Genau vor zwei Jahren begann US-Präsident Barack Obama den jüngsten Krieg in Irak und Syrien, um angeblich die Milizen des Islamischen Staats zu bekämpfen. Der amerikanische Präsident stellte die neue Militärintervention nicht nur als Fortsetzung des „weltweiten Kampfs gegen den Terrorismus“ dar, sondern auch als Kreuzzug für Menschenrechte. Dabei bezog er sich besonders auf die Gefährdung der Jesiden im Irak und betonte, er könne „nicht einfach wegschauen“, wenn religiöse Minderheiten bedroht werden.
Diese vorgeblich humanitäre Intervention wird immer mehr zu einem Blutvergießen im großen Stil. Laut dem jüngsten Bericht der Monitoring-Organisation Airwars sind bereits mehr als 4.700 Zivilisten durch der Luftschläge der „US-geführten Koalition“ zu Tode gekommen. (95 Prozent dieser Luftangriffe wurden dabei von US-Kampfjets ausgeführt.) Im Verlauf von zwei Jahren wurden damit mehr unschuldige irakische und syrische Männer, Frauen und Kinder durch amerikanische Bomben getötet als die USA insgesamt an Soldaten im achtjährigen Irak-Krieg verloren haben, der 2003 unter Präsident George W. Bush begonnen wurde.
Viele Lügen und Vorwände wurden angeführt, um den jüngsten Krieg in Nahost und die anderthalb Jahrzehnte Krieg seit dem 11. September 2001 zu rechtfertigen. Sie alle sind nichts mehr wert, seitdem die US-Regierung und die Medien die angeblichen Siege der „Rebellen“-Truppen im Kampf um Aleppo, Syriens ehemaliger Wirtschaftsmetropole, feiern.
Die „Rebellen“-Offensive wird von einer Gruppierung organisiert und angeführt, die jahrelang der offizielle syrische Ableger von Al-Qaida war. Die Operation ist nach einem sunnitischen, sektiererischen Extremisten benannt, der ein Massaker an syrisch-alevitischen Gefangenen verübt hat. Das alles irritiert nicht weiter. So viel zum Geschwätz über Terrorismus und Menschenrechte!
Es ist keineswegs klar, wie groß die militärischen Gewinne der Kräfte unter Al-Qaida-Führung in Aleppo sind. Es ist ihnen aber offensichtlich gelungen, den westlichen Teil der Stadt unter Belagerung zu nehmen. Dieser Teil steht unter Kontrolle der syrischen Regierung, und dort lebt die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Die „Rebellen“ haben Hunderte von Menschen mit ihren Mörser- und Artillerie-Angriffen getötet und verstümmelt.
Die US-Regierung und ihre Verbündeten, westliche Medien und Menschenrechtsgruppen, werfen der syrischen Regierung von Baschar al-Assad vor,Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen, wenn sie die Dschihadisten im Ostteil Aleppos bombardieren. Doch sie sind gleichgültig, wenn diese vom Imperialismus unterstützten Terroristen im westlichen Teil der Stadt Zivilisten umbringen.
Teile der westlichen Medien schämen sich nicht, die Heldentaten der „Rebellen“-Selbstmordattentäter zu feiern, weil sie den vom Westen unterstützten Milizen einen strategischen „Vorteil“ verschaffen. Die New York Times veröffentlicht dabei die verlogensten und heuchlerischsten Berichte über die jüngsten Kämpfe. Ihre Berichterstattung folgt sorgfältig den räuberischen Interessen des US-Imperialismus.
In einem Artikel über Aleppo von Montag schreibt die Times, dass die „Rebellen und ihren dschihadistischen Verbündeten“ die Kontrolle der Regierung in Frage stellen. Weiter heißt es: „Ein wesentlicher Faktor beim Vormarsch der Rebellen am Wochenende war die Zusammenarbeit zwischen den regulären Rebellengruppen, von denen einige verdeckte Waffenlieferungen aus den USA erhalten haben, und der dschihadistischen Organisation, früher unter dem Namen Nusra-Front bekannt, die Al-Qaida angeschlossen war.“
Die Zeitung berichtet diese Verbindung absolut beiläufig, als wäre nichts besonderes dabei. Erst eine Woche vor Beginn der Offensive in Aleppo hat die Nusra-Front ihren Namen in Fatah-al-Scham-Front geändert und mit Zustimmung von Al-Qaida ihre formelle Unabhängigkeit von der Mutterorganisation erklärt.
Man muss davon ausgehen, dass diese Umbenennung in Abstimmung mit dem US-Geheimdienst CIA erfolgt ist. Damit soll versucht werden, die direkte amerikanische Unterstützung für diese Offensive sauberer darzustellen - schließlich wird sie von einer Gruppe angeführt, die Washington lange Zeit als terroristische Organisation galt.
Die Times nennt nicht ein einziges Mal die Namen der „regulären Rebellengruppen“, die angeblich an der Seite der Al-Qaida-Milizen kämpfen. Es wird suggeriert, dass es sich um eine Art liberale progressive Truppe handelt. Tatsächlich hat eine dieser Gruppen vor kurzem ein Video veröffentlicht, in dem einer ihrer Kämpfer ein verwundetes 12-jähriges Kind enthauptet. Praktisch alle diese Gruppen vertreten im Wesentlichen dieselbe Ideologie wie Al-Qaida.
Die britische Financial Times hat einen der aufrichtigsten Berichte über die „Rebellen“-Offensive von Aleppo veröffentlicht. Sie stellt fest: „Man könnte hier mehr ausländische Hilfe gehabt haben, als es zunächst erscheint: Aktivisten und Rebellen sagen, die Oppositionstruppen wurden vor und während der Kämpfe mit neuen Waffen, Geld und anderen Ausrüstungsgegenständen beliefert.“ Angeführt werden Berichte über tägliche Lastwagenkolonnen, die sich wochenlang über die türkische Grenze bewegten und mit Waffen und Munition, darunter Artillerie und andere schwere Waffen, beladen waren.
Die Zeitung zitiert einen ungenannten westlichen Diplomaten, der erklärte, die von Al-Qaida geführte Offensive sei von offizieller amerikanischer Seite unterstützt worden, „um wieder mehr Druck auf Russland und den Iran auszuüben“. Russland und der Iran haben der Assad-Regierung wichtige militärische Unterstützung geleistet.
Die Financial Times zitiert obendrein einen ungenannten „Militäranalysten“. Ihm zufolge weist die Art der Kämpfe darauf hin, dass die Al-Qaida-Truppen nicht nur umfangreiche Mengen an Waffen, sondern auch professionelle militärische Ausbildung erhalten haben.
Bezeichnenderweise sind während der Kämpfe in Aleppo Bilder aufgetaucht, die schwer bewaffnete britische Spezialeinheiten mit Langstrecken-Patrouillenfahrzeugen im Norden Syriens zeigen. Ähnlich werden US-Einheiten am Boden eingesetzt. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass dies die Kräfte sind, die Al-Qaidas syrischen Ableger ausbilden.
Dies erinnert an die imperialistische Operation, die zur Entstehung von Al-Qaida vor 30 Jahren geführt hat. Damals hat die CIA in enger Zusammenarbeit mit Osama bin Laden die Mudschaheddin auf ähnliche Weise unterstützt, um das sowjetisch gestützte Regime in Afghanistan zu stürzen. Ein Resultat war letztendlich der 11. September 2001.
Die gegenwärtige Operation in Syrien birgt jedoch weit größere Gefahren. Washington versucht mit dem, was jetzt in den Medien offen als „Stellvertreterkrieg“ bezeichnet wird, Russlands wichtigen Verbündeten im Nahen Osten zu stürzen. Dabei fungiert Al-Qaida als Bodentruppe des US-Imperialismus. Das ist Teil der Vorbereitungen auf einen Krieg, mit dem Russland selbst auseinandergenommen und unterworfen werden soll.
Die Spitzenkandidatin bei den US-Präsidentschaftswahlen Hillary Clinton hat wiederholt signalisiert, dass sie eine weitaus aggressivere Politik in Syrien und gegenüber Russland verfolgen will. Dabei erhebt sie hetzerische Vorwürfe gegenüber Wladimir Putin - er untergrabe angeblich die US-Wahlen - und hat dies zu einem wichtigen Teil ihres Wahlkampfes gemacht.
Wartet Washington ab, bis eine neue Präsidentin oder ein neuer Präsident im Amt ist, um den Krieg auszudehnen? Dies ist heute nicht eindeutig zu beantworten. Die Gewinne der „Rebellen“ in Aleppo könnten sehr rasch zunichte gemacht werden und die Kämpfe damit enden, dass die von den USA unterstützten Al-Qaida-Milizen ihre letzte Stadt verlieren.
Der US-Imperialismus ist nicht bereit, das Wiedererstarken der syrischen Regierung im Bündnis mit Moskau zu akzeptieren. Der Druck in Hinblick auf eine direkte und massive US-Intervention wächst dann, was die Gefahr eines direkten Zusammenstoßes zwischen amerikanischen und russischen Truppen birgt.
15 Jahre nach Beginn des „Kriegs gegen den Terror“ ist Washington direkt verbündet mit dem angeblichen Gegner Al-Qaida und bereitet sich darauf vor, den größten Terrorakt gegen die Menschheit überhaupt zu entfesseln: den Dritten Weltkrieg.