Urteil im Achenbach-Prozess:

Kunst-Markt und Kriminalität

In Essen wurde am 16. März das Urteil gegen den „Kunst-Berater“ Helge Achenbach gesprochen, der zahlreiche Superreiche mit moderner Kunst versorgt und dabei etliche Millionen illegal für sich selbst abgezweigt hatte.

Der Strafprozess vor der Großen Strafkammer des Landgerichts hatte im Dezember 2014 begonnen. Achenbach wurde Betrug, Urkundenfälschung und Untreue vorgeworfen. Er gestand die Straftaten und wurde u. a. wegen Betrugs in 18 Fällen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.

Achenbach hatte seine reichen, nicht gerade kunstverständigen Kunden überzeugt, dass ihr Geld in Kunst gut investiert sei, und dabei selbst ein Vermögen zusammengerafft.

Vor Gericht ging es zwar nicht um Kunst und den Schindluder, der damit getrieben wird, sondern darum, den schwerreichen und nicht gerade kunstverständigen Opfern zu dem entgangenen Geld zu verhelfen. Trotzdem wirft der Prozess einige wichtige Fragen auf. Er wirft ein Licht auf die absurden Verhältnisse auf dem gegenwärtigen Kunstmarkt und die darauf tätigen Akteure.

Helge Achenbach, der 1952 geborene Sohn eines Bahnbeamten, studierte Sozialpädagogik in Düsseldorf, war Vorsitzender der Allgemeinen Studentenausschusses und Mitglied des SHB, der sozialdemokratischen Studentenorganisation der 1970er Jahre. Zusammen mit einem Kollegen eröffnete er 1973 eine Galerie, die vor allem Künstler der Gruppe Zero (Heinz Mack, Otto Piene und Günter Uecker) ausstellte, und arbeitete sich dann im Galeriegeschäft allmählich nach oben. Ab 1977 betätigte er sich nach amerikanischem Vorbild als Art Consultant, als kommerzieller Kunstberater.

In dieser Funktion knüpfte er weltweit Kontakte zu gerade bekannt werdenden Gegenwartskünstlern an und vermittelte ihre Werke an potente Käufer und Museen. So sorgte er während der documenta IX zusammen mit einigen anderen dafür, dass die Monumentalskulptur Puppy von Jeff Koons vor dem Residenzschloss Arolsen aufgestellt wurde. Er beriet zahlreiche Wirtschaftsunternehmen beim Aufbau ihrer Sammlungen und baute etliche private Kunstsammlungen auf.

Ein Auftrag seiner Art Consulting Firma war die künstlerische Ausstattung des neu gebauten Klöckner-Hauses in Duisburg mit einem Auftragsvolumen von 600.000 DM. 1992 eröffnete Achenbach am Kaiserswerther Markt in Düsseldorf eine neue, von dem Architekten Rudolf Küppers entworfene Firmenzentrale mit 2000 Quadratmetern Bürofläche. Mit zunehmender Krise wurden die Unternehmen vorsichtiger bei ihren Ausgaben für Kunst und Achenbach verlagerte sein Geschäft mehr auf schwerreiche Privatkunden.

Mit dem verdienten Geld versuchte er sich auch in der Gastronomie und gründete einige nach Jörg Immendorfs Affenskulptur benannte „Monkey“-Restaurants, -Clubs und -Kneipen, was sich jedoch als „Minusgeschäft“ erwies. Wie er vor Gericht in Essen bekannte, war der Ausgleich der Verluste aus seinen gastronomischen Unternehmen ein Motiv dafür, dass er verdeckte Preisaufschläge verlangte und Rechnungen am Kopierer fälschte.

Nebenbei war Achenbach mit noch geringerem Erfolg für einige Jahre Präsident des Fußballvereins Fortuna Düsseldorf. Von 2002 bis 2014 war er Geschäftsführer und Miteigentümer der privaten „Sammlung Rheingold“. Er vermittelte u. a. Werke von Jörg Immendorff, Thomas Struth, Gerhard Richter, Andreas Gursky, Thomas Schütte, Bernd und Hilla Becher, Tony Cragg, Daniel Richter und Donald Judd. Zu seinen wichtigsten Geschäftskunden gehörte der milliardenschwere Aldi-Erbe Berthold Albrecht.

2011 gründete die Berenberg Bank zusammen mit Achenbach die Kunstberatung Berenberg Art Advice, die vermögende Familien und Sammlerdynastien ansprechen wollte. Aber schon Mitte 2013 wurde diese Gesellschaft wegen Unstimmigkeiten der Gesellschafter aufgelöst. Hintergrund war ein Vermittlungsgeschäft an den Pharma-Unternehmer Christian Boehringer.

Ab 2012 wurden Betrugsvorwürfe gegen Achenbach erhoben. So zeigte ihn die Witwe des 2012 verstorbenen Berthold Albrecht an, weil er diesen beim Aufbau von dessen Kunst- und Oldtimer-Sammlung um rund 60 Millionen Euro betrogen haben soll.

Auch der frühere Miteigentümer von Allkauf, Bernd Viehof, stellte eine Strafanzeige, Dabei soll es um ein oder mehrere Werke von Georg Baselitz gegangen sein, die von Achenbach vermittelt wurden. Der Umfang des mutmaßlichen Schadens soll zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Euro liegen.

Aufgrund der Betrugsvorwürfe trat Achenbach am 8. Juli 2014 als Geschäftsführer von „Rheingold“ zurück, sein Vermögensanteil an der Sammlung wurde von der Staatsanwaltschaft gesperrt. Seine diversen Firmen mussten Insolvenz anmelden.

Am 20. Januar 2015 verurteilte die 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf Achenbach zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 19.360.760,70 Euro an die fünf Erben von Berthold Albrecht. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Achenbach zusätzlich zu vereinbarten Provisionen unberechtigt einen Aufschlag in Höhe dieser Summe in Rechnung gestellt hatte, ohne Albrecht darüber zu informieren.

Was die Oldtimer angeht, bestreitet Achenbach die Betrugsvorwürfe bis heute und geht möglicherweise dagegen in Revision. Er behauptet, er habe seinen Duzfreund Albrecht über die Preisaufschläge aufgeklärt. Aber darüber gab es nichts Schriftliches.

Im Essener Prozess zeigte er dagegen mehrmals Reue und entschuldigte sich. In seinem Schlusswort sagte er unter Tränen, dass er sich für seine Taten schäme. Er wisse, dass er eine Freiheitsstrafe zu erwarten habe. Sein Anwalt argumentierte unter anderem, Achenbach habe im Grunde niemandem geschadet, denn der Aldi-Erbe habe sich die hohen Summen leisten können.

Geschadet hat Achenbach – und das trifft nicht nur auf ihn zu, sondern auf einen großen Teil der in der Kunstvermarktung Tätigen – vor allem den Künstlern und letztlich allen Menschen, die wirklich an Kunst Interesse haben.

Achenbach konnte seine Kunden nur in dieser Weise abzocken, weil der Kunstmarkt in den letzten Jahrzehnten – parallel zur Anhäufung geradezu obszöner Vermögen – Kunst immer mehr als Investition und Geldanlage oder als Spekulationsobjekt propagierte. Die Werke bestimmter Künstler wurden immer teurer gehandelt. Die Käufer waren meist nicht in der Lage, einen anderen Wert als ihren Marktwert zu verstehen. Das machte es Leuten wie Achenbach leicht, ihr Geld zu verdienen.

Im Prozess wurde deutlich, dass der Handel mit Kunst immer mehr zu einem für Milliardäre interessanten Investitionsgeschäft verkommen ist. Kunstwerke versprechen eine hohe Rendite, wenn man die Marktentwicklung der letzen Jahrzehnte betrachtet. Reiche Oligarchen, denen meist jedes fundierte Kunstverständnis fehlt, bezahlen ihre Consultants, die die Marktpreise im eigenen Interesse in die Höhe treiben.

Wenn dann die Werke womöglich in Tresoren oder Privatmuseen verschwinden, sind sie für ein größeres Publikum verschwunden. Niemand ist mehr in der Lage, sich mit ihnen auseinanderzusetzen oder sich an ihnen zu erfreuen. Ihre Funktion, die Welt zu sehen, zu verstehen und zu interpretieren, wird vollständig untergraben.

Zum einen werden Künstler propagiert und hoch gehandelt, von denen nicht klar ist, ob ihr Werk auch in einigen Generationen noch als Kunst anerkannt wird. Wird z. B. eine aufgeblasene Hundeskulptur von Jeff Koons für 58 Millionen Dollar in 50 Jahren noch als mehr gelten, als das skurrile Produkt eines aus den Fugen geratenen Kunstmarkts? Andere, durchaus ernstzunehmende Künstler werden dagegen bestenfalls von ihrer unmittelbaren Umgebung wahrgenommen und leben unter beständiger Existenznot, die ihnen oft kaum erlaubt, ihre künstlerischen Fähigkeiten zu entwickeln.

Zum anderen machen es die astronomischen Preise Museen im öffentlichen Besitz immer unmöglicher, aus ihrem Etat bedeutende Kunstwerke zu erwerben. Immer öfter sind sie darauf angewiesen, auf Leihgaben reicher Mäzene zurückzugreifen, die oft genug vor allem deren persönlichem Geschmack oder dem Finanzinteresse ihrer „Kunstberater“ entsprechen.

Nur eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft kann Kunst und Künstler vom kapitalistischen Markt befreien und ihnen die Bedingungen zur Entfaltung ihrer Kreativität schaffen, die sie benötigen.

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