Die Solidarität breiter Bevölkerungsschichten mit den Flüchtlingen in Berlin ist nach wie vor enorm. Die Politik des Berliner Senats aus SPD und CDU ist dieser Stimmung diametral entgegengesetzt. Flüchtlinge werden in menschenunwürdige Lager gepfercht, schikaniert und schließlich brutal abgeschoben.
Gerade letzteres soll nun massiv ausgeweitet werden. Anfang April begrüßte Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) die Forderung des Kanzleramtsministers Peter Altmeier (CDU), die erzwungene Deportation von Flüchtlingen und die Zahl der „freiwilligen Rückkehrer“ zu verdoppeln.
Henkel hält diese Forderung für „absolut realistisch“ und betonte: „Berlin arbeitet sehr konsequent daran, die Abschiebezahlen zu erhöhen.“ Er identifizierte sich vollständig mit der Forderung aus dem Kanzleramt: „Das deckt sich mit unserem Anspruch, und das ist angesichts der Lage auch geboten.“
Der Innensenator, der im April zum Spitzenkandidaten der Berliner CDU für die Abgeordnetenhauswahlen im September gewählt wurde, tritt schon seit Monaten aggressiv gegen Flüchtlinge auf. Immer wieder betonte er, dass Berlin die Flüchtlingszahlen „deutlich senken“ müsse.
Schon im Oktober letzten Jahres kündigte Henkel an, „bei der Zahl der Abschiebungen weiter zuzulegen“ und brüstete sich, dass das Land Berlin im Bundesvergleich im vorderen Bereich läge. Zwar würde die Landesregierung vermehrt Anreize für die „freiwillige Rückkehr“ schaffen, doch: „Wenn das nicht freiwillig erfolgt, dann muss am Ende die Abschiebung stehen“, so Henkel gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Im ersten Quartal 2016 sind offiziellen Angaben zufolge bereits 521 Menschen abgeschoben worden. Setzt sich der Trend fort, wären das mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr, in dem 806 Abschiebungen erfolgten. 2014 waren es 602.
Henkel nutzt seine Angriffe auf die Schwächsten der Schwachen, um in Berlin ein regelrechtes Polizeiregime zu errichten, das sich im Kern gegen alle Arbeiter richtet. Er lässt die oftmals traumatisierten und seit vielen Jahren hier lebenden Familien rücksichtslos deportieren.
Ohne Vorankündigung stehen die Polizisten mitten in der Nacht oder im frühesten Morgengrauen im Zimmer der verzweifelten Menschen, denen meist nur noch kurze Zeit bleibt, ihre Kinder aus dem Bett zu holen und die wenigen Habseligkeiten zu packen, die sie besitzen.
Auf diese Weise soll verhindert werden, dass sich Flüchtlinge der Abschiebung entziehen. Außerdem können sie so weder Rechtsschutz und Unterstützung bekommen noch einen Antrag bei der Härtefallkommission auf Überprüfung der Ausweisung beantragen.
Das Vorgehen des Berliner Senats führt immer wieder zu Protesten in der Bevölkerung. Schulklassen, Lehrer, Nachbarschafts- und Unterstützungsorganisationen versuchen, für die aus ihrer Mitte gerissen Mitschüler und Familien eine Duldung oder erneute Duldung zu erwirken.
Um Aufsehen zu vermeiden und die Deportationen möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen, verfolgt die Polizei eine „Sensibilisierungsstrategie“. Demnach sollen nächtliche Abschiebungen nach Möglichkeit vermieden werden, um die Nachtruhe nicht zu stören. Außerdem sollen Kinder möglichst nicht aus der Schule geholt werden. Doch in der Praxis ist dies oft Makulatur.
Aktuell sind über 10.000 Menschen von Abschiebung bedroht – überwiegend aus den Balkangebieten, deren Asylgesuch in den vergangenen anderthalb Jahren abgelehnt wurde. Mit dem in Rekordzeit verabschiedeten Asylpaket II und der Verschärfung des Ausweisungsrechts leben sie nun in der ständigen Angst, dass Polizeibeamte an ihre Tür pochen.
Ein aktuelles Beispiel ist die Abschiebung des gerade achtzehnjährigen Gambianers Surakata C., der mit 16 Jahren unbegleitet in Berlin ankam und in einer sozialpädagogisch betreuten Jugendwohngruppe untergebracht war. Er wurde am 16. März mitten in der Nacht ohne Vorwarnung aus der Wohngruppe des Internationalen Jugendwohnens des Trägers „WeGe ins Leben e. V.“ in Berlin-Mariendorf herausgerissen und direkt nach Gambia abgeschoben. Seine Mitbewohner berichteten laut Flüchtlingsrat Berlin, dass die Polizisten plötzlich in der Wohnung gestanden und Surakata abgeführt hätten. Surakata besaß eine Duldung, war nie polizeilich auffällig geworden und besuchte Deutschkurse und ein Qualifizierungsprojekt.
Mitte Januar 2016 hatte die Berliner Polizeibehörde die achtjährige herzkranke Denica und ihren Vater in die Heimat Bosnien abgeschoben. Für die Achtjährige ist der Vater jedoch wie ein Fremder, da er in Bosnien aufgrund rassistischer Verfolgung mehrere Jahre im Gefängnis verbrachte. Die verzweifelte Mutter mit dem ebenfalls herzkranken Bruder, der aufgrund der Schwere seiner Erkrankung ein vorübergehendes Bleiberecht erhielt, hatten sich daraufhin entschieden, „freiwillig“ nach Bosniens zurückzureisen. Eine ordentliche ärztliche Versorgung der Kinder und eine angemessene Betreuung des in dem bosnischen Gefängnis gefolterten Vaters sind vollkommen ungewiss.
Ende März veröffentlichte die B.Z. den Fall der alleinerziehenden Mutter Ariane Demiri mit ihren drei Kindern (16, 14 und 6 Jahre alt) aus Albanien. Im Herbst 2015 hatte sie den Ablehnungsbescheid ihres Asylantrags und die Aufforderung erhalten, bis zum 7. April „freiweillig“ auszureisen. Frau Demiri war im Sommer 2015 nach Deutschland gekommen, weil es für ihre Kinder „in Albanien … keine Hoffnung auf gute Ausbildung (gibt) – in Deutschland schon.“
Die Mitschüler des mittleren Sohnes Glendis (14) von der Lichtenberger Manfred-von-Ardenne-Schule haben zusammen mit ihrer Lehrerin den Kampf gegen die drohende Abschiebung der Familie aufgenommen. Doch Albanien wurde, im Zuge des Asylpakets II, zusammen mit Montenegro und Kosovo, von der deutschen Bundesregierung als sicheres Drittland eingestuft. Die Gefahr, dass die Familie „in aller Stille“ gewaltsam abgeschoben wird, ist groß.
„Glendis hat sehr schnell Deutsch gelernt“, sagt seine Lehrerin. „Er ist in der Klasse beliebt und war sofort integriert.“ Eine von ihr über das Internet veröffentlichte Petition an die Ausländerbehörde Berlins erhielt innerhalb kurzer Zeit 48.919 Unterstützungsunterschriften.
Verschiedene Hilfsorganisationen warnen, dass sich die Zahl der „Ausreisepflichtigen“ wegen der restriktiven Ablehnungspolitik des Senats in diesem Jahr vervierfachen könnte.
Mit den brutalen Deportationen setzt die Regierung die Politik des rot-roten Senats aus SPD und Linkspartei fort, der Berlin von 2001 bis 2011 regierte. Schon damals war die Hauptstadt für ihre harte Abschiebepraxis bekannt.
Die verbale Opposition der Grünen und der Linkspartei im Abgeordnetenhaus ist auch deshalb heuchlerisch, weil die selben Parteien überall dort, wo sie in Regierungsverantwortung stehen, selbst die Kasernierung und Abschiebung von Flüchtlingen organisieren.