wurde“. Das heißt die Gruppe ist zu dem Schluss gekommen, dass das schwedische Verfahren ein politisch motivierter Komplott ist.
Inmitten der gegenwärtigen Versuche, Assange mundtot zu machen, wurde ein noch bizarrerer und schmutzigerer Komplott geschmiedet. Man versucht den WikiLeaks-Gründer mit dem Vorwurf zu verunglimpfen, er habe russisches Geld angenommen und sei pädophil.
Im Zentrum dieser Beschuldigungen steht die kaum bekannte Online-Partnervermittlung, Toddandclare.com, die zunächst versucht hatte, Assange dazu zu überreden, Werbung für ihre Webseite zu machen, wofür er angeblich eine Million Dollar von der russischen Regierung erhalten sollte. Als WikiLeaks diese absurde Provokation zurückwies, behauptete dieselbe Internetseite, Assange sei wegen unangemessenen Kontakts über diese Seite mit einem achtjährigen kanadischen Kind, das auf den Bahamas zu Besuch war, angeklagt worden. Diese Beschuldigung wurde dann bei dem Versuch genutzt, die UNO dazu zu bringen, ihre Forderung nach einem Ende der Verfolgung von Assange fallen zu lassen.
Selbst eine oberflächliche Untersuchung macht deutlich, dass diese Beschuldigungen groteske Fälschungen sind. Die Polizei der Bahamas hat erklärt, es gebe keinerlei Anklagen oder Verfahren gegen Assange. Die Partnervermittlung besitzt keine Firmenadresse, keine funktionierende Telefonnummer oder Firmenpräsenz irgendwo in den Vereinigten Staaten. Das alles sind die typischen Merkmale einer Scheinfirma, die von den US-Geheimdiensten geschaffen wurde, um Assange zu verfolgen.
Diese Vorgehensweise macht deutlich, wie stark die Feindschaft in der Bevölkerung gegenüber beiden großen politischen Parteien und ihren zwei widerlichen Kandidaten die herrschende Klasse in den USA in Panik versetzt hat. Sie befürchtet, dass die unablässige Offenlegung der inneren Mechanismen einer Regierung der Reichen, durch die Reichen und für die Reichen dem bestehenden politischen Gebilde, das bisschen Legitimität, das es in der Bevölkerung noch besitzt, nehmen könnte. Sie ist besorgt, dass sich damit die Bedingungen für eine politische Radikalisierung der Arbeiterklasse und soziale Aufstände entwickeln, egal wer die Wahlen am 8. November gewinnt.