Die USA bereiten mit fünf europäischen Mächten eine gemeinsame Militärmission in Libyen vor, angeblich um den Islamischen Staat (IS) zu bekämpfen. Ihr tatsächliches Ziel ist es jedoch, eine gefügige prowestliche Regierung an die Macht zu bringen und das Land zu „stabilisieren“.
Die London Times schrieb am 1. August: „Hunderte von britischen Soldaten bereiten sich darauf vor, im Rahmen einer neuen, umfassenden internationalen Mission nach Libyen verlegt zu werden.“ Weiter hieß es, die britischen Soldaten würden „gemeinsam mit Militärpersonal aus Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland und den USA […] eine Operation durchführen, die anscheinend beginnen kann, sobald die rivalisierenden zerstrittenen Fraktionen in Libyen der Bildung einer Allparteienregierung zustimmen“.
Die geplante Mission ist Teil einer Ausweitung der imperialistischen Militärinterventionen in den Ländern des rohstoffreichen Nahen Ostens und Nordafrikas und findet vor dem Hintergrund des Krieges im Irak und Syrien statt, mit dem Großbritannien und die anderen Mächte ihre eigenen geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen verfolgen.
Die Times wies darauf hin, dass Italien, die ehemalige Kolonialmacht in Libyen, vermutlich das größte Kontingent an Bodentruppen stellen werde. Frankreich hat koloniale und wirtschaftliche Beziehungen mit Libyens Nachbarstaaten Tunesien, Mali und Algerien. Spanien besitzt noch immer Exklaven im Norden von Marokko. Die fünfte beteiligte Großmacht, Deutschland, versucht erneut, Zugang zu den Rohstoffen und Märkten von Afrika zu erlangen.
Zuvor hatte es im Laufe des Jahres Forderungen nach einer „humanitären“ Militäroperation gegen Menschenschmuggler gegeben, die verarmte Einwanderer aus Afrika und dem Nahen Osten in unsicheren Booten nach Europa bringen. Vor dem Hintergrund der geplanten Militärmission erscheinen diese Rechtfertigungen als Teil eines Aufweichprozesses, der ein weiteres kriminelles und unpopuläres imperialistisches Unternehmen legitimieren sollte.
Die Streitkräfte der fünf europäischen Staaten werden mit Truppen der USA, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen zusammenarbeiten und unter dem Namen „P3+5“ zusammengefasst. Insgesamt werden an der Operation vermutlich mehrere tausend Soldaten beteiligt sein. Ein Quelle aus der britischen Regierung erklärte: „Die Sache könnte Ende August Form annehmen.“
Die USA und die europäischen Mächte benutzen die UN, um ein Friedensabkommen zwischen den zerstrittenen Fraktionen in Libyen auszuhandeln und so eine Allparteienregierung an die Macht zu bringen.
Eine Sprecherin des britischen Verteidigungsministeriums erklärte, Großbritannien unterstütze „gemeinsam mit internationalen Partnern den Prozess der Bildung einer anerkannten libyschen Regierung“ und „wir entwickeln Pläne für Unterstützung, sobald dies geschehen ist. Momentan ist es jedoch noch zu früh, um über Einzelheiten zu reden.“
Letzten Monat hatte der britische Premierminister David Cameron zugegeben, dass er eine Militäraktion in Libyen in Erwägung ziehe. Er erklärte: „Wenn eine Gefahr für Großbritannien und seine Bevölkerung oder unsere Städte besteht und wir sie durch sofortiges Handeln gegen diese Gefahr aufhalten können, dann werde ich mich als Premierminister jederzeit dafür entscheiden, und das ist hier der Fall, egal ob dieses Problem von Libyen, Syrien oder einem anderen Land ausgeht.“
Während britische Truppen das Militär, die Küstenwache und die Polizei „ausbilden“ und „Antiterroreinheiten“ stellen werden, die zusammen mit Spezialkräften aus Frankreich und den USA kämpfen, wird die britische Luftwaffe voraussichtlich nicht beteiligt sein, da sie bereits im Irak und Syrien voll ausgelastet ist.
Nach dem Sturz des Regimes von Oberst Muammar Gaddafi durch den Nato-Krieg 2011 brachen die Regierung und das Justizsystem zusammen und das Land versank völlig im Chaos. Diese Entwicklung bedeutete nicht nur unbeschreibliches Leiden für die libysche Bevölkerung, sondern hat sich auch auf Mali und die Zentralafrikanische Republik in der Sahelzone ausgedehnt.
Rivalisierende Milizen kämpfen um die Kontrolle über die Ölvorkommen des Landes, die mit nachweislichen Reserven von 46,4 Milliarden Barrel die größten in ganz Afrika sind.
Das Regime der Libyschen Morgendämmerung (Libya Dawn), das aus dem Allgemeinen Nationalkongress (General National Council – GNC) besteht und von islamistischen Kräften unterstützt wird, weigerte sich, das Ergebnis der Wahl von 2014 anzuerkennen und übernahm die Kontrolle über die libysche Hauptstadt Tripolis im Westen. Die international anerkannte Regierung hat sich derweil in der 120.000 Einwohner-Stadt Tobruk verschanzt, einer ihrer letzten Hochburgen, die mehr als 1.000 Kilometer östlich von Tripolis liegt. Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen die Regierung in Tobruk, die ihrerseits Katar, der Türkei und dem Sudan vorwirft, die Islamisten in Tripolis zu unterstützen.
Zwischen den zahlreichen Milizen in verschiedenen Teilen des Landes kommt es häufig zu Zusammenstößen – im ostlibyschen Bengasi fast täglich. Das Land wird überschwemmt von Waffen, Drogen, Schleuseraktivitäten und Schmuggel aller Art. Entführungen mit dem Ziel, Lösegeld zu erpressen, sind alltäglich.
Darüber hinaus sind in Libyen Milizen entstanden, die mit dem IS verbündet sind und die Stadt Sirte, auf halbem Weg zwischen Tripolis und Tobruk gelegen, erobert haben. Die Enthauptung von einundzwanzig koptischen Arbeitern im Februar war nur eine von vielen Gräueltaten, die von in Libyen ausgebildeten Islamisten in dem verwüsteten Land selbst und in Frankreich und Tunesien verübt wurden.
Die Großmächte glauben, der UN-Abgesandte Bernardino Leon stehe kurz davor, ein Abkommen zwischen Tobruk und Tripolis über die Bildung einer Allparteienregierung zu erreichen. Ohne die Zustimmung einer solchen Regierung wäre der Einsatz der amerikanisch-europäischen Eingreiftruppe juristisch nicht zu rechtfertigen.
Allerdings blieben Leons Versuche bisher erfolglos, da Tripolis ein größeres Mitspracherecht bei einer solchen Regierung verlangt und sich dagegen ausspricht, dass die sogenannte Libysche Nationalarmee (Libyan National Army) unter Führung des CIA-Mitarbeiters und ehemaligen libyschen Generals Khalifa Hiftar, die mit Tobruk verbündet ist, eine so dominante Rolle spielen soll.
Sollte ein Abkommen ausgehandelt werden, werden die „P3+5“ eine UN-Resolution beantragen, um ihre Militärintervention abzusegnen. Sie wird Patrouillen europäischer Flugzeuge und Kampfhubschrauber in libyschen Gewässern beinhalten, u.a. mit dem Flagschiff der britischen Marine, dem Helikopterträger HMS Bulwark. Dies kann nur zu weiteren Verbrechen und einer Nato-Intervention führen.
Verteidigungsminister Michael Fallon kündigte diese Woche außerdem an, dass Großbritannien seinen Luftkrieg im Irak gegen IS-Kämpfer um ein Jahr verlängern werde und fügte hinzu, die acht veralteten Tornado-Kampfjets, die eigentlich letzten März aus dem Verkehr gezogen werden sollten, würden stattdessen noch bis Anfang 2017 für Luftangriffe benutzt werden.
Den Einsatz britischer Bodentruppen im Kampf gegen den IS schloss er aus. Da allerdings etwa 150 britische „Militärberater“ die Peschmerga-Milizen der Autonomen Region Kurdistan im Irak ausbilden, ist auch diese Behauptung eine Lüge. Ihre Effektivität und ihre Rolle werden derzeit durch die Bombenangriffe der Türkei auf kurdische Truppen im Irak und Syrien beeinträchtigt.
Die Truppen unter der Führung der USA haben zwar Tod und Zerstörung über die irakische Bevölkerung und ihre Heimat gebracht, können aber kaum Erfolge gegen die sunnitischen Kräfte des IS vorweisen, die große Teile des Irak erobert haben, u.a. die zweitgrößte Stadt Mosul, deren Ölindustrie ihnen monatlich 40 Millionen Dollar Gewinne einbringt.
Mehrere Kommentatoren kritisierten Großbritanniens Vorgehensweise als zusammenhangslos und forderten den Einsatz von Bodentruppen. Der ehemalige Generalstabschef Lord Richards erklärte vor Kurzem, der Westen brauche „Zehntausende“ von Ausbildern im Land, wenn sie etwas bewirken sollen. Er erklärte, was der Westen bisher gegen den IS unternommen habe, sei „beklagenswert ungenügend“ und „wenn wir [den IS] loswerden wollen, müssen wir uns faktisch auf einen Krieg vorbereiten“.
Die Ausweitung der militärischen Unternehmungen Großbritanniens wird praktisch ohne öffentliche Diskussionen beschlossen – geschweige denn, dass die Regierung dafür um Erlaubnis bitten oder die Unterstützung der Bevölkerung suchen würde. Im Falle von Syrien setzt sie sich sogar direkt über anders lautende Entscheidungen hinweg.
Das britische Parlament hat der Regierung nur erlaubt, im Rahmen der amerikanischen Koalition Luftangriffe im Irak gegen den IS zu führen, allerdings nicht in Syrien. Dennoch haben Premierminister David Cameron und Verteidigungsminister Michael Fallon heimlich die Teilnahme britischer Piloten an gemeinsamen Luftangriffen mit amerikanischen, französischen und kanadischen Truppen gegen IS-Stellungen in Syrien abgesegnet, obwohl das Parlament in den Jahren 2013 und 2014 dagegen gestimmt hatte.