Hillary Clinton und Barack Obama hielten auf dem Parteitag der Demokraten letzte Woche langatmige Reden voller Plattitüden. Eine bestimmte Nachricht jedoch hielten sie vor der amerikanischen Bevölkerung geheim: Noch während Obama sprach, hatte er schon das amerikanische Militär angewiesen, einen weiteren verhängnisvollen Bombenangriff zu führen.
Der US-Imperialismus führte am Montag Luftschläge gegen die libysche Küstenstadt Sirte. Damit eskalierte er erneut seine militärische Intervention in einer Weltregion, die schon so viele US-Invasionen erlebt hat. Bei den Bombenangriffen, gezielten Mordanschlägen und Regimewechseloperationen der letzten 25 Jahre sind Millionen Menschen getötet und verstümmelt worden.
Die Obama-Regierung hat die Angriffe in Libyen ohne Ermächtigung durch den Kongress befohlen und hat sich nicht die Mühe gemacht, der amerikanischen Bevölkerung den Sinn dieses jüngsten Kriegsaktes zu erklären.
Ein Pentagon-Sprecher war auf die Frage nach der Legalität der Bombenangriffe kurz angebunden. Er berief sich lediglich auf die Kriegsermächtigungsresolution von 2001, die die Anwendung militärischer Gewalt gegen Planer und Ausführer der Terrorangriffe vom 11. September 2001 ermächtigte. Das war vor fünfzehn Jahren. Es ist offensichtlich absurd, damit US-Bombenangriffe auf die heutige Bevölkerung Libyens zu rechtfertigen.
Offenbar sollen die Angriffe einer Milizgruppe helfen, die der „Regierung der nationalen Einheit“ untersteht, einer Marionettenregierung der Westmächte. Die Milizen kämpfen gegen den Islamischen Staat (IS), der in Sirte seit Februar letzten Jahres die Kontrolle ausübt.
In Wirklichkeit ist die verzweifelte Lage in Sirte und in ganz Libyen das direkte Ergebnis des Kriegs der USA und der Nato von 2011. Dieser Krieg für einen Regimewechsel führte zum Sturz der libyschen Regierung und dem Lynchmord an ihrem Führer, Muammar Gaddafi.
Washington und seine Verbündeten stützten sich dabei auf islamistische Milizen, die mit al-Quaida verbündet waren. Im Anschluss wurden sie mit riesigen Waffenvorräten nach Syrien geschleust, wo sie eine noch blutigere Regimewechseloperation gegen die dortige Regierung ausführen sollten, die bis heute andauert. Die Eroberer und heutigen Besatzer von Sirte, der Heimatstadt Gaddafis, die im Krieg am stärksten zerstört wurde, sind dieselben ehemaligen US-Stellvertretertruppen, die von den Schlachtfeldern in Syrien heimgekehrt sind.
Die Intervention der USA und der Nato haben die Wirtschaft und Gesellschaft Libyens vollkommen zerstört. Diese Krise des Landes wird natürlich nicht dadurch gelöst, dass noch mehr amerikanische Bomben auf Libyen geworfen werden. Aber das ist auch gar nicht beabsichtigt.
Der neue Ausbruch von amerikanischem Militarismus soll einmal mehr den Hegemonialanspruch der USA in der Region bekräftigen. Er ist auch ein starker Fingerzeig für die Gegner der US-Regierung, denn der Regimewechsel-Krieg in Syrien, den die CIA vorantreibt, hat bisher nur zu Chaos und Zerstörung geführt. Gleichzeitig hat der misslungene Putsch in der Türkei die Spannungen zwischen den USA und Russland auf den Siedepunkt gebracht.
Die World Socialist Web Site warnt seit geraumer Zeit vor einem neuen Ausbruch des US-Militarismus. Er ist schon kurz nach der US-Präsidentschaftswahl zu erwarten, ganz unabhängig davon, wer die Wahl gewinnt. Es ist nicht das erste Mal, dass das herrschende amerikanische Establishment neue Militärinterventionen bis nach Wahlen zurückhält, um zu verhindern, dass die Kriegsfrage zum Wahlkampfthema wird.
Die Bombardierung Libyens zu einem so frühen Zeitpunkt macht allerdings klar, dass die Krise des US-Imperialismus so scharf ist, dass sie nicht einmal bis nach der Wahl warten kann.
Eins ist sicher: Der Angriff auf Libyen wurde nicht erst gestern geplant. Neben Obama und Clinton sprachen auf dem Demokraten-Parteitag in Philadelphia noch andere hochrangige Vertreter, wie zum Beispiel Vizepräsident Joe Biden. Sie alle wussten genau, dass eine neue militärische Intervention bevorstand.
Die über Libyen abgeworfenen Bomben machen deutlich, was die pausenlose Glorifizierung des Militärs und die faschistoiden „USA, USA“-Rufe auf dem Parteitag zu bedeuten hatten, und warum sie die wenigen leisen Antikriegs-Proteste so radikal zum Schweigen brachten.
Neue und weit gefährlichere Kriege sind in Vorbereitung und sie werden nicht auf die lange Bank geschoben.
Am Schluss des Parteitags gab Jeremy Bash der Tageszeitung Daily Telegraph ein Interview. Bash ist ein wichtiger außenpolitischer Berater Clintons sowie ehemaliger Stabschef im Pentagon und bei der CIA. Er sagte der britischen Zeitung: „Eine Überprüfung der Syrienpolitik wird eins der ersten Themen des Nationalen Sicherheitsteams sein.“ Er nannte die syrische Regierung von Bashar Al-Assad ein „mörderisches Regime“ und versprach, die neue US-Regierung werde ihn rasch vertreiben. Dem Zeitungsbericht zufolge skizzierte Bash „eine Außenpolitik, die aggressiver sein wird als die der jetzigen Regierung.“
Schon die gegenwärtige Regierung führt tägliche Bombenangriffe in Syrien durch, denen hunderte Zivilisten zum Opfer fallen. Hunderte Special Forces sind schon vor Ort am Boden und unterstützen amerikanische Stellvertretertruppen. Das alles hat sich als unzureichend erwiesen, die sogenannten „Rebellen“ zu stabilisieren, die sich aus der al-Nusra Front und anderen islamistischen Milizen zusammensetzen. Gleichzeitig konnte die Offensive der von Russland unterstützten syrischen Regierungstruppen bisher nicht gestoppt werden.
In dieser Lage kann eine „noch aggressivere Politik“ nur eins bedeuten: eine direkte militärische Intervention gegen das Assad-Regime und eine Konfrontation mit russischen und iranischen Truppen, die sie unterstützen.
Wieder wird die Bedeutung der Sprechblasen auf dem Parteitag klar. Die Hetzreden gegen Russland zielten darauf ab, die öffentliche Meinung auf eine militärische Konfrontation zwischen den beiden größten Atommächten der Welt vorzubereiten. Die Behauptung, Putin stehe hinter der Veröffentlichung der kompromittierenden DNC-Emails durch WikiLeaks, ist völlig unbewiesen. Diese Emails belegen die peinliche einseitige Einflussnahme des Democratic National Committees gegen Sanders und für Clinton im Vorwahlkampf.
Es ist durchaus nicht sicher, dass eine solche Konfrontation noch bis zur Amtseinführung der neuen Regierung zurückgehalten werden kann, oder auch nur bis zur Wahl im November. Der bevorstehende Zusammenbruch der Hochburg der Rebellen in Aleppo und die Schritte zu einer Annäherung zwischen der Türkei und Russland treiben die US-Regierung zu neuen militärischen Maßnahmen. Sie wird mit ihrer militärischen Eskalation vielleicht nicht einmal bis nach der Wahl warten können. Der Demokratische Parteitag hat diese Eskalation vorbereitet.
Die Weltlage steht auf des Messers Schneide. Ohne die Intervention der Arbeiterklasse droht nicht nur ein dritter Weltkrieg, sondern ist er auch unvermeidlich.
Im Februar 2016 hat das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) seine Erklärung mit dem Titel „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ veröffentlicht. Damit macht das IKVI deutlich, dass die Arbeiterklasse eine neue internationale Anti-Kriegsbewegung aufbauen muss, die sich auf ein sozialistisches und internationalistisches Programm stützt. Es heißt dort: „Dem ständigen Krieg der Bourgeoisie muss die Arbeiterklasse mit der Perspektive der permanenten Revolution begegnen, die als strategisches Ziel die Abschaffung des Nationalstaatensystems und die Errichtung einer sozialistischen Weltföderation anstrebt.“