Parlament in Sri Lanka aufgelöst

Ende Juni hat der Präsident Sri Lankas, Maithripala Sirisena, inmitten einer zugespitzten politischen und wirtschaftlichen Krise das Parlament aufgelöst und Neuwahlen für den 17. August anberaumt. Noch bis zum 13. Juli können Wahllisten eingereicht werden.

Im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl am 8. Januar diesen Jahres hatte Sirisena versprochen, innerhalb von hundert Tagen das Parlament aufzulösen. Diese Frist war am 23. April verstrichen. Er verschob diesen Schritt, um seine Macht in der eigenen Partei, der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) zu konsolidieren, die er nur nominell führt.

Sowohl in der SLFP wie auch in der von der SLFP geführten United People’s Freedom Alliance (UPFA) wird Sirisena von einer rivalisierenden Fraktion unter der Führung des Ex-Präsidenten Mahinda Rajapakse und dessen Verbündeten und Anhängern herausgefordert.

Der unmittelbare Grund für die Parlamentsauflösung war die Unfähigkeit der Regierung, für Sirisenas Vorschläge einer Wahlrechtsreform oder Verfassungsänderung eine Mehrheit im Parlament zu erhalten. Die United National Party (UNP), die Sirisenas Minderheitsregierung führt, lehnte die Änderungen ab, weil sie die versprochenen Neuwahlen weiter hinauszögern würden. Die UNP fürchtet, dass die Verzögerung den Unmut in der Bevölkerung verstärken und ihre Chancen verringern würde, die Wahl zu gewinnen.

Die völlig zerstrittene SLFP, die in dem jetzt aufgelösten Parlament die Mehrheit hatte, wollte die Wahl noch weiter verschieben, um von der Enttäuschung der Wähler über die UNP zu profitieren, deren Führer Ranil Wickremesinghe von Sirisena zum Ministerpräsidenten berufen worden war.

Andere Parteien, wie der Koalitionspartner in der Regierung, der Sri Lanka Muslim Congress, und die JVP, die die Koalitionsregierung unterstützte, sprachen sich gegen die Wahlrechtsreform aus, weil sie kleinere Parteien benachteilige.

Aber die scharfen Auseinandersetzungen zwischen diesen Parteien haben nichts mit der Sorge um demokratische Rechte zu tun. Vielmehr widerspiegeln sie die Privilegien unterschiedlicher Teile der herrschenden Klasse und Umbrüche im gesamten politischen Establishment.

Seit ihrer Machtübernahme nach der Präsidentschaftswahl am 8. Januar sind Sirisena und die von ihm eingesetzte Minderheitsregierung von einer Krise in die nächste gestolpert. Sirisenas Präsidentschaft ging auf eine Operation zum Regimewechsel auf Betreiben der Obama-Regierung zurück. Unterstützt wurde sie durch die ehemalige Präsidentin Chandrika Kumaratunga, die durch die Clinton Foundation enge Beziehungen zu Washington pflegt, sowie durch den Vorsitzenden der US-freundlichen UNP, Wickremesinghe.

Die USA hatten eingegriffen, um Rajapakses Außenpolitik zu stoppen, die sich immer mehr an China orientierte. Washington wollte Sri Lanka fest in seine aggressiven Kriegsvorbereitungen gegen China einbinden. Seine örtlichen Verbündeten nutzten die tiefe Feindschaft unter Arbeitern und Jugendlichen gegen den zunehmend autoritären Regierungsstil Rajapakses aus, der den Widerstand gegen die vom Internationalen Währungsfonds diktierte Kürzungspolitik mit Polizeistaatsmethoden unterdrückte.

Sirisena trat als Rajapakses Gesundheitsminister zurück. Das war Teil eines ausgearbeiteten Plans, diesem die Präsidentschaft streitig zu machen. Die Gewerkschaften, pseudolinke Gruppen wie die Nava Sama Samaja Party (NSSP) und die United Socialist Party sowie verschiedene andere kleinbürgerliche Organisationen halfen, die Manöver zum Regimewechsel abzudecken. Sie sammelten die Opposition der Arbeiter und Armen hinter Sirisena unter dem betrügerischen Vorwand, es gehe um den Kampf gegen Rajapakses Diktatur und Vetternwirtschaft. Die JVP und die Tamil National Alliance unterstützten Sirisenas Wahlkampf.

Anfänglich gab es in diesen Kreisen euphorische Hoffnungen, dass Sirisena das Auseinanderbrechen der bisherigen Koalition, der von der SLFP geführten UPFA, zur Konsolidierung seiner Minderheitsregierung nutzen könne.

Der Wahltermin vom 17. August ist bedeutsam. Bei einem Besuch Anfang Mai von US-Außenminister John Kerry deutete Sirisena an, dass er im August Wahlen ansetzen könnte. Washington lag daran, die Wahl vor dem Treffen der UN-Menschenrechtskommission im September durchzuführen. Auf dem Treffen soll ein Bericht über Kriegsverbrechen der srilankischen Regierung und ihres Militärs 2009 in den letzten Monaten der Offensive gegen die separatistischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) diskutiert werden. Damals sollen laut UN-Schätzungen 40.000 Zivilisten getötet worden sein.

Auf Antrag der Sirisena-Regierung gaben die USA im März grünes Licht für eine sechsmonatige Verschiebung der Diskussion über den UN-Bericht. Eine Diskussion des Berichts vor der Wahl, so kalkulierte die Obama-Regierung zynisch, würde Rajapakse ermöglichen, auf nationalistischer und chauvinistischer Grundlage Unterstützung zu gewinnen, indem er den UN-Bericht als westliche Einmischung in die Angelegenheiten Sri Lankas brandmarkt. Das könnte sich als hinderlich für die Schaffung eines proamerikanischen Regimes erweisen.

Der Kolumnist von Foreign Policy Taylor Dibbert schrieb am 5. Juni: „Es wäre nicht klug zu wählen, bevor der Bericht diskutiert wird”, und fügte hinzu: „Ein solches Szenario könnte radikalere Tendenzen in dem Land begünstigen und Sirisenas Einfluss in seiner eigenen Partei weiter schwächen.“ Dibbert warnte: „Dies wäre ein spürbarer Rückschlag für die Wiederannäherung Colombos an Washington und andere Mitglieder der internationalen Gemeinschaft.“

Allerdings ändert sich die politische Situation rapide. Je mehr sich die Versprechen Sirisenas und der UNP-geführten Regierung, die früheren Angriffe auf die Lebensbedingungen und demokratischen Rechte rückgängig zu machen, als leere Rhetorik erweisen, wächst die Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse. Die Regierung von Sirisena und Wickremesinghe setzt die gleichen repressiven Methoden ein, um die Kämpfe der Arbeiter, Studenten und Armen zu unterdrücken, wie die Rajapakse-Regierung. Die Polizei griff mehrfach Universitätsstudenten an, um Proteste gegen Kürzungen im Bildungsbereich zu unterdrücken. Soldaten wurden vergangenen Monat in Krankenhäusern eingesetzt, um einen Streik des Krankenhauspersonals zu brechen.

Die Wirtschaft steht am Rande des Abgrunds. Am vergangenen Freitag erklärte Zentralbankgouverneur Arjun Mahendran dem Sender Bloomberg, die Regierung wolle Kredite in Höhe von „Dutzenden Milliarden Dollar“ aufnehmen, unter anderem in den USA, der EU und Japan, um teurere Kredite umzuschulden.

Sirisenas Regierung beschuldigte das Rajapakse-Regime, immer mehr Schulden gemacht zu haben. Aber in den sechs Monaten ihrer Amtszeit hat die gegenwärtige Regierung bereits Kredite in Höhe von 378 Mrd. Rupien (2,8 Mrd. Dollar) mittels der Ausgabe von Staatspapieren und Anleihen aufgenommen und damit die Zahl von 260 Mrd. Rupien für das ganze letzte Jahr noch übertroffen. Anfang des Monats nahm die Regierung eine weitere Milliarde Dollar durch die Ausgabe von zehnjährigen Staatsanleihen auf.

Die Probleme für Sirisena und die Regierung verschärfen sich noch dadurch, dass die Anhänger Rajapakses innerhalb der UPFA immer lauter für seine Kandidatur zum Amt des Ministerpräsidenten eintreten. An der Spitze dieser Kampagne stehen chauvinistische Parteien wie die Mahajana Eksath Peramuna, die National Freedom Front und ein Teil der SLFP.

Rajapakse hat sich darauf konzentriert, politische Aktivitäten in buddhistischen Tempeln zu organisieren und die reaktionärsten Schichten der Bevölkerung unter der Parole der „Verteidigung des Mutterlandes“ zu mobilisieren. Er und seine Handlanger beschuldigen die Regierung, sie hätte der besiegten LTTE erlaubt, wieder ihr Haupt zu erheben, und dadurch den Sieg im Bürgerkrieg von 2009 verraten. Auch singhalesische Wirtschaftsgrößen, die von Rajapakses Politik profitiert haben, unterstützen diese Propaganda.

Als Teil dieser Kampagne wurden bereits Misstrauensanträge gegen Wickremesinghe, Finanzminister Ravi Karunanayake und Innenminister John Amaratunga eingebracht. Sirisena hat angesichts dieses lautstarken Vorstoßes für eine Rückkehr an die Macht praktisch die Kontrolle über die SLFP und die UPFA verloren. Mit der Auflösung des Parlaments versucht er daher, seinen politischen Verbündeten einen Rettungsring zuzuwerfen.

Offiziell will Sirisena eine Nominierung Rajapakses aus der SLFP heraus nicht zulassen, die er formell immer noch führt. Aber er sucht gleichzeitig einen Kompromiss mit Rajapakse, dem er einen hohen Ehrenposten angeboten hat, was dieser jedoch ablehnte. Die Sunday Times berichtete, dass Sirisena kürzlich Diskussionen mit Rajapakse geführt habe. Details darüber wurden nicht bekannt.

Wie auch immer diese Entwicklungen ausgehen, bei den Wahlen im Januar hat Washington bereits klargemacht, dass es in Colombo nur eine Regierung dulden will, die seiner Kriegsagenda gegen China nicht in die Quere kommt. Der designierte US-Botschafter in Sri Lanka, Atul Keshap, sagte im außenpolitischen Ausschuss des Senats bei der Anhörung zu seiner Nominierung: „Wenn wir unsere Interessen in der indisch-pazifischen Region verfolgen, wird Sri Lanka dabei ein wichtiger Partner sein.“ Washington hält zugleich die Drohung mit UN-Menschenrechtsklagen aufrecht, um jede Opposition auf Linie zu bringen.

Trotz der Gegensätze und Spaltungen zwischen den etablierten Parteien ist ihnen eines gemeinsam: ihre Furcht vor dem Ausbruch sozialer Kämpfe. Diesen Monat gingen 47.000 Beschäftigte im Gesundheitswesen in den Streik. Letzte Woche protestierten Leiharbeiter nahezu aller Ministerien für bessere Arbeitsbedingungen. Studenten befinden sich in anhaltenden Protesten.

Sirisena und Wickremesinghe haben wiederholt eine „nationale Regierung“ nach der Wahl gefordert, und Rajapakse versucht, auf einer chauvinistischen Welle an die Macht zurückzukehren. Unabhängig von ihren Differenzen untereinander bereiten alle heftige Angriffe auf die Arbeitsplätze und Löhne der Arbeiterklasse vor.

Dennoch fordern die pseudolinken und kleinbürgerlichen Gruppen ein neues Bündnis mit Parteien des politischen Establishments mit dem Argument, man müsse Rajapakse stoppen. Die Socialist Equality Party wird an der Wahl als einzige Partei teilnehmen, die für die Perspektive des internationalen Sozialismus gegen imperialistischen Krieg und soziale Konterrevolution kämpft.

Loading