Vergangenen Freitag titelte ein Leitartikel in der New York Times: „Russische Agenten sollen Computer der Clinton-Kampagne ausspioniert haben“. Unterstellt wird, dass im Auftrag der russischen Regierung Computer gehackt wurden, die für die Wahlkampagne Clintons genutzt wurden.
Der agitatorische Artikel ist der letzte einer ganzen Reihe, die in den letzten Tagen in der Times und anderen Zeitungen erschienen sind. Ihr gemeinsamer Tenor ist, dass der russische Präsident Wladimir Putin versucht, die Wahlen im November 2016 zu beeinflussen.
Wie die vorangegangenen Artikel enthielt auch der vom Freitag keine Fakten, die die gefährlichen Anschuldigungen der Titelzeile belegen.
Erst am Ende des Artikels erfährt der Leser, dass sich alle aufgestellten Behauptungen auf Aussagen eines Informanten stützen, der anonym bleiben will. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese sogenannte Quelle die Times tatsächlich mit Informationen versorgt hat, die ihre Behauptungen untermauern. Niemand kennt diese Person, falls sie denn existiert. Vielleicht hat die Times diese Behauptungen einfach frei erfunden.
Zu Beginn der Woche hatte die Times behauptet, der amerikanische Geheimdienst sei „sehr sicher“, dass „die russische Regierung hinter dem Diebstahl von E-Mails und Dokumenten des Democratic National Committee steckt.“ Auch diese Aussagen stützten sich auf unbekannte anonyme Quellen. Die E-Mails des DNC wurden von WikiLeaks veröffentlicht.
Diese Kampagne hat die typischen Kennzeichen eines Amalgams: Eine Reihe von unzusammenhängenden Behauptungen über nicht bestätigte Vorgänge werden mit dem Ziel kolportiert, eine oder mehrere Zielpersonen zu verleumden.
Mit der aktuellen Kampagne gegen die Veröffentlichung von Dokumenten durch WikiLeaks, die massiven Wahlbetrug durch den DNC belegen, soll die Kandidatur von Donald Trump von rechts angegriffen werden. Zu diesem Zweck nennt ihn der Times-Kolumnist Paul Krugman den „sibirischen Kandidaten“, der im Dienst von Putin steht.
Dass die Times antirussische Stimmungen schürt, um die Ergebnisse einer Wahl in Frage zu stellen, ist schlimm genug. Doch sie verfolgt damit noch üblere Absichten. Die Times und der Teil der herrschenden Klasse, für die sie spricht, versuchen, die aufgeheizte Atmosphäre des Wahlkampfes auszunutzen, um in der Bevölkerung Feindseligkeit gegen Russland anzustacheln. Damit soll eine größere Zustimmung der Bürger für ein viel stärkeres militärisches Engagement der USA im Nahen Osten erreicht werden.
Die ständige Propaganda gegen Putin schließt sich an eine Reihe von Entwicklungen an, die die amerikanisch-russischen Spannungen verschärft haben. Der Putschversuch des Militärs in der Türkei im Juli, der eindeutig die Unterstützung der USA hatte, wurde vereitelt, weil der russische Geheimdienst Erdogan in letzter Minute warnte.
In den Wochen vor dem Putsch hatte Erdogan eine Annäherung an das Putin-Regime vollzogen. Am 27. Juni entschuldigte er sich für den Abschuss eines russischen Su-24-Bombers im November und nannte Russland „einen Freund und strategischen Partner.“
Mit der Öffnung gegenüber Russland stellte die Türkei ihre Unterstützung für die „Rebellen“ ein, die gegen das syrische Regime kämpfen. Viele der Rebellengruppen sind mit dem Islamischen Staat verbunden.
Zwei Tage, nachdem sich die Türkei bei Russland entschuldigt hatte, beklagte CIA-Direktor John Brennan gegenüber Yahoo News: „Die Türkei hat einige Transitrouten für ausländische Kämpfer in die Türkei und aus der Türkei blockiert.“
Die Schließung der Türkei als Einfallstor für islamistische Kämpfer nach Syrien und die militärischen Operationen Russlands gegen Kräfte des IS und von den USA unterstützter Rebellen hat für die islamistischen Stellvertretertruppen der CIA in Syrien zu einer Reihe von Rückschlägen geführt. Aleppo, die zweitgrößte Stadt Syriens, steht kurz vor der Einnahme durch die syrische Regierung.
2013 entschied sich die Obama-Regierung angesichts von Spannungen innerhalb der herrschenden Klasse und überwältigender Opposition in der Bevölkerung gegen einen weiteren Krieg und gegen ein direktes Eingreifen in Syrien.
Jetzt steht der von der CIA gesponserte Aufstand vor der endgültigen Niederlage, wenn die USA ihr militärisches Engagement nicht schnell und massiv ausdehnen. Es wäre ein bedeutender politischer Rückschlag für das Bestreben der USA, ihre Vorherrschaft über den Nahen Osten zu sichern.
„Die Eroberung Ostaleppos durch die Regierungstruppen wäre ein deutlicher Wendepunkt im Krieg und würde Russlands Position als wichtigste ausländische Macht in dem Konflikt festigen“, schrieb die Times letzte Woche.
Auffällig ist, dass die US-Medien in den letzten Tagen für den bevorstehenden Fall von Aleppo eine humanitäre Katastrophe ankündigen. Über die jüngsten amerikanischen Bombardements syrischer Städte, die Hunderte von Opfern unter Zivilisten forderten, verlieren sie dagegen kein Wort.
Die amerikanische Politik kennt den Begriff „Oktober-Überraschung“: Eine außenpolitische Krise wird bewusst herbeigeführt, um die Bevölkerung um die Nation zu scharen, in der Öffentlichkeit Unterstützung für eine militärische Intervention zu propagieren und den Sieg des Kandidaten sicherzustellen, den die regierende Partei unterstützt.
Die aktuellen Ereignisse könnten zu einer Oktober-Überraschung führen, die vielleicht auch im September oder sogar im August eintritt.
Die Kriegsfrage wird im Wahlkampf 2016 bewusst nicht thematisiert und fand auf den Parteitagen von Demokraten und Republikanern kaum Erwähnung. Doch die sich steigernden und zunehmend bösartigen Anschuldigungen gegen Russland verdeutlichen, dass eine Ausdehnung des direkten militärischen Engagements in Syrien vorbereitet wird. Es könnte in einen Krieg mit der Nuklearmacht Russland münden.