Deutsche Regierung verschärft Angriffe auf Flüchtlinge

Mitglieder der Bundesregierung und führende Vertreter aller politischer Parteien überbieten sich derzeit darin, schärfere Abwehrmaßnahmen gegen Flüchtlinge zu fordern und zu beschließen.

Am vergangenen Freitag hatten die Parteivorsitzenden der Großen Koalition das sogenannte Asylpaket II beschlossen und damit eine drastische Verschärfung des Asylrechts eingeleitet.

Am Samstag verkündete Kanzlerin Angela Merkel auf dem Landesparteitag der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, dass Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern nach dem Ende dieser Kriege wieder in ihre Heimat zurückkehren müssten. Betroffen wäre die überwiegende Mehrzahl der knapp eine Million Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr in Deutschland Schutz gesucht haben. Sie würden dann nur noch geduldet – mit allem, was das für ihre Unterbringung, ihren Rechtsstatus, ihre Arbeits- und ihre Ausbildungsmöglichkeiten bedeutet. Nach kurzer Zeit – Merkel sprach von drei Jahren – müssten sie das Land wieder verlassen.

Zeitgleich forderte Hannelore Kraft (SPD), Ministerpräsidentin des einwohnerstärksten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, die Residenzpflicht für Asylbewerber wieder einzuführen und auf anerkannte Asylbewerber auszudehnen. Diese dürften dann, selbst wenn sie seit Jahren in Deutschland leben, den ihnen zugewiesenen Wohnort nicht verlassen und könnten auch nicht frei ihren Arbeitsplatz wählen.

Merkels Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) machte deutlich, dass sich die Bundesregierung darum bemühe, straffällig gewordene Ausländer und Asylbewerber auch in Drittstaaten wie die Türkei oder Griechenland abzuschieben, falls eine Deportation in die mutmaßlichen Herkunftsländer nicht möglich sei. „Wir verhandeln mit der Türkei und anderen Ländern über die Rückübernahme solcher Flüchtlinge“, sagte Altmaier der Bild am Sonntag.

Offenbar plant die Bundesregierung, dass Flüchtlinge für in Deutschland begangene Straftaten in Griechenland und in der Türkei ins Gefängnis oder in Abschiebelager gesteckt werden, wo ihnen schwere Misshandlungen drohen.

Die Liste der Staaten, die zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden sollen, wird täglich länger. Neben Marokko, Algerien und Tunesien sollen nun auch die Türkei und Afghanistan als „sicher“ definiert werden, um Asylanträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern schnell als „offensichtlich unbegründet“ ablehnen und die betroffenen Personen umgehend abschieben zu können. In all diesen Ländern herrschen mehr oder weniger ausgeprägte bürgerkriegsähnliche Zustände, sie werden von autoritären Regimes beherrscht, die Menschenrechte mit Füßen treten und sich nur mit Polizeistaatsmaßnahmen an der Macht halten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verhandelte am Dienstag in Kabul mit dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani und dessen zuständigen Ministern über die Rücknahme von Flüchtlingen aus Deutschland. Die Reise des Innenministers verlief unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. De Maizière selbst wurde bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Kabul mit schusssicherer Weste und Stahlhelm ausstaffiert und ähnelte einem Stormtrooper aus Star Wars. Während der Verhandlungen sprengte sich ein Selbstmordattentäter nur wenige Kilometer entfernt in die Luft, riss 20 Menschen in den Tod und verletzte Dutzende weitere.

Das hinderte de Maizière jedoch nicht daran, nach seiner Rückkehr Afghanistan als „weitgehend sicheres“ Land darzustellen und darauf zu beharren, afghanische Flüchtlinge abzuschieben. Der Innenminister erklärte, auch anderswo auf der Welt gebe es Anschläge, danach dürfe man seine Politik nicht ausrichten. Außerdem gebe es in Afghanistan „genügend innerstaatliche Fluchtalternativen“.

Dem widersprechen jedoch nicht nur die sieben Anschläge, die seit Beginn des Jahres allein in Kabul registriert wurden und von denen auch die Bundeswehr betroffen war. Auch der afghanische Flüchtlingsminister bezeichnet 31 der 34 Provinzen des Landes als unsicher. Zu den drei sicheren Provinzen zählte er die Hauptstadt Kabul.

Im Jahr 2015 stellten 31.382 Afghanen in Deutschland einen Erstantrag auf Asyl. Über 80 Prozent wurden positiv beschieden, im dritten Quartal sogar 86 Prozent. Das heißt, selbst die Entscheider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die bei der Ablehnung von Asylanträgen nicht gerade zimperlich sind, gehen davon aus, dass die Menschen in Afghanistan bedroht sind. Dessen ungeachtet verschärft die Regierung ihre Abschiebepraxis.

CSU-Chef Horst Seehofer nannte eine ganze Palette von Staaten, die als „sicher“ einzustufen seien: Armenien, Bangladesch, Benin, Gambia, Georgien, Indien, Mali, die Mongolei, Nigeria, die Republik Moldau und die Ukraine.

Die Rolle des Scharfmachers in der Regierung hat die SPD übernommen. Die sozialdemokratische Ministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, verbreitet die Stammtischparole vom integrationsunwilligen Ausländer, der die deutschen Sozialkassen plünderte und dem es besser gehe als einheimischen Hartz-IV-Empfängern. Sie kündigte deutliche Leistungskürzungen für Asylbewerber an. Sie werde die scharfen Regeln für Hartz-IV-Empfänger künftig auch auf Asylbewerber und das Asylbewerberleistungsgesetz übertragen, erklärte sie.

In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt Nahles: „Wer hierher kommt, bei uns Schutz sucht und ein neues Leben beginnen will, muss sich an unsere Regeln und Werte halten.“ Und weiter: „Wer Hilfe in Anspruch nimmt, muss sein ganzes Können, seine Arbeitskraft und – übrigens wie alle anderen auch – sein eigenes Vermögen einbringen. Wer das nicht tut, der wird hier dauerhaft keine Unterstützung erhalten.“ Es gebe „keinen Anspruch auf leistungslose Unterstützung“.

Neben Flüchtlingen bezieht Nahles – wie der britische Premier David Cameron – auch Zuwanderer aus der EU in ihre Hetze ein. „Es ist das gute Recht aller EU-Bürger, innerhalb der EU zu leben, wo sie wollen“, schreibt sie. „Aber auf eigenen Füßen sollen sie stehen – wie es der mit Abstand größte Teil der hier lebenden EU-Bürger auch tut – und nicht von Anfang an auf Sozialhilfe angewiesen sein. Die Kommunen können nicht unbegrenzt für mittellose EU-Ausländer sorgen.“

Als Konsequenz daraus schließt sich Nahles der CSU-Forderung an, angeblichen „Integrationsverweigerern“ Sozialleistungen rigoros zusammenzustreichen. „Wer signalisiert, dass er sich nicht integrieren will, dem werden wir die Leistungen kürzen. Aus meiner Sicht sollte man das auch an die Wahrnehmung von Sprachkursen knüpfen und daran, sich an die Grundregeln unseres Zusammenlebens zu halten.“

Einem Großteil der Flüchtlinge stehen die Sprach- und Integrationskurse allerdings gar nicht offen oder sie müssen monatelang darauf warten, dort einen Platz zu bekommen. Nahles Beitrag offenbart daher einmal mehr den rassistischen Charakter der aktuellen Integrationsdebatte.

Wie sehr die SPD mit dieser Politik rassistische Stimmungen schürt, wurde jüngst in der Ruhr-Metropole Essen sichtbar. Dort ließ der Ortsverband Plakate für einen Protestmarsch drucken, auf denen in menschenverachtender NPD-Manier stand: „Genug ist genug! Integration hat Grenzen“.

Mit solchen Forderungen wird rechtsradikalen Kräften der Weg geebnet. Gewalttaten gegen Flüchtlinge werden geradezu heraufbeschworen. Die Polizei registrierte im letzten Jahr mehr als 1.000 Angriffe und Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Am vergangenen Freitag warfen im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen Unbekannte eine Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft, die wohl nur durch Zufall nicht explodierte.

Diese rechten Gewalttaten dienen dann als Vorwand, um Polizei, Geheimdienste und Bundeswehr massiv aufzurüsten. Anfang der Woche forderte der Seeheimer Kreis, ein Zusammenschluss des rechten SPD-Flügels, dem auch der Vorsitzende Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und der Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann angehören, tausende neue Stellen und zusätzliche Mittel in dreistelliger Millionenhöhe für den Ausbau der inneren Sicherheit. Außerdem solle die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden können.

Wie in den 1930er Jahren schüren die herrschenden Eliten wieder Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit, um die sozialen Spannungen in rechte Kanäle zu lenken, den Polizeiapparat aufzurüsten und eine rechte Bewegung aufzubauen, die sie gegen die gesamte Arbeiterklasse einsetzen können.

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