Das ARD-Magazin Monitor berichtete am 14. Juli über neue Zahlen zu den Einkommen von Top-Verdienern in Deutschland. Es bezog sich dabei auf Daten von Spitzenverdienern bei mehr als 1.300 Unternehmen, die von der Unternehmensberatung Kienbaum erhoben wurden.
Nach dieser Studie stiegen die Einkommen von Geschäftsführern von Unternehmen von 1997 bis 2014 um durchschnittlich 42 Prozent, die Einkommen von Unternehmensvorständen um 59 Prozent und die Einkommen von Vorstandsmitgliedern in DAX-Unternehmen um 186 Prozent. Die Einkommen von Durchschnittsverdienern stiegen im gleichen Zeitraum nur um 15 Prozent.
Die Kienbaum-Studie beziffert das durchschnittliche Brutto-Einkommen von Unternehmensvorständen im Jahr 2013 auf etwa 500.000 Euro. Das ist mehr als das Doppelte dessen, was das sozioökonomische Panel SOEP für dieses Jahr erhoben hat. Das SOEP geht davon aus, dass das oberste Prozent der Topverdiener 2013 durchschnittlich nur etwa 200.000 Euro brutto verdient hat.
Die Zahlen des SOEP gehen in viele andere Untersuchungen über Armut und Reichtum in Deutschland ein. Sie bilden auch eine wichtige Grundlage für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und stellen die Kluft zwischen Arm und Reich nur höchst ungenau dar.
Es war bisher schon bekannt, dass die Zahlen über das Einkommen von Topverdienern nur unzureichend erfasst wurden. Zum großen Teil bestanden sie aus Schätzungen, wie sie durch Umfragen und Hochrechnungen des SOEP erfasst wurden. Neu ist das Ausmaß des Auseinanderklaffens zwischen hohen und durchschnittlichen Einkommen.
Monitor schreibt in einer Pressemitteilung, die neuen Daten über die reichsten Deutschen zeigten: „Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland deutlich weiter auseinander, als es die offiziellen Statistiken bisher ausweisen.“
Der Monitor-Beitrag selbst weist anfangs darauf hin, dass es zwar eine Menge Daten über den ärmeren Teil der Bevölkerung gebe. „Die Reichen dagegen sind – statistisch gesehen – ziemlich unbekannte Wesen.“ Über das, was Topverdiener tatsächlich verdienen und was sie an Steuern bezahlen, gibt es selbst in den offiziellen Statistiken oft nur vage Vermutungen.
Ein Reichtumsforscher, Professor Wolfgang Lauterbach, der in dem Monitor-Beitrag zu Wort kommt, sagt über das oberste Prozent der Einkommensbezieher: „Dieses eine Prozent ist eigentlich eine Gruppe, über die wir im Nebel blind herumstochern.... Wer sind die denn? Was wissen wir überhaupt über die Höhe der Steuern jener Personen? Was wissen wir damit über deren Vermögen? Und wir wissen darüber, ehrlich gesagt, nichts. Das ist ein bisschen wie eine Blackbox.“
Der Beitrag zeigt anhand von zwei Beispielen, wie sich die Einkommen auseinanderentwickeln. Ein Ladenbesitzer muss mit 30.000 Euro brutto Jahreseinkommen über die Runden kommen; seine Arbeit hat in den letzten Jahren zugenommen, sein Einkommen dagegen nicht. Der Geschäftsführer einer Firma gehört mit 150.000 Euro Jahreseinkommen statistisch bereits zum obersten Einkommensprozent in Deutschland.
Nach den einschlägigen Statistiken, heißt es in dem Beitrag, „sind die Durchschnittseinkommen seit Ende der 1990er Jahre deutlich langsamer gestiegen als die Einkommen im obersten Prozent. Im Mittelwert gerade einmal um 8,4 Prozent, bei den hohen Einkommen dagegen um 31,5 Prozent. Die Ungleichheit ist also gewachsen.“
Man muss aber sagen, dass die angeführten Beispiele, ein Ladenbesitzer mit 30.000 Euro und ein Geschäftsführer mit 150.000 Euro Jahreseinkommen, nur einen kleinen Ausschnitt der Einkommensungleichheit darstellen. Viele Unternehmensvorstände, insbesondere in den DAX-Unternehmen, erhalten Jahreseinkommen von mehreren Millionen Euro und verdienen damit ein Zigfaches der angeführten Beispiele.
So ermöglicht es der vor kurzem veröffentlichte World Wealth Report 2016 der Unternehmensberatung Capgemini über das Anwachsen der Millionäre weltweit schon eher, sich ein Bild von der enormen Konzentration von Reichtum an der Spitze der Gesellschaft zu machen. Weltweit ist die Zahl der Millionäre (berechnet in US-Dollar) im letzten Jahr auf 15,4 Millionen gestiegen, in Deutschland auf fast 1,2 Millionen. Allein im letzten Jahr sind in Deutschland 58.000 Millionäre dazu gekommen. (Siehe auch: „Zahl der Millionäre in Deutschland steigt“)
Bereits seit längerer Zeit findet eine starke Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben statt. Dies wurde durch den Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 noch extrem verstärkt. Laut dem World Wealth Report 2016 hat sich das Vermögen der Superreichen dieser Welt in den letzten zwanzig Jahren trotz der Finanzkrise vervierfacht.
In Deutschland hat sich besonders seit der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer 1998-2005 und den Folgeregierungen die Sparpolitik zu Lasten der arbeitenden und armen Bevölkerung enorm verschärft. Die Vermögenssteuer wurde bereits 1997 abgeschafft, dann folgte die Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent und weitere Vergünstigungen für Vermögende und Topverdiener.
Mit den Hartz IV-Gesetzen wurde ein riesiger Niedriglohnsektor geschaffen und die Bedingungen für Unterstützungsleistungen im Fall von Arbeitslosigkeit und anderen Notsituation verschärft und stark eingeschränkt. Millionen von Menschen, die gezwungen sind, in diesem Niedriglohnbereich zu arbeiten, kommen trotz Arbeit nicht über die Runden und müssen zusätzlich mit Hartz IV aufstocken, eine zeitaufwändige und nervenaufreibende Angelegenheit.
Während also an der Spitze der Gesellschaft sich der Reichtum konzentriert, nehmen Armut und soziale Not in weiten Teilen der Bevölkerung zu. Nach dem jüngsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung besitzen die obersten zehn Prozent mehr als die Hälfte (51,9 Prozent) des Reichtums. Die ärmere Hälfte besitzt gerade einmal ein Prozent. Und selbst diese Zahlen werden sich in den letzten Monaten und aufgrund der neuen Zahlen zur Einkommensentwicklung der Vermögenden noch weiter auseinander entwickelt haben.
Die Armut in einem reichen Land wie Deutschland hat bereits jetzt ein verheerendes Ausmaß angenommen. 15,4 Prozent der Bevölkerung oder jeder sechste galt bereit 2014 als arm, wie dem Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands zu entnehmen ist. Jedes siebte Kind unter fünfzehn Jahren gilt als arm und ist von Hartz IV abhängig, wie eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2015 zeigt. In Städten wie Bremen und Berlin und vielen Ruhrgebietsstädten wächst fast jedes dritte Kind in Armut auf.