Die japanische Regierung von Premierminister Shinzo Abe erhöht gezielt die Spannungen mit China. Im jährlichen Weißbuch des Verteidigungsministeriums musste auf Geheiß der Regierung ein schärferer Ton gegen China angeschlagen werden. Die Kritik richtet sich hauptsächlich gegen chinesische Unternehmungen im Südchinesischen und Ostchinesischen Meer.
Das Weißbuch kam am Dienstag mit einer Verzögerung von einer Woche heraus. Abgeordnete der Regierungspartei hatten Kritik an dem Bericht geübt, weil er gegenüber China zu nachgiebig sei.
Nur wenige Tage ehe der modifizierte Verteidigungsbericht erschien, hatte die japanische Regierung die umstrittenen neuen Sicherheitsgesetze durch das Unterhaus gepeitscht. Um die weit verbreitete Ablehnung dieser Gesetze zu beschwichtigen, schürt Abe jetzt offenbar die Angst vor der vermeintlichen chinesischen Gefahr.
In dem 439 Seiten umfassenden Weißbuch ist ein Drittel der Kapitel zur globalen Sicherheitsentwicklung China gewidmet. Japan sei „ äußerst besorgt“ über Beijings Maßnahmen. „China, das in besonderem Maß Konflikte über maritime Fragen auslöst, setzt seine Aktionen augenscheinlich fort. Dazu gehören auch seine Versuche, den Status Quo gewaltsam zu ändern, und seine Bereitschaft zur rücksichts- und kompromisslosen Durchsetzung seiner unilateralen Ansprüche“, heißt es dort.
Besonders provokativ ist die Forderung, China müsse den Bau von Plattformen zur Erkundung von Öl und Gas im Ostchinesischen Meer einstellen. „Wir haben uns überzeugt, dass China mit dem Bau neuer Meeresplattformen begonnen hat, und wir bekräftigen, dass wir eine unilaterale chinesische Entwicklung ablehnen.“
Das japanische Außenministerium veröffentlichte den Bericht auf seiner Website zusammen mit Fotografien von den Erkundungsplattformen und einer weiteren Stellungnahme. Diese gibt zwar zu, dass sich alle Plattformen auf der chinesischen Seite der Grenze zwischen den Wirtschaftszonen der beiden Länder befänden. Aber in der Stellungnahme wird Chinas „unilaterale Entwicklung“ erneut scharf kritisiert und die Regierung in Beijing aufgefordert, zu den Gesprächen über die Vereinbarung von 2008 über eine gemeinschaftliche Entwicklung von Meeresbodenschätzen zurückzukehren.
Verteidigungsminister Gen Nakatani erklärte vor Kurzem im japanischen Parlament, eine solche Plattform könne dazu dienen, „ein Radarsystem aufzustellen“ oder „eine Operationsbasis für Hubschrauber oder Drohnen zur Luftaufklärung zu bieten“. Der angeblichen Gefahr widersprach jedoch der Analyst Ankit Panda in einem Kommentar auf der Website Diplomat. Unter der Überschrift „Eine neue chinesische Bedrohung im Ostchinesischen Meer? Nicht so schnell“, wies darauf hin, dass es für China nachteilig wäre, bestehende Überwachungsmechanismen auf die Plattformen zu verlegen.
Mit der Forderung nach einem Stopp der Erkundungsplattformen schafft die Regierung Abe einen weiteren Krisenherd im Konflikt mit China.
Die Beziehung zwischen den beiden Ländern ist bereits sehr angespannt, seitdem die vorherige japanische Regierung die Inselgruppe im Ostchinesischen Meer „nationalisierte“, die auf Japanisch Senkaku- und auf Chinesisch Diaoyu-Inseln heißt. Das Weißbuch berichtet über 464 Anlässe im Jahr 2014, bei denen das japanische Militär Kampfflugzeuge in Alarmbereitschaft versetzte, um chinesische Militärjets nahe des von Japan beanspruchten Luftraums abzufangen.
Das Weißbuch wiederholt die Litanei anti-chinesischer Anschuldigungen, die inzwischen zum Standardrepertoire der Vereinigten Staaten und ihrer engsten Verbündeten wie Japan gehören. Insbesondere werden Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer als Bedrohung der regionalen Sicherheit angeprangert und die „Undurchsichtigkeit“ des chinesischen Militärhaushalts wird kritisiert.
Das chinesische Verteidigungsministerium wehrt sich vehement gegen das japanische Weißbuch und behauptet, es bausche „die Fragen des Ostchinesischen und des Südchinesischen Meeres, der Internetsicherheit und der militärischen Transparenz auf bösartige Weise“ auf. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums forderte Japan auf, „das Anheizen der Spannungen zu unterlassen“ und „stattdessen mehr im Sinne von regionalem Frieden und Stabilität zu wirken“.
Abe hofft indessen, durch die Verschärfung der Spannungen mit China von der öffentlichen Ablehnung seiner Sicherheitsgesetze ablenken zu können. Mit diesen will er dem Militär die Erlaubnis zum Engagement in „kollektiver Selbstverteidigung“ erteilen, was nichts anderes bedeutet, als dass sich Japan stärker an den weltweiten Aggressionskriegen der Vereinigten Staaten beteiligen soll.
Viele japanische Rechtsexperten haben die Gesetze als verfassungswidrig verurteilt. In Artikel 9 der japanischen Nachkriegsverfassung wird für immer dem Krieg abgeschworen und festgeschrieben, dass Japan nie mehr Land-, Luft- und Seestreitkräfte unterhalten werde.
Der Gesetzentwurf, der noch das Oberhaus durchlaufen muss, hat umfassende Proteste ausgelöst und die Sympathiewerte für die Regierung abstürzen lassen. Eine am Samstag letzter Woche veröffentlichte Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo ergab zum ersten Mal nach der Wahl von 2012, dass die Abe-Regierung von über 50 Prozent der Bevölkerung abgelehnt wird.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Es ist die amerikanische Obama-Regierung, die Shinzo Abe seit seinem Amtsantritt zu einer immer aggressiveren Haltung gegenüber Beijing anstachelt. Dies ist Teil des amerikanischen „pivot to Asia“ (Hinwendung nach Asien). Im April letzten Jahres beteuerte Obama öffentlich, die USA würden Japan in einem Krieg gegen China um die umstrittenen Senkaku/Diaoyu-Inseln unterstützen. Washington, das Tokio zu einem massiveren Eingreifen bei asiatischen Sicherheitsfragen ermutigt, begrüßt die Sicherheitsgesetze der Regierung Abe.
Während der letzten Monate hat Washington die Spannungen mit China im Südchinesischen Meer rücksichtslos verschärft. So flogen japanische Militärflugzeuge chinesisch kontrollierte Atolle und Riffe an. Am Samstag vergangener Woche unternahm Admiral Scott Swift, Kommandeur der amerikanischen Pazifikflotte, in einer Boeing P-8 einen provozierenden siebenstündigen Kontrollflug über das Südchinesische Meer.
Admiral Swift befindet sich in diesem Juli auf einer Asienreise, die ihn durch die Philippinen, Südkorea und Japan führt. Am Freitag letzter Woche erklärte er in Manila, er habe „großes Interesse daran“, die bestehenden bilateralen Kriegsmanöver zu einem multinationalen Manöver mit den Verbündeten in der Region auszuweiten. Er lobte die Bestrebungen der Philippinen, militärische Bereitschaftsübungen auch mit anderen amerikanischen Verbündeten wie Japan abzuhalten.
Letzten Monat führte Japan zum ersten Mal Such- und Rettungsübungen mit Seestreitkräften der Philippinen gemeinsam durch, und philippinische Marineoffiziere flogen an Bord eines japanischen Überwachungsflugzeugs über das Südchinesische Meer.
Am 22. Juli berichtete China über ein eigenes Militär- und Seemanöver im Südchinesischen Meer nahe der Insel Hainan und warnte andere Militärschiffe davor, in die Nähe zu kommen. Major Zhu Cheng versuchte, jeden Zusammenhang mit dem japanischen Weißbuch abzutun, und wies darauf hin, dass eine Militärübung dieses Ausmaßes monatelange Vorbereitungen benötige.
So oder so haben die USA und Japan durch die Verschärfung der Spannungen mit China ein gefährliches Pulverfass geschaffen. Jeder Zwischenfall oder Unfall eines Militärflugzeugs oder Kriegsschiffes im Süd- oder Ostchinesischen Meer birgt die Gefahr, einen Konflikt zwischen Nuklearmächten auszulösen, der außer Kontrolle geraten könnte.