Von der Leyen verkündet Einsatz der Bundeswehr im Innern

Die Bundeswehr bereitet sich auf den Einsatz im Inneren vor. Das bestätigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Konkrete Übungen dafür sollen bereits in wenigen Wochen beginnen.

„Ja. Im Spätsommer werden wir mit der Innenministerkonferenz der Länder entscheiden, welche Einsatz-Szenarien wir üben müssen. Im Ernstfall müssen die Alarmketten stehen, die Zuständigkeiten klar sein und genug Personal zur Verfügung stehen“, erklärte von der Leyen. „Deshalb werden wir zunächst eine Stabsrahmenübung machen, die das Zusammenspiel zwischen dem Bund und den Polizeibehörden mehrerer Länder auf die Probe stellt.“ Drei Bundesländer hätten „schon Interesse angemeldet“.

Die Verteidigungsministerin ließ keinen Zweifel daran, dass die Bundeswehr „im Ernstfall“ nicht „nur logistische“, sondern „auch militärische Unterstützung“ leisten würde. „Im akuten Fall entscheidet die Polizei, was sie braucht, um mit einer Terrorlage fertig zu werden. Prinzipiell hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass im Extremfall auch Militär angefordert werden kann.“

Generalleutnant Martin Schelleis, der als Inspekteur der Streitkräftebasis für Einsätze der Armee im Inland verantwortlich ist, gab in einem weiteren Interview in der Süddeutschen Zeitung einen Überblick über die weitreichenden Maßnahmen, die hinter dem Rücken der Bevölkerung vorbereitet werden.

Auf Anforderung, so Schelleis, könne die Bundeswehr etwa „technische Fähigkeiten wie die mobile Luftraumüberwachung in niedrigen Höhen zum Identifizieren von schnell fliegenden Luftfahrzeugen“ bereitstellen, oder im Fall atomarer, biologischer oder chemischer Bedrohungen beraten, „gegebenenfalls sogar unter Einsatz mobiler Laborfähigkeiten“.

Außerdem könne die Armee die Polizei mit gepanzerten Fahrzeugen unterstützen. Gerade die Feldjäger nähmen in Auslandseinsätzen zum Teil Polizeiaufgaben wahr, „die sich nicht grundsätzlich von denen in Deutschland unterscheiden“, so Schelleis. „Unsere Soldaten haben zudem in diversen Auslandseinsätzen umfassende Erfahrungen wie Organisation von Checkpoints, Umgang mit Sprengstoffbedrohungen oder Objektschutz gesammelt. Sie bringen Kenntnisse und Fähigkeiten ein, die bei einer Terrorlage gebraucht werden könnten“, so der Generalleutnant.

Schelleis Aussagen verdeutlichen die weitreichenden Konsequenzen des geplanten Einsatzes der Bundeswehr im Innern. Notfalls soll die Bundeswehr auch an der Heimatfront die „Kenntnisse und Fähigkeiten“ einbringen, die sie in den Kriegseinsätzen im Kosovo, in Afghanistan oder in Mali „gesammelt“ hat: die Disziplinierung, Bekämpfung und gewaltsame Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung!

Der polizeilich-militärische Einsatz der Bundeswehr verstößt so offensichtlich gegen das Grundgesetz, das selbst Vertreter einer strikten Law-and-Order-Politik Kritik äußern. In einem Gastbeitrag im Handelsblatt warnte der Chef der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, die „Kriegsspiele auf dem Land“ setzten „das Wertvollste außer Kraft, was unsere Gesellschaftsordnung zu bieten hat, unser Grundgesetz. Die Frauen und Männer, die unsere Verfassung gemacht haben, wussten genau, warum sie enge Grenzen für den Streitkräfteeinsatz im Landesinnern setzen.“

Wendt, der selbst für eine massive Aufrüstung der Polizei plädiert, spricht es nicht direkt an. Aber das Verbot von Bundeswehreinsätzen im Innern sowie die Trennung von Polizei und Armee wurde aufgrund der Erfahrungen im Kaiserreich, der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Diktatur im Grundgesetz verankert. Das deutsche Militär und die paramilitärischen Kampfverbände der Nazis hatten zusammen mit den Geheimdiensten und der Polizei auch als brutale Herrschafts- und Unterdrückungsinstrumente im Innern gedient.

Diese verhängnisvolle Tradition soll nun wiederbelebt werden. Im neuen „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr”, der offiziellen sicherheitspolitischen Doktrin Deutschlands, heißt es im Abschnitt „Einsatz und Leistungen der Bundeswehr im Innern“, dass „die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung des Unglücksfalls unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können“.

Sowohl das Weißbuch und als auch deutsche Politiker rechtfertigen den Einsatz der Bundeswehr mit den jüngsten Terroranschlägen in Europa. Im Bild-Interview erklärte von der Leyen: „Paris hat uns allen die Augen geöffnet. Mir ist die Skepsis jetzt lieber als später der Vorwurf, wir seien nicht vorbereitet gewesen.“

In Wirklichkeit sind Maßnahmen wie die Verhängung des Ausnahmezustands in Frankreich oder der Einsatz der Armee in Innern keine Mittel, um etwaige zukünftige Terroranschläge zu verhindern. Die Partei für Soziale Gleichheit warnte bereits in einem Statement zum massiven Polizeiaufmarsch in München:

„Die Lage ist dadurch nicht sicherer geworden, im Gegenteil. Vor allem die Kriege, die die USA unter dem Vorwand des ‚Kampfs gegen den Terror‘ führen und an denen sich zunehmend auch Deutschland beteiligt, haben Länder wie Irak, Libyen und Syrien in Brutstätten von Terrornetzwerken verwandelt, in denen es bisher überhaupt keinen islamistischen Terror gab. Zudem gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen westlichen Geheimdiensten und islamistischen Terroristen, die von Verbündeten der Westmächte, wie Saudi-Arabien, Katar und der Türkei, unterstützt und finanziert werden.“

Und weiter: „Wirkliches Ziel der Staatsaufrüstung, die im Namen des ‚Kampfs gegen den Terror‘ betrieben wird, ist die Arbeiterklasse und jegliche soziale und politische Opposition. Unter Umständen, unter denen sich die sozialen Gegensätze verschärfen, die Europäische Union auseinanderbricht und sich die nächste Finanzkrise ankündigt, bereiten sich die herrschenden Eliten auf heftige Klassenkämpfe vor. Der wachsende Militarismus nach außen geht mit der Militarisierung der Innenpolitik einher.“

Das Weißbuch plädiert für eine von Berlin dominierte europäische Außen- und Verteidigungspolitik, um die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands weltweit zu verteidigen. Dazu soll der Militärhaushalt von gegenwärtig rund 39 Milliarden Euro nahezu verdoppelt werden. Im Abschnitt „Nato und Europäische Union“ heißt es: „Die Bundesregierung macht es sich zur Aufgabe und wird sich dafür einsetzen, langfristig und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen die Annäherung an das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben sowie gleichzeitig eine Rüstungsinvestitionsquote von 20 Prozent im Verteidigungsbereich anzustreben.“

Die deutschen Eliten wissen, dass sie ähnlich wie in den 1930er Jahren eine Diktatur errichten müssen, um ihre massiven Aufrüstungs- und Kriegspläne gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen. Das ist der wirkliche Grund für die Übungen zwischen Polizei und Bundeswehr und den Einsatz der Armee im Inneren.

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