Am Mittwoch informierten Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der Oberbefehlshaber der Nato für Europa, General Philipp Breedlove, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz über Manöver und Aufrüstungspläne der Militärallianz in Osteuropa, die die Gefahr eines Kriegs zwischen den Westmächten und Russland weiter erhöhen.
Treffpunkt war das Oberste Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE) im belgischen Mons, das als eines der beiden Hauptquartiere der Nato für Einsätze und Operationen der Nato-Streitkräfte zuständig ist.
Stoltenberg verkündete, dass die Beschlüsse des letzten Nato-Gipfels in Wales auf Grund des „andauernden aggressiven Vorgehens von Russland in der Ukraine“ und der „Herausforderungen im Osten wie im Süden“ schnell umgesetzt würden. Die Nato werde nun daran gehen, ihre „kollektive Verteidigung auszubauen, wie sie es nie mehr seit dem Ende des Kalten Kriegs getan hat“.
„Wir werden die schnelle Eingreiftruppe von 13.000 auf 30.000 Soldaten verdoppeln. Wir werden die schnelle Eingreiftruppe mit einer 5000 Mann starken ‚Speerspitze‘ ausstatten, die innerhalb von 48 Stunden einsatzbereit ist. Und wir werden sechs Kommandozentren in den baltischen Staaten und drei weiteren osteuropäischen Staaten einrichten,“ erklärte Stoltenberg.
Dann bedankte er sich bei den führenden Nato-Militärs dafür, dass sie den sogenannten „Readiness Action Plan“ umsetzen und sicherstellen, dass alle Versprechungen eingehalten werden, „die Einsatzbereitschaft und Vorbereitung unserer Streitkräfte zu erhöhen“. Die Nato-Staaten hatten sich in Wales verpflichtet, ihre Militärausgaben zu erhöhen und die Allianz vor allem in Osteuropa zu stärken.
Stoltenberg gelobte den „Schwung aufrecht zu erhalten“ und gab einen Überblick über die derzeitigen Nato-Manöver. Gegenwärtig führten Nato-Schiffe Übungen im Schwarzen Meer durch und die USA hätten 3000 Soldaten und Ausrüstung ins Baltikum geschickt. Im Süden bereite sich die Allianz mit 25.000 Soldaten auf „die größten Manöver seit vielen Jahren vor“.
Die Nato macht dabei keinen Hehl daraus, dass die schwer bewaffneten amerikanischen Truppen, die Anfang der Woche zusammen mit hunderten von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und anderen Militärgütern nach Estland, Lettland und Litauen verlegt wurden, Teil einen umfassenden militärischen Aufmarsches gegen Russland sind.
Die entsandten Waffen, zu der unter anderem Kampfpanzer vom Typ „Abrams“, und Schützenpanzer vom Typ „Bradley“ gehören, sollen Russlands Präsident Wladimir Putin „unsere Entschlossenheit zeigen, dass wir zusammenstehen“, erklärte US-Generalmajor John R. O‘Connor der Nachrichtenagentur AFP bei der Übergabe des Militärgeräts im Hafen der lettischen Hauptstadt Riga. Die Panzer würden in den baltischen Staaten bleiben, „so lange dies zur Abschreckung der russischen Aggression erforderlich ist“.
Breedlove unterstrich, dass die Allianz die „größte Veränderung seit dem Kalten Krieg“ in einer „durchdachten und einmütigen“ Art und Weise vornehme. Er habe viele Jahre in Europa gedient und dabei nie größeren „Zusammenhalt, Bereitschaft und Entschlossenheit innerhalb der Nato erlebt, die zukünftigen Herausforderungen gemeinsam anzugehen“. Er sei zuversichtlich, dass dies so weitergehen werde.
In Wirklichkeit haben in den letzten Wochen die Spannungen zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten, insbesondere Deutschland in der Ukraine-Krise zugenommen. In seiner aktuellen Ausgabe berichtet der Spiegel, Berlin sei verärgert darüber, dass „Washingtons Hardliner den Konflikt mit Moskau“ anheizen, „allen voran der Oberkommandeur der Nato in Europa“. Breedloves Meldungen über angebliche russische Truppenübungen hätten sich oft nicht mit den deutschen Information gedeckt.
Das Kanzleramt werfe dem amerikanischen General „gefährliche Propaganda“ vor, da er immer wieder „Ungenauigkeiten, Widersprüchliches, sogar Unwahrheiten“ verkünde. Der amerikanische General gelte als Scharfmacher. „Ich würde mir wünschen, dass sich Breedlove in politischen Fragen klug und zurückhaltend äußert“, zitiert der Spiegel einen führenden Außenpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen. Stattdessen habe die Nato „im Ukraine-Konflikt in der Vergangenheit immer dann eine neue russische Offensive“ ausgerufen, „wenn aus unserer Sicht gerade der Zeitpunkt für vorsichtigen Optimismus gewesen wäre“.
In Berlin habe man zwar „eine gemeinsame Linie des Westens gegenüber Russland immer als Bedingung für einen Erfolg der Friedensbemühungen“ angesehen, so der Spiegel. Doch der Streit sei „grundsätzlich“, da die transatlantischen Partner „unterschiedliche Ziele“ hätten.
Der Nachrichtenmagazin kommentiert: „Während die deutsch-französische Initiative [gemeint ist das Abkommen von Minsk] darauf abzielt, die Lage in der Ukraine zu stabilisieren, geht es den Falken in der US-Administration um Russland. Sie wollen Moskaus Einfluss in der Region zurückdrängen und Putins Herrschaft destabilisieren. Ihr Traumziel: Regime Change in Russland.“
Die Bundesregierung hat den Putsch in der Ukraine vor einem Jahr unterstützt und nutzt die Krise nun als Vorwand, um die Bundeswehr im Rahmen der Nato aufzurüsten und die wirtschaftlichen und strategischen Interessen des deutschen Imperialismus in Osteuropa auch militärisch zu verfolgen. Sie fürchtet aber eine Eskalation des Konflikts in der Ukraine, der sich zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen der Nato und Russland ausweiten könnte, auf den die Bundeswehr (noch) nicht vorbereitet ist.
Bei seinem Besuch in Washington rief Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) dazu auf, den Weg „über politischen und ökonomischen Druck“ gegenüber Russland fortzusetzen. Waffenlieferungen an die Ukraine, wie sie von Teilen der amerikanischen Eliten gefordert werden, könnten den Konflikt „in eine nächste Phase katapultieren“, warnte Steinmeier bei einer Veranstaltung des Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS). Waffen für Kiew würden die bisherige Strategie durchkreuzen, zwangsläufig zu einer Aufrüstung der pro-russischen Separatisten führen und am Ende nur „das Eskalationsniveau anheben“. Die Ukraine-Krise sei von Anfang an „kein Konflikt auf Augenhöhe“ gewesen, so der deutsche Außenminister.
US-Außenminister John Kerry lobte gegenüber Steinmeier zwar die französisch-deutschen Vermittlungsbemühungen, gleichzeitig heizen die USA den Konflikt jedoch weiter an. Am Mittwoch wurde bekannt, dass das Pentagon den Transport von unbemannten Drohnen, „Humvee“-Geländefahrzeugen und Radargeräten an Kiew vorbereitet. Auch die Sanktionsliste gegen Russland weitete die US-Regierung aus.
Das pro-westliche Marionettenregime in Kiew versteht das Zeichen und nutzt die fragile Waffenruhe im Donbass, um eine neue Eskalation vorzubereiten. „Die Waffenruhe bedeutet nicht, dass wir nicht zurückschießen“, drohte der ukrainische Präsident Pedro Poroschenko am Donnerstag in einer Sitzung des Sicherheits- und Verteidigungsrats in Kiew. „Parallel zur Erfüllung der Vereinbarungen verstärkt die Ukraine ihre Stellungen und erhöht ihre Verteidigungskraft“, heißt es in einem offiziellen Statement auf Poroschenkos Website. Er habe einen Plan für den Bau neuer militärischer Befestigungsanlagen im Donbass bestätigt. „Wir stocken das Kampfpotenzial unserer Streitkräfte aktiv und entschieden auf.“