In einem Leitartikel vom 4. August mit dem Titel „Der neue Anti-Amerikanismus der Türkei“ kritisiert die New York Times nicht nur die Regierung, sondern auch das türkische Volk, weil es die begründete Schlussfolgerung zieht, dass Washington eine wichtige Rolle bei der Unterstützung des gescheiterten Putsches vom 15. Juli zum Sturz des gewählten Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, gespielt hat.
Die Times argumentiert: „Aufgewühlt durch den gescheiterten Putschversuch brauchen die türkische Regierung und viele der türkischen Bürger ganz dringend jemanden, den sie dafür verantwortlich machen können. Aber statt die Tatsachen gründlich zu untersuchen, beschuldigen sie die Vereinigten Staaten der Mittäterschaft an der Revolte.“ Und weiter heißt es: „Dies hat eine neue Welle von Anti-Amerikanismus ausgelöst.“
Die Times hält diese Anschuldigungen für unlogisch und absurd. „Es macht keinen Sinn, dass die Vereinigten Staaten versuchen sollten, einen Nato-Verbündeten zu destabilisieren, dessen Zusammenarbeit entscheidend für die Sicherheit der Allianz wie auch für den Kampf gegen den Islamischen Staat ist, speziell wenn ein Großteil der Region im Chaos versinkt.“
Tatsächlich ist die Türkei seit 1952 Nato-Verbündeter der Vereinigten Staaten. Und seit damals hat Washington Machtergreifungen durch das türkische Militär nicht nur einmal, sondern dreimal unterstützt – 1960, 1971 und 1980 – ganz zu schweigen von den blutigen Ereignissen im letzten Monat.
Außerdem war es genau diese „Zusammenarbeit“ der Regierung Erdoğan, die in den letzten Monaten angezweifelt wurde; ganz speziell deswegen, weil sie versuchte, sich Moskau wieder anzunähern, während die Spannungen zwischen den USA und Russland zunahmen. Die Beziehungen hatten sich wegen Syrien noch weiter verschlechtert, weil das US-Militär ein Bündnis mit den kurdischen Separatisten eingegangen war, was Ankara als existentielle Bedrohung des türkischen Staats betrachtet.
„Die Türken“, erklärt uns die Times, „spielen ein falsches und zynisches Spiel“, wenn sie andeuten, dass die USA irgendetwas mit dem gescheiterten Putsch zu tun hätten.
Aber wenn es um Zynismus und Unaufrichtigkeit geht, sucht die Times ihresgleichen. Wie kann sie behaupten, die USA habe nichts mit dem Putsch zu tun?
Es ist allgemein bekannt, dass der Putsch zu einem erheblichen Teil vom Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Südosten der Türkei aus organisiert wurde. Der Stützpunkt ist nicht nur das Zentrum des Luftkriegs gegen den Irak und Syrien und beherbergt 1.400 US-Armeeangehörige sowie hunderte amerikanische Vertragsunternehmer. Er ist außerdem die größte Lagerstätte des amerikanischen nuklearen Waffenarsenals auf dem europäischen Kontinent. 90 taktische Atombomben vom Typ B-61 sind dort gelagert, von der jede eine mehr als zehnfach höhere Zerstörungskraft als die Hiroshima-Bombe hat.
Nachdem der Putsch gescheitert war, bat der Kommandeur des Stützpunkts, einer der vielen Militärs mit engen Beziehungen zum Pentagon, seine amerikanischen Kollegen um Asyl in den USA. Er hatte eine wichtige Rolle beim Putsch gespielt.
Wenn die CIA und andere US-Geheimdienste nichts über den bevorstehenden Putsch gewusst hätten, der direkt unter der Nase des US-Militärs organisiert wurde, dann wäre dies das größte Versagen der Geheimdienste in der amerikanischen Geschichte. Was wäre, wenn es ein islamistischer Putsch gewesen wäre, bei dem die Atombomben an Al Qaida, den IS oder ähnliche Organisationen übergeben worden wären? Ein solches Versagen hätte den Rücktritt des CIA-Direktors John Brennan, des NSA Direktors Admiral Michael Rogers, und anderer zur Folge gehabt. Unnötig zu erwähnen, dass es keinerlei Rücktritte gab.
Überdies konnte Erdoğan nur deshalb fliehen, und einem Todeskommando des Militärs knapp entgehen, weil der russische Geheimdienst ihn gerade noch rechtzeitig gewarnt hatte. Der russische Geheimdienst hatte offensichtlich die militärische Kommunikation zwischen den Putschisten abgefangen.
Ist es glaubwürdig, dass das US-Militär nicht mindestens dieselben oder sogar umfangreichere Vorabkenntnisse hatte? Muss es nicht dieselben Kommunikationen von den angrenzenden Büros mit angehört haben? Müssen die Spionagefähigkeiten der CIA und der NSA in diesem Land, wo sie seit Jahrzehnten arbeiten, denen der Russen nicht weit überlegen sein?
Ihre Entscheidung, Erdoğan nicht dieselbe Warnung zukommen zu lassen, lässt nur eine Interpretation zu: Obama und den Chefs des US-Militärs und der Geheimdienste wäre es lieber gewesen, den türkischen Staatschef tot zu sehen.
Die erste Reaktion der US-Regierung, die von US-Außenminister John Kerry in Moskau kam, bevor klar war, dass der Putsch gescheitert war, weist in dieselbe Richtung. Kerry beschränkte sich darauf, den US-Wunsch nach „Stabilität, Frieden und Kontinuität in der Türkei“ zu äußern. Weder Erdoğans Name noch irgendeine Sorge um den Fortbestand der gewählten zivilen Regierung wurde auch nur erwähnt.
Die Rücksichtslosigkeit und Kriminalität dieser Politik ist atemberaubend. Nachdem der US-Imperialismus Millionen Menschen getötet und verstümmelt und ganze Gesellschaften im Irak, Libyen und Syrien zerstört hat, war er bereit, in der Türkei im Wesentlichen dasselbe zu tun, um seine regionale und globale Vorherrschaft zu stärken.
Angesichts der beträchtlichen Unterstützung der AKP in der Bevölkerung muss man davon ausgehen, dass einem erfolgreichen Putsch ein Blutbad gefolgt wäre, das weit über das des Generals Abdel Fattah al-Sisi, dem USA-freundlichen Diktator in Ägypten, oder der barbarischen Unterdrückung nach dem türkischen Putsch von 1980 hinausgegangen wäre. Die voraussichtliche Folge wäre der Ausbruch eines Bürgerkriegs in einem Nato-Land an den Grenzen Europas gewesen.
Genau das versucht die Times zu vertuschen. Die Zeitung hat die Ereignisse in der Türkei bewusst falsch dargestellt. Sie hat eine fieberhafte Kampagne geführt, um Russlands Präsidenten Putin für den Diebstahl von belastenden Emails des Demokratischen Nationalen Komitees und ihre Weitergabe an WikiLeaks verantwortlich zu machen, obwohl sie keine Beweise dafür hat. Mit alledem fungiert die Times immer offener als Medienabteilung des US-amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparats, die deren Operationen anstiftet und seine Verbrechen vertuscht.
In der letzten Woche hat die World Socialist Web Site einen Artikel mit dem Titel „Wer ist James Bennet?“ veröffentlicht. Darin hat sie auf die politische Herkunft des neuen Redaktionsleiters der Times aufmerksam gemacht. Wir haben auf Bennets familiäre Beziehungen hingewiesen, wie z.B. seinen Vater, der früher Chef des USAID, einer Tarnorganisation der CIA, war, und auf seinen Bruder, der ein ranghoher Senator in Colorado ist. Das verdeutlicht die „politisch inzestuöse Beziehung zwischen den Medien und dem politischen Establishment sowie dem Staatsapparat.“
Die Mischung aus Falschinformationen und Propaganda, die nicht nur die Leitartikel der Times beherrscht, sondern auch ihre Nachrichtenberichte, macht es unmöglich festzustellen, wo die Grenze zwischen der CIA und der Zeitung verläuft.
Im Logo der Times steht zwar „Alle Nachrichten, die druckreif sind“, die wirkliche Funktion der Zeitung ist es jedoch, zu entstellen, zu manipulieren und Nachrichten geheim zu halten, um die Ziele und Interessen des amerikanischen Staats zu unterstützen und die öffentliche Meinung auf Krieg vorzubereiten.