Der amerikanische Kongress und das Weiße Haus diskutieren derzeit über den Bundeshaushalt für das kommende Haushaltsjahr, das im Oktober beginnt. Zwar bestehen innerhalb der herrschenden Klasse diverse taktische Differenzen. Doch in einem Punkt sind sich die Politiker praktisch vollkommen einig: Der Etat für die ohnehin schon riesige Kriegsmaschinerie des Pentagon soll deutlich erhöht werden.
Obamas neuer Verteidigungsminister Ashton Carter stellte sich Mitte vergangener Woche an die Spitze dieser Aufrüstungskampagne und erklärte, der Präsident werde sein Veto gegen jeden Haushaltsplan einlegen, der nicht die Abschaffung der Obergrenzen für Militärausgaben vorsehe.
Diese Obergrenze war 2011 im Rahmen der Zwangskürzungen (Sequestrierung) eingeführt worden. Der Kongress hat in den letzten Jahren zwar immer wieder Möglichkeiten gefunden, diese Deckelung zu umgehen. Jetzt fordert das Pentagon aber, dass sie offiziell abgeschafft werde.
Carter begründete diese Forderung folgendermaßen:
"Wir müssen die finanzielle Unsicherheit abschaffen, die unser Pläne behindert und uns zu ineffizienten Entscheidungen zwingt, während wir sicherstellen wollen, dass unser Militär auch weiterhin das Beste der Welt ist. Langfristig müssen wir wieder zu einer normalen Haushaltsplanung kommen (...), um unserer Verantwortung gerecht zu werden, dieses Land und die globale Ordnung zu verteidigen."
In diesen Sätzen wird der übliche Vorwand, die USA führten Krieg, um Menschenrechte oder Demokratie zu verteidigen, gänzlich fallengelassen. Der Verteidigungsminister erklärt, die Vereinigten Staaten müssten "die Heimat verteidigen, weltweit für Sicherheit sorgen, ihre Macht ausüben und entscheidende Siege erringen". Mit anderen Worten, das amerikanische Militär müsse in der Lage sein, die Welt zu erobern, und dazu benötige es unbegrenzte Mittel.
Die USA ähneln immer mehr einem Militärstaat, dem riesige Geldmittel für Unterdrückungs- und Kriegsmittel zur Verfügung stehen. Die Größe des heutigen US-Militärapparats stellt alles in den Schatten, was sich Präsident Dwight Eisenhower hätte träumen lassen, als er vor einem halben Jahrhundert vor der Macht des "militärisch-industriellen Komplexes" warnte.
Obamas Haushaltsplan sieht einen "Grundbetrag" für Militärausgaben von 561 Milliarden Dollar vor. Dieser Betrag liegt 38 Milliarden Dollar über der sequestrierten Obergrenze. Hinzu kommen weitere 51 Milliarden Dollar Militärausgaben aus dem Etat für zusätzliche Kriegseinsätze in Übersee (OCO, Overseas Contingency Operations). Die Republikaner im Repräsentantenhaus hatten sich in ihrem Haushaltsentwurf offiziell an die Ausgabenobergrenze gehalten, jedoch weitere zweistellige Milliardenbeträge für OCOs vorgesehen, um die Differenz auszugleichen.
Für das gesamte Bildungsministerium sieht Obamas Haushaltsplan dagegen nur siebzig Milliarden Dollar vor, und 84 Milliarden Dollar für Lebensmittelmarken, mit denen schätzungsweise 46 Millionen Arme unterstützt werden müssen. Für Katastrophenhilfe sind im Haushaltsplan etwa sieben Milliarden Dollar vorgesehen.
Demokraten und Republikaner verlangen Kürzungen bei wichtigen Sozialprogrammen wie Medicare und Social Security, während sie gleichzeitig Milliarden in die amerikanische Kriegsmaschinerie pumpen.
Carter behauptet, der Etat des Pentagon sei notwendig, um die Streitkräfte zu finanzieren. Die Teilstreitkräfte Army, Navy, Marine Corps und Air Force umfassen zusammen fast zwei Millionen Soldaten, was bedeutet, dass einer von je 150 amerikanischen Bürgern heute Soldat ist.
Das Militär will zudem neues Gerät in großem Stil anschaffen, um seine ohnehin schon riesige Kriegsmaschinerie weiter auszubauen.
Die Navy will zwei neue Lenkraketenzerstörer zum Preis von je anderthalb bis zwei Milliarden Dollar anschaffen, die in Europa oder Asien eingesetzt werden sollen. Die Air Force fordert hunderte neue Jagdflugzeuge vom Typ F-35 A, von denen jedes über hundert Millionen Dollar kostet. Weitere Milliarden sind für den Kauf von Drohnen vorgesehen, die pro Stück zweistellige Millionenbeträge kosten. Sie sollen Bomben über dem Nahen Osten und Afrika abwerfen.
Die Diskussion über den Militärhaushalt macht deutlich, dass Krieg zum zentralen Thema der Politik der herrschenden Klasse Amerikas geworden ist. 1991, kurz vor der Auflösung der Sowjetunion, hatte Präsident George H.W. Bush eine "neue Weltordnung" ausgerufen, eine dauerhafte Pax Americana (Amerikanische Vorherrschaft).
Dabei bedeutete das Ende der UdSSR keineswegs den endgültigen Triumph des amerikanischen Kapitalismus. Vielmehr erreichte die globale Krise des Nationalstaatensystems ein qualitativ neues Stadium und das internationale Kräftegleichgewicht seit dem Zweiten Weltkrieg bricht immer schneller auseinander.
Dieses Gleichgewicht war auf der Grundlage der wirtschaftlichen und industriellen Vorherrschaft des amerikanischen Kapitalismus errichtet worden. Deshalb beschleunigte der anhaltende Niedergang der amerikanischen Wirtschaftsmacht diese Krise, die durch den Untergang der Sowjetunion noch weiter verschärft wurde.
Gleichzeitig fühlte sich die amerikanische Wirtschafts- und Finanzaristokratie nicht länger von der Existenz der Sowjetunion eingeschränkt. Die US-Elite versuchte Amerikas wirtschaftlichen Niedergang dadurch auszugleichen, dass sie seine nach wie vor überragende Militärmacht nutzte, um mögliche Konkurrenten auf der Weltbühne in Schach zu halten, einzuschüchtern, anzugreifen und nötigenfalls zu vernichten.
Fast ein Vierteljahrhundert später sind die Vereinigten Staaten in eine endlose Reihe von Invasionen, Besetzungen, Kriege zur Aufstandsbekämpfung und verdeckte Operationen in fast jedem Winkel der Welt verstrickt. Parallel dazu erobern sie den Weltraum und führen Krieg im Cyberspace.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Laut einer Zählung waren amerikanische Truppen oder Sondereinsatzkräfte im letzten Jahr in 133 Ländern im Einsatz, d.h. in 70 Prozent aller Staaten der Welt. Diese Liste beinhaltet offene Kriege wie im Irak und in Afghanistan; den ausgeweiteten "Krieg gegen den Terror" im Nahen Osten und Nordafrika; das massive Militäraufgebot gegen Russland in Osteuropa und die "Konzentration auf Asien" – ein Netzwerk von Militärbasen und Bündnissen, das sich gegen China richtet.
Der Versuch des amerikanischen Imperialismus, seinen langfristigen wirtschaftlichen Niedergang mit militärischen Mitteln auszugleichen, ist erfolglos und wahnsinnig: Er verursacht eine Katastrophe nach der anderen. Jedes Land, das das Pech hat, ins Fadenkreuz des US-Imperialismus zu geraten, wird ins Chaos gestürzt. Doch keine noch so blutige Operation kann den Niedergang des amerikanischen Kapitalismus oder den Aufstieg von Konkurrenten wie China aufhalten.
Das Debakel, das Washington durch seinen rücksichtslosen Einsatz militärischer Gewalt verursacht, drängt die herrschende Klasse nur dazu, das Ausmaß ihrer Militäroperationen und die Liste möglicher Feinde ständig zu vergrößern und sich sehr bewusst und vorsätzlich auf einen Weltkrieg vorzubereiten.
Die Widersprüche, mit denen der amerikanische Imperialismus konfrontiert ist, kamen diesen Monat deutlich zum Ausdruck: Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien erklärten trotz direkter Appelle der Obama-Regierung, sie wollten sich an der von China unterstützten Asiatischen Investitionsbank für Infrastruktur beteiligen.
Das ist ein demütigender Schlag für die USA. Die imperialistischen Großmächte, die nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen waren, ihre Interessen in einem Rahmen zu verfolgen, der von den USA abgesteckt wurde, rüsten heute wieder auf. Einige von ihnen – vielleicht Deutschland, vielleicht auch Japan – bringen sich dadurch unweigerlich in direkten Konflikt mit den USA selbst.
Die Pax Americana hat sich zu einem ausgewachsenen Bellum Americanum (amerikanischer Kriegsdrang) entwickelt.
Dabei ist noch ein weiterer Faktor von immenser Bedeutung: die riesigen sozialen Widersprüche innerhalb der USA selbst. Das Zusammenspiel aus extremer Ausbeutung durch die Finanzaristokratie und den immer umfangreicheren Forderungen des Militär- und Geheimdienstapparates treibt die amerikanische Gesellschaft in den Bankrott. Die sozialen Spannungen nehmen immer gefährlichere Ausmaße an.
Daher bringt die herrschende Klasse ihre militärische Stärke immer direkter gegen den sozialen Widerstand im eigenen Land in Stellung, indem sie die Polizei, das Militär und die Geheimdienste zu einer "totalen Armee" zusammenfügt.
Damit macht die Krise des amerikanischen Kapitalismus im In- und Ausland deutlich, mit welchen Mitteln die drohende Gefahr von Atomkrieg und Diktatur bekämpft werden muss: Dies ist allein durch Klassenkampf und soziale Revolution möglich.