Spotlight: Aufschlussreiche Darstellung des Sexualmissbrauchs in der katholischen Kirche

Regisseur: Tom McCarthy; Drehbuch: McCarthy und Josh Singer

Tom McCarthys Film Spotlight, der bei den diesjährigen Academy Awards den Oscar in der Kategorie Bester Film gewann, ist ein spannender, geradezu politischer Thriller. Er schildert den Verlauf der bedeutsamen Enthüllung weitverbreiteten Kindesmissbrauchs katholischer Priester in Boston und Umgebung durch den Boston Globe im Jahr 2002.

Der Begriff ‘Spotlight’ im Titel bezieht sich auf die gleichnamige, aus vier Personen bestehende zeitungsinterne Gruppe investigativer Journalisten, die die langjährige systematische Geheimhaltung des Kindesmissbrauchs durch die Kirchenbehörden publik machten. Über 70 örtliche Priester waren an dem Missbrauch beteiligt. Der Globe, der kürzlich von der New York Times erworben wurde, gewann für diese Story im Jahr 2003 den Pulitzer-Preis.

Das Spotlight-Team besteht in McCarthys Film aus dem unverblümten Herausgeber Walter “Robby” Robinson (Michael Keaton), den Reportern Sacha Pfeiffer (Rachel McAdams) und Michael Rezendes (Mark Ruffalo) sowie dem für Nachforschungen Verantwortlichen Matt Carroll (Brian d’Arcy James).

Der Film eröffnet mit einer kurzen Sequenz, in welcher der Priester John Geoghan, ein pädophiler Serientäter, der ein auslösenden Faktor für die Investigativgeschichte war, als freier Mann das Bostoner Polizeirevier verlässt. (In seiner 30-jährigen Karriere vergriff sich Geoghan an mindestens 130 Kindern.) Der neue Chefredakteur des Globe, Marty Baron (Liev Schreiber), weder aus Boston gebürtig noch ein Katholik, drängt das Spotlight-Team sich mit Sexualdelikten von Priestern zu beschäftigen.

Der zögerliche Redaktionsleiter Ben Bradlee Jr. (John Slattery) weist darauf hin, dass 53 Prozent der Zeitungsabonnenten Katholiken sind. Außerdem ist die Erzdiözese eine machtvolle Bostoner Institution, die vom einflussreichen Kardinal Bernard Law (Len Cariou) geleitet wird.

Aber es gibt außer Baron noch weitere “Außenseiter”. Einer von ihnen ist der auf Sammelklagen spezialisierte armenischstämmige Rechtsanwalt Mitchell Garabedian (Stanley Tucci), der seit langem erfolglos versucht, die klerikalen Kinderschänder vor Gericht zu bringen. („Diese Stadt…Yankees, Iren, gibt uns das Gefühl, als würden wir nicht dazugehören. Schaut, wie sie die Kinder behandeln. Merken Sie sich meine Worte, Mr. Rezendes! Wenn ein ganzes Dorf nötig ist, um ein Kind großzuziehen, dann ist auch ein ganzes Dorf nötig, um eines zu missbrauchen.“)

Es fehlt nicht an bereitwilligen Persönlichkeiten im Bostoner Establishment, die die Kirche entschuldigen und verteidigen. Jim Sullivan (Jamey Sheridan), einer von Robbys Golfpartnern, ist ein Kirchen-Berater, und ein weiterer enger Partner, Peter Conley (gespielt von Paul Guilfoyle), ist Botschafter des Guten Willens für die Institution. Letztgenannter sagt zum Spotlight-Chef: „Marty Baron ist ein Jude mit eigener Agenda. Er ist nicht von hier und kann jederzeit wieder verschwinden. Du, andererseits…“. Regelmäßig verschwinden sensible öffentliche Dokumente aus Regierungsakten.

Der Hauptartikel, den der Globe im Januar 2002 veröffentlichte, nahm Notiz von den verzweifelten Verschleierungsversuchen der Kirche: „Die Juristen, die in die privaten Fälle [der Anwohner] involviert waren, sagten in Interviews, die in den vergangenen Monaten gemacht wurden, dass das Hauptbestreben der Kirche klar sei: Sie wolle unter allen Umständen einen öffentlichen Skandal vermeiden.“

„Ein Rechtsanwalt, der in die Strategie der Kirche eingeweiht war, sagte, die Erzdiözese sei dermaßen erpicht darauf, keines der Opfer an die Öffentlichkeit oder vor Gericht gehen zu lassen, dass sie sogar bereit war, zweifelhafte Forderungen zu begleichen.“

Zusätzlich zu den Hindernissen in Form von Ausflüchten und Blockaden, mit denen die Kirchenbehörden und ihre Unterstützer aufwarteten, legten auch die Ereignisse vom 11. September die Untersuchungen des Teams zeitweilig auf Eis.

Mit Hilfe von Opfern, die sich im Überlebendenetzwerk der von Priestern Missbrauchten (Survivors Network of those Abused by Priests - SNAP) organisierten, können die Journalisten sich schließlich durchsetzen. („Wenn ein Priester dir seine Aufmerksamkeit widmet, ist das eine große Sache“, sagt eines der Mitglieder. „Wie kann man sich Gott verweigern?“)

Die Investigatoren erhalten zudem wertvollen Beistand von Richard Sipe (die Telefonstimme von Richard Jenkins), einem ehemaligen Priester, der nun als Psychotherapeut arbeitet. Er ist spezialisiert auf gemeingefährliche Geistliche und erklärt, dass sie ihre Opfer unter Armen und Schutzlosen suchen. Sipe schockiert die Journalisten, als er feststellt, dass seine Untersuchungen ergeben haben, dass mindestens sechs Prozent der kirchlichen Priester Straftäter sind. („Ein erkennbares psychiatrisches Phänomen.“)

Mit dem Anwachsen von Breite und Tiefe der kirchlichen Korruption und ihrer Missetaten schwindet bei den Spotlight-Autoren und der Globe-Belegschaft, von denen viele einmal Katholiken waren, das anfängliche Zögern, die Wahrheit herauszufinden.

McCarthys Spotlight ist ein einnehmendes Werk mit Non-Stop-Dynamik, in der Tradition von Die Unbestechlichen (1976) über den Watergate-Skandal und Insider (1999) über Recherchen in der Tabak-Industrie. Das ist etwas, was die amerikanische Filmindustrie gut beherrscht. Das Erscheinen von Spotlight deutet darauf hin, dass Hollywood seine Fähigkeiten, schmutzige Skandale aufzudecken, noch nicht vollkommen abgelegt oder vergessen hat.

Der Regisseur, zu dessen früheren wertvollen Werken Station Agent (2003), Ein Sommer in New York – The Visitor (2007) und Win Win (2011) zählen, ist ein mit Fingerspitzengefühl begabter Handwerker, der ein eingeschworenes Schauspielerensemble zusammenstellte, das sich offensichtlich dem Projekt verschrieb. Keaton und Ruffalo sind hinreißend und Tucci ragt als großmütiger, opferbereiter und schonungsloser Enthüller des durch die Kirche angerichteten menschlichen Kollateralschadens besonders heraus.

Als Filmemacher, der vom Schauspielerberuf kam, ist McCarthy nicht der große Bilderstilist, und Spotlight erscheint leicht unaufgeregt monochromatisch. Vor allem sind es die Darbietungen und die Chemie zwischen den Schauspielern, die den Film wirkungsvoll machen. Dazumal ragt ein intelligenter Film wie Spotlight, inmitten einer Industrie, die vom Trickfilm und Spezialeffekten dominiert wird, notwendig heraus.

Eine der Stärken des Films ist, dass er die katholische Hierarchie als einen wesentlichen Bestandteil von Bostons politischem und gesellschaftlichem Überbau zeigt. Die Kirche fungiert als eine Stütze in der Knechtung und Unterdrückung der Arbeiterbevölkerung.

Sexueller Missbrauch ist natürlich nicht auf das Gebiet von Boston beschränkt. Das Postskriptum am Ende des Films zählt hunderte Städte in den Vereinigten Staaten und weltweit auf, in denen priesterlicher Missbrauch aufgedeckt wurde.

In Anbetracht des systematischen Charakters des Missbrauchs schrieb die WSWS im Jahr 2002: „Die durch den sexuellen Missbrauch seitens Teilen der Priesterschaft ausgelöste Krise unterstreicht den durch und durch reaktionären und anachronistischen Charakter der katholischen Kirche als Institution. Ihre korrupten und heuchlerischen Funktionäre, die wie Könige leben, gegen Sünde und Laster vom Leder ziehen, die Geburtenkontrolle und das Recht auf Abtreibung bekämpfen, die Homosexualität verurteilen und begeistert Zensur und geistige Unterdrückung befürworten, verbünden sich weltweit mit den bestehenden Herrschaftsverhältnissen und machen das Leben für zig Millionen Menschen zu einer Plage.“

„Jeder Aspekt dieser durch sexuellen Missbrauch ausgelösten Krise - der Schmerz und das Leiden der Opfer, das Elend und die gestörte Sexualität der Priester, die Boshaftigkeit der Kirchenfunktionäre - deuten auf eine kranke Institution hin, deren Praktiken und Lehren elementaren menschlichen Bedürfnissen zuwider laufen und unvermeidlich ungesunde psychisch-sexuelle Bedingungen schaffen. Das eigentliche Wesen der katholischen Kirche ist ein Hohn auf die moderne Gesellschaft.“

Der Boston Globe hatte einen guten Tag, als er sein Exposé über die katholische Kirche veröffentlichte. In mehreren Interviews beklagte Regisseur McCarthy den fortlaufenden Niedergang der Zeitungen und den diesen begleitenden Aufstieg des Internets.

Der altbackene Liberalismus des Filmemachers versäumt es, mehrere Dinge zu berücksichtigen. Wenn McCarthy wissen will, warum die Bevölkerung, und insbesondere jüngere Menschen, sich von Blättern wie dem Boston Globe und der New York Times abwenden, dann muss er sich die Berichterstattung der Medien zu dem „anderen“ bedeutsamen Ereignis anschauen, die er in Spotlight streift, den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sowie den nachfolgenden Ereignissen. Die amerikanischen Medien lehnten es ab, die Selbstmordangriffe vom 11. September ernsthaft zu untersuchen und rechtfertigen unaufhörlich die Kriege im Nahen Osten und anderswo sowie die gigantische NSA-Spionage, Polizeimorde und jede Verschwörung und jeden Angriff, der sich gegen die Bevölkerung richtet. Faktisch wurden jede größere Zeitung und jeder Fernsehsender zu einem Arm des Pentagons und der CIA.

Nicht korrumpierbare Reporter gibt es nur sehr wenige in den führenden Medienorganen, und sie werden im Allgemeinen nicht an die politisch sensiblen Geschichten herangelassen. Nichtsdestoweniger ist Spotlight aufrichtig und unterhaltsam sowie durch bestechende Darbietungen in Schwung gehalten.

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