Am Sonntag kommt in der Schweiz die eidgenössische Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ zur Abstimmung.
Die Initiative verlangt die Aufnahme eines neuen Artikels in die Bundesverfassung, der die Regierung zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) verpflichtet, das „der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglicht“. Die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens werden in der Initiative aber nicht definiert, dies soll bei einer Annahme durch ein neues Gesetz präzisiert werden.
Urheber der Initiative ist Daniel Häni, ein Schweizer Unternehmer und Inhaber eines riesigen Kaffeehauses in einem ehemaligen Gebäude der Schweizerischen Volksbank in Basel. Mit ihm zusammen haben Publizisten, Künstler und parteiunabhängige Bürgerinitiativen die Kampagne geführt. Schon das Referendum „gegen die Abzockerei“ war vor drei Jahren auf die Initiative eines Unternehmers zurückgegangen. Damals wurde die von Thomas Minder lancierte Volksinitiative zur Eindämmung der Spitzengehälter mit mehr als zwei Drittel Zustimmung angenommen.
Auch diese Initiative könnte entgegen der Prognosen beträchtlichen Zuspruch erhalten. Schon die hunderttausend nötigen Unterschriften kamen rasch und problemlos zusammen, und das Geld für den Abstimmungskampf wurde über Crowd-Funding gesammelt.
Von Seiten der offiziellen Politik wird das Projekt dagegen entschieden bekämpft. Der Bundesrat empfiehlt in seiner Botschaft, die Initiative abzulehnen, und der Nationalrat hat in der Schlussabstimmung mit 157 Nein- gegen neunzehn Ja-Stimmen die Initiative klar verworfen. Alle Parteipräsidien, auch die der Sozialdemokraten und der Grünen, lehnen sie ab. Im Ständerat, der parlamentarischen Kantonsvertretung, hat von 44 anwesenden Mitgliedern nur ein einziges dafür gestimmt.
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens kam im Parlament nicht zum ersten Mal zu Abstimmung, und jedes Mal lehnten sämtliche Parteien das Anliegen ab. Das Hauptargument lautet immer, dass es nicht finanzierbar sei. Die SVP argumentiert auf ihrer Website strikt dagegen, weil „das Geld nicht vom Himmel“ falle und ein bedingungsloses Grundeinkommen „eine ruinöse Utopie“ wäre. Hinzu kommt oft der Vorwurf, bei einem bedingungslosen Grundeinkommen würde niemand mehr arbeiten.
Dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht finanzierbar sei, ist eine komplette Lüge. Jeder weiß, dass genug Geld da ist. Schon ein Bruchteil des Vermögens der Millionäre und Milliardäre würde reichen, um allen Menschen ein annehmbares Leben zu finanzieren. Allein für die Rüstung hat die Schweiz im Jahr 2013 über viereinhalb Milliarden Franken ausgegeben.
Um den Finanzplatz Schweiz zu retten, hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre Währungsreserven seit der Finanzkrise von 2008 von 47 Milliarden Schweizer Franken auf über 593 Milliarden Franken aufgestockt. Allein diese zusätzliche Summe von über 500 Milliarden Devisenanlagen hätte gereicht, um von 2009 bis heute jedem der acht Millionen Einwohner monatlich 744 Franken auszuzahlen.
Auch in der Schweiz steigen die Arbeitslosenzahlen und werden Löhne gekürzt, gerade auch von Großkonzernen, die Milliardengewinne scheffeln. Der Bundesrat, die Regierung, in der auch zwei Sozialdemokraten sitzen, fördert traditionell den freien Markt. Der Vormarsch temporärer Arbeitsverträge und prekärer Arbeitsverhältnisse wird in der Schweiz durch keinerlei Kündigungsschutz beeinträchtigt. Die Zahl derjenigen wächst, die trotz Vollzeitjob mit ihren Familien nicht mehr über die Runden kommen und auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Die Studien, die die bürgerlichen Parteien vorgelegt haben, um zu beweisen, dass ein Grundeinkommen zu teuer wäre, dienen gleichzeitig dazu, die Finanzierbarkeit der bestehenden Sozialsysteme in Frage zu stellen. Seit Jahren werden das Gesundheitssystem, die Rentenkassen, die Arbeitslosenversicherungen und die Sozialhilfe durch Kürzungen und Sparmaßnahmen unterhöhlt.
An diesem Punkt zeigt sich das große Problem der Initiative für ein Grundeinkommen in ihrer jetzigen Form. Obwohl ihre Finanzierung im Initiativtext nicht definiert wird, schlagen die Initiatoren vor, dies über die Kürzung der heutigen Löhne und Sozialleistungen zu tun.
Wer heute ein Lohneinkommen hat, das höher als das provisorisch angenommene monatliche Grundeinkommen von 2500 Schweizer Franken liegt, würde in Zukunft gleich viel wie bisher bekommen. Wer weniger verdient, dessen Einkommen würde dementsprechend aufgestockt. Das bedingungslose Einkommen würde auch bisherige Sozialleistungen ersetzen. Statt das Grundeinkommen durch eine höhere Besteuerung des Kapitals, der Reichen und der Unternehmer zu finanzieren, würden also die vollen Kosten auf die Arbeiter abgewälzt werden, genau wie dies auch heute schon bei der staatlichen Rente der Fall ist.
Obwohl die Unternehmenssteuern in der Schweiz im internationalen Vergleich konkurrenzlos niedrig sind, sollen sie in Wirklichkeit noch weiter abgesenkt werden. In den vergangenen Wochen wurde im Nationalrat erneut über eine Reform der Unternehmenssteuer debattiert, die das Großkapital und die Gewinne der Großunternehmen weiter begünstigen würde. Statt die Steuerschlupflöcher zu beseitigen, treiben die Politiker den weltweiten Wettbewerb unter den Ländern um paradiesische Steuerbedingungen für die Reichen weiter voran.
Unter kapitalistischen Verhältnissen besteht die Gefahr, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen, wenn es denn eingeführt würde, für die Arbeiterklasse keine Verbesserung brächte, sondern im Gegenteil dazu dienen könnte, ihre Lage weiter zu verschlechtern.
Die Initiatoren wollen den Unternehmern nicht wehtun und die Verhältnisse nicht ändern. Solange aber weder das Großkapital, noch Unternehmer und Reiche zur Finanzierung herangezogen werden, trägt die Arbeiterklasse die ganze Last. Schlimmer noch: in Zeiten akuter Krisen könnte das einheitliche Grundeinkommen von einem kapitalistischen Staat diktatorisch festgelegt und beliebig abgesenkt werden.
Auch faschistische Demagogen haben sich in letzter Zeit für das bedingungslose Grundeinkommen ausgesprochen. So hat der rechtsextreme Publizist und erklärte Anhänger von Marschall Pétain, Adrien Abauzit, sich zum „Revenu de solidarité active“, der französischen Form des Grundeinkommens, bekennt – allerdings strikt nur für Franzosen!
Die Forderung nach einem Grundeinkommen kann nur als Teil des internationalen Kampfs der Arbeiterklasse für soziale Gleichheit verwirklicht werden. Die große und wachsende soziale Polarisierung kann nicht überwunden werden, ohne dass die Arbeiter selbst die politische Macht übernehmen. Nur so können sie die Diktatur des Finanzkapitals brechen, die Banken und Konzerne unter die eigene Kontrolle stellen und die Grundversorgung der ganzen Bevölkerung sichern.