Im Verteidigungsministerium, den Führungsstäben der Bundeswehr und außenpolitischen Thinktanks werden gegenwärtig neue Militäreinsätze der Bundeswehr in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten und in Asien diskutiert und vorbereitet. Als Begründung und Vorwand dient die „Bekämpfung von Fluchtursachen“.
Der Artikel „Die Weltverbesserer“ in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel gibt einen Überblick über die weitreichenden Pläne. Die Vorhaben sind so massiv, dass sie selbst der Spiegel als „Projekt zwischen Verzweiflung und Größenwahn“ bezeichnet.
Das Ziel der Bundesregierung sei es, „dafür zu sorgen, dass sich so wenige Flüchtlinge wie möglich nach Deutschland aufmachen“, und „große Teile der Welt zu einem besseren Ort [zu] machen“, schreiben die Spiegel-Autoren. Bundesverteidigungsministerin Ursula von Leyen (CDU) zitieren sie mit der Aussage: „Wir müssen staatliche Macht und Stabilität in Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan oder Libyen wiederherstellen.“
Der Artikel lässt keinen Zweifel daran, dass dies durch eine massive Ausweitung der deutschen Militärmissionen im Ausland erreicht werden soll. „Von Mali über den Irak bis nach Afghanistan“ würden „Einsätze der Bundeswehr geplant und erweitert, an die noch vor wenigen Monaten niemand gedacht hätte“, schreiben die Autoren. So prüfe die Regierung gegenwärtig „sogar einen Einsatz deutscher Aufklärungs-‚Tornados‘ am Rande des Syrienkonflikts“.
Mit anderen Worten: nach den USA, Frankreich, Großbritannien und Russland bereitet sich nun auch Deutschland darauf vor, mit seiner Luftwaffe direkt in den Syrienkrieg einzugreifen.
Ähnliches ist für Afghanistan geplant. Bereits in der letzten Woche hatte der ranghöchste deutsche Nato-General Hans-Lothar Domröse unter dem Beifall führender Außenpolitiker der Großen Koalition für die Wiederaufnahme des Kampfeinsatzes in Afghanistan plädiert und Luftschläge gegen die Taliban gefordert. Am vergangenen Donnerstag sprach sich auch die Bundeskanzlerin dafür aus, in Afghanistan „innerstaatliche Fluchtalternativen“ zu schaffen, in die Flüchtlinge aus Afghanistan abgeschoben werden können.
Dem Spiegel zufolge ist auch für den Irak die Aufstockung der Bundeswehrsoldaten, die die kurdischen Peschmerga mit Waffen beliefern und ausbilden, im Auswärtigen Amt und im Verteidigungsministerium bereits „auf Staatssekretärsebene“ besprochen worden. Parallel dazu plane die Bundeswehr „neue Waffenlieferungen an die Kurden und eine Ausweitung der Unterstützung auf die Zentralregierung in Bagdad“.
Zusätzlich solle auch in Mali der Einsatz der Bundeswehr ausgeweitet werden, und „sogar für den gescheiterten Staat Libyen“ denke man „im Verteidigungsministerium an eine mögliche Militärmission“. Laut den Informationen des Nachrichtenmagazins gibt es „in der deutschen Militärführung […] wenig Zweifel, dass sich die Bundeswehr an einer solchen Mission beteiligen müsste“. Ein nicht namentlich genannter General wird mit den Worten zitiert: „Als Führungsnation innerhalb der Allianz kann sich Berlin nicht mehr verweigern.“
„Forsche deutsche Offiziere“ gingen „sogar noch weiter“. Domröse habe bereits von möglichen Einsätzen in Syrien oder dem Irak gesprochen. „Es macht doch Sinn, das Feuer bei unseren Nachbarn militärisch auszutreten, sonst bleiben nur Elend und Millionen Menschen, die die Flucht zu uns antreten“, zitiert ihn der Spiegel.
Natürlich erklären weder das Nachrichtenmagazin und schon gar nicht Domröse und die Bundesregierung, wie es „sinnvoll“ sein soll, die Flüchtlingsströme mit genau den gleichen militärischen Mitteln zu „bekämpfen“, die in Afghanistan, im Irak, in Libyen und in Syrien ganze Länder verwüstet und Millionen zu Flüchtlingen gemacht haben.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In Wirklichkeit treibt die deutschen Eliten nicht das „Elend“ der Millionen, das sie selbst mit ausgelöst und zu verantworten haben, sondern der Drang nach Märkten, Rohstoffen, strategischem Einfluss und Weltmacht. Mit häufigeren und „gefährlicheren Militäreinsätze im Ausland“ (Spiegel) vollziehen sie die außenpolitische Wende, die Bundespräsident Gauck und die Bundesregierung bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 offen verkündet hatten.
Damals hatte der amtierende Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärt, Deutschland müsse „bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen“, um seine geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen weltweit wahrzunehmen. Konkret nannte er „Syrien, Ukraine, Iran, Irak, Libyen, Mali, die Zentralafrikanische Republik, Südsudan, Afghanistan, Spannungen in Ostasien“ als Teile einer „unvollständigen Liste der ‚Hotspots‘“ für die deutsche Außenpolitik.
Das soll nun praktisch umgesetzt werden. So erklärte Ursula von der Leyen am 18. September auf einer Konferenz der Alfred Herrhausen Gesellschaft und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin: „Führen aus der Mitte ist keine Vision mehr, es ist inzwischen eine Ist-Beschreibung. Es ist längst keine Frage des Ob mehr, sondern des Wie.“ Europa werde von drei Krisen gleichzeitig erschüttert: „Flüchtlinge, Ukraine, IS. Gleichzeitig ist die Eurokrise noch nicht bewältigt.“
Die Konferenz stand unter dem Motto: „Denk ich an Deutschland: Die Welt aus den Fugen – Auf der Suche nach neuen Gewissheiten“. Von der Leyen sprach zum Thema „Wie den ,Westen‘ verteidigen?“.