Weißes Haus veröffentlicht „Leitfaden“ für gezielte Tötungen

Obamas Drohnenmord-Maschinerie

Am 5.August veröffentlichte die Regierung Obama ein bisher geheimes Grundsatzpapier, das Anweisungen für die Vorbereitung, Genehmigung und Durchführung von Drohnenmorden enthält. Diese Morde sind zum Markenzeichen von Obamas achtjähriger Amtszeit im Weißen Haus geworden.

Das Dokument, ein „President Policy Guidance“ (PPG, Richtlinie des Präsidenten), wurde nur aufgrund einer langwieriger juristischer Auseinandersetzung mit der Amerikanischen Bürgerrechtsvereinigung veröffentlicht; es weist zahlreiche redaktionelle Änderungen auf. Der Bundesrichter Colleen McMahon hatte das Justizministerium angewiesen, das Dokument spätestens am Freitag, den 5. August zu veröffentlichen. Die Amerikanische Bürgerrechtsvereinigung stellte das PPG am nächsten Morgen auf ihre Webseite.

Das achtzehnseitige Dokument macht deutlich, dass staatliche Morde seit Obamas Amtsantritt im Weißen Haus zur alltäglichen Routine geworden sind. Demzufolge könnte buchstäblich jeder Mensch auf diesem Planeten durch eine Hellfire-Rakete, abgefeuert von einer US-Reaper-Drohne, getötet werden.

Der frühere Vizeverteidigungsminister Derek Chollet beschrieb letzten Monat in einem Interview mit der Washington Post die Atmosphäre, die in der Regierung Obama vorherrscht. Chollet, Obamas stellvertretender Verteidigungsminister von 2012 bis 2015, war für internationale Sicherheitsfragen zuständig. Er sagte der Zeitung: „Der Einsatz militärischer Gewalt – die Ermordung von Menschen im Ausland durch die Vereinigten Staaten – wird mittlerweile so oft praktiziert, dass er in der Diskussion praktisch untergeht. Es ist fast zu einfach geworden. Niemand achtet mehr darauf. Es gehört einfach dazu.“

Bei der Ermordung von US-Bürgern und Ausländern mit Aufenthaltsgenehmigung („US-Personen“ in der Sprache der PPG) ist eine ausdrückliche Genehmigung des Präsidenten erforderlich. Ganz anders sieht es bei Bürgern anderer Staaten aus: Hier ist nur eine Mitteilung an den Präsidenten vonnöten und keine vorherige Genehmigung. Ansonsten gibt es für die Morde keinerlei geographische Einschränkungen. Nichts hindert die CIA daran, die Ermordung einer Person innerhalb der Grenzen der USA durch eine Drohne vorzuschlagen, und nichts hindert den Präsidenten daran, dem zuzustimmen.

Und selbst die Einschränkungen, die das Dokument angeblich vorschreibt, können nach Ermessen des Präsidenten außer Kraft gesetzt werden. So heißt es im Dokument in einem wichtigen Abschnitt:

„Nichts in diesem PPG soll eine Auslegung rechtfertigen, welche den Präsidenten an der Ausübung seiner verfassungsmäßigen Macht als Oberbefehlshaber und oberster Dienstherr hindern würde. Er hat die Autorität, einen rechtmäßigen Vorschlag der Behörden in Erwägung zu ziehen und direkte Maßnahmen anzuordnen, auch wenn sie außerhalb der vorliegenden Richtlinien liegen. Dazu gehört auch der Antrag zur Genehmigung von tödlicher Gewalt gegen eine einzelne Person, wenn sie eine fortgesetzte, unmittelbar bevorstehende Bedrohung für Personen eines anderen Landes darstellt.“

Mit anderen Worten, in diesem Dokument ist festgelegt, was der Präsident von seinen Untergebenen erwartet, die seine Zustimmung erlangen wollen, und gleichzeitig hat der „Oberbefehlshaber“ das Recht, zu tun, was er will.

Das Dokument ist voller bürokratischer Phrasen, die die beteiligten Beamten einlullen sollen. Sie sollen glauben, dass ihr Handeln in Übereinstimmung mit dem Gesetz stehe. Die Rechtsanwälte der „vorschlagenden Behörden“, d.h. der Dienststellen, in denen die Todeslisten erstellt werden, überprüfen angeblich jeden Todeskandidaten und stellen sicher, dass die Auswahl „rechtmäßig“ sei. Darüber hinaus werden Mordanschläge angeblich nur genehmigt, wenn „fast mit Sicherheit“ auszuschließen sei, dass es zivile Opfer gebe.

Die einzige „Sicherheit“ besteht jedoch darin, dass die Entscheidungsträger in diesem Leitfaden einen schriftlichen Beleg haben, der sie gegen eine zukünftige Strafverfolgung vor einem Kriegsverbrechertribunal absichern soll. Die Betreffenden werden argumentieren, dass man ihnen versichert habe, es werde keine zivilen Opfer geben. Umgekehrt wissen so die Beamten der unteren Ebenen, welche Zusicherungen sie machen müssen, damit ihre „Nominierungen“ für die Todeslisten genehmigt werden.

In einer Fußnote auf der zweiten Seite heißt es: „Dieses PPG befasst sich nicht damit, dass gesetzmäßige und ordnungsgemäß autorisierte Tätigkeiten auch tödliche Auswirkungen haben können, die aber nicht Hauptzweck der Operation sind.“ Mit anderen Worten sind unbeabsichtigte Todesopfer, wie sie im Vietnamkrieg „Kollateralschäden“ genannt wurden, einfach kein Thema. Das ist nichts anderes als ein Blankoscheck für den Massenmord an Zivilisten, solange man erklärt, dass deren Tod „in keinem Zusammenhang“ mit der Hauptaktion stehe.

Das PPG beschreibt einen komplexen Genehmigungsprozess. Er beginnt mit der „Nominierungsbehörde“, was üblicherweise die CIA oder das Pentagon ist, deren Empfehlungen vom CIA-Direktor oder dem Verteidigungsminister gebilligt werden. Sie werden dann von den Mitarbeitern des Nationalen Sicherheitsrats geprüft, die unter der Leitung des Präsidenten stehen, worauf ein „parlamentarischer Ausschuss“ und der „Direktorenausschuss“ sie absegnet. Der „parlamentarische Ausschuss“ besteht aus zweitrangigen Beamte des Pentagons, der CIA, des Außenministeriums und anderer Sicherheitsbehörden, während der „Direktorenausschuss“ aus hochrangigen Beamten derselben Behörden besteht. Im Falle von Streitigkeiten zwischen den Behörden, oder wenn das Angriffsziel eine „US-Person“ ist, liegt die letzte Entscheidung beim Präsidenten.

In diesem ganzen Ablauf spielt der Nationale Sicherheitsrat (NSC) die entscheidende Rolle. Diese Behörde hat unter den Regierungen Bush und Obama das Vierfache ihres ursprünglichen Umfangs angenommen. Parallel dazu wurde die Leitung der laufenden Sicherheitspolitik im Weißen Haus konzentriert. Das sorgt für einen direkten Draht des Präsidenten und seiner engsten Mitarbeiter zum Militär-Geheimdienstapparat. Der NSC schirmt damit das Drohnen-Mord-Programm von externer Überprüfung ab.

Da der Nationale Sicherheitsrat als dem Weißen Haus zugehörig gilt, ist er von jeglicher Überprüfung durch den Kongress, wie auch von den Bestimmungen des Informationsfreiheits-Gesetzes, befreit. Das entspricht der Auslegung der „Exekutivprivilegien“ durch Bush und Obama, denen die Demokraten und Republikaner im Kongress zugestimmt haben. Beamte des Nationalen Sicherheitsrats, einschließlich der Nationalen Sicherheitsberaterin Susan Rice, können nicht vor einen Kongressausschuss geladen oder anderweitig für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden.

Laut ehemaligen Beamten der Obama-Regierung gibt es gegenwärtig sieben Länder, in denen Drohnenmorde verübt werden: Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan, Pakistan, Jemen und Somalia. Der Irak, Syrien und Afghanistan erfordern als aktive Kriegszonen überhaupt keine vorherige Genehmigung. Sie sind für das Drohnenmord-Personal im Wesentlichen „schussfreie Zonen“. Es ist nicht klar, ob Libyen jetzt denselben Status innehat, seitdem Obama letzte Woche den Befehl zur Bombardierung angeblicher IS-Stützpunkte in diesem Land unterzeichnet hat.

Letzten Monat hat das Weiße Haus zum ersten Mal Zahlen über zivile Opfer der Drohnenangriffe veröffentlicht. Journalisten und Menschenrechtsgruppen, die das Programm untersucht haben, weisen diese Zahlen jedoch als deutliche Untertreibung zurück. Die „offizielle“ Zahl von 116 durch Drohnen getöteter Zivilisten in Pakistan, Jemen, Somalia und Libyen beträgt beispielsweise nur ein Zehntel der Schätzungen des Büros für investigativen Journalismus in London.

Die US-Regierung hat die neusten geschätzten Zahlen ziviler Opfer am späten Freitagabend herausgegeben, genau wie den „Leitfaden“ über Drohnenmorde, der noch dazu stark redaktionell überarbeitet war. Das war ein deutlicher Hinweis der Regierung an die bürgerlichen Medien, dass sie diese Informationen besser auf kleiner Flamme kochen sollten.

Die Medien haben den Wink verstanden und befolgt. Am Samstag und Sonntag sind gerade mal einige, recht oberflächliche Artikel erschienen. Was aber vollkommen ausblieb, war ein Aufschrei, ein Leitartikel, der in klaren Worten verurteilt hätte, dass der Präsident das „Recht zu töten“ ohne jedes Gerichtsverfahren für sich in Anspruch nimmt. Und auch die sonntäglichen TV-Interviews verzichteten darauf, das Wort „Drohne“ auch nur zu erwähnen.

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