Perspektive

Washington bereitet neues Blutbad im Nahen Osten vor

General Martin Dempsey, der Vorsitzende des Generalstabs (Joint Chiefs of Staff), teilte einem Kongressausschuss mit, dass US-Truppen nach Syrien geschickt werden könnten, um dort an der Seite sogenannter Rebellen zu kämpfen, die versuchen, das Regime von Präsident Bashar al-Assad in Damaskus zu stürzen. 

„Wenn sich der Kommandeur der Bodentruppen dort an mich oder den Verteidigungsminister wendet, weil er glaubt, dass Spezialtruppen an der Seite der Iraker oder den neuen syrischen Verbänden dorthin gebracht werden sollten …, wenn wir glauben, dass das nötig ist, um unsere Ziele zu erreichen, dann werden wir diese Empfehlung abgeben“, teilte Dempsey dem  Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses mit.

Vorher hatte Verteidigungsminister Ashton Carter gesagt, Washingtons Strategie im „syrischen Teil“ sei es, eine dritte Streitmacht zu schaffen. Diese solle gegen ISIL [die von der US-Regierung bevorzugte Abkürzung für den Islamischen Staat (IS)] kämpfen und die Bedingungen für den Sturz Bashar Al-Assads schaffen.

Außenminister John Kerry äußerte sich ähnlich. Er sicherte am Donnerstag während eines Besuchs in Saudi Arabien den sunnitischen Machthabern am Persischen Golf zu, dass die Atomverhandlungen mit dem schiitischen Iran die konterrevolutionäre Allianz Washingtons mit den Ölmonarchien nicht beeinträchtigen würden.

Kerry bestätigte, dass die Regierung einen Regimewechsel in Syrien anstrebe: „Letztlich wird nur eine Kombination von Diplomatie und Druck einen politischen Machtwechsel herbeiführen können“, teilte er Reportern mit und fügte hinzu, dass „militärischer Druck nötig sein könnte“.

Es ist immer deutlicher wahrzunehmen, dass diese Intervention sechs Monate, nachdem Präsident Obama den neuen Krieg im Irak und in Syrien ankündigte, an einem Wendepunkt angekommen ist. Der Bevölkerung der Region droht erneut ein furchtbares Blutbad.

Im Irak droht dieses unmittelbar bevorzustehen, nachdem die umfassende Belagerung von Tikrit, der Heimatstadt des früheren Diktators Saddam Hussein begonnen hat. Dieser war durch die US-Invasion 2003 gestürzt und unter der amerikanischen Besatzung durch Erhängen hingerichtet worden.

Ungefähr 30.000 Soldaten – von denen zwei Drittel aus schiitischen Milizen bestehen sollen, die vom Iran unterstützt werden – haben versucht, die überwiegend von Sunniten bewohnte Stadt zu umzingeln, die ungefähr 150 Kilometer nördlich von Bagdad am Tigris liegt. Diese Belagerung dient der Vorbereitung auf einen noch größeren Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak.

Etwa 30.000 Zivilisten sind Berichten zufolge aus Tikrit geflohen, weil sie um ihr Leben fürchten. Zehntausende befinden sich angesichts des zunehmenden Artilleriebeschusses noch in der Falle. Führer der schiitischen Milizen haben inzwischen offen zugegeben, dass sie den Angriff als Racheaktion für die Massaker des IS betrachten.

Das US-Militär beteiligt sich nicht an der Belagerung Tikrits. Als Begründung führt es an, das Regime in Bagdad habe es nicht um Hilfe gebeten. In Wirklichkeit hat Washington jegliche militärische Zusammenarbeit mit dem Iran ausgeschlossen, der ebenfalls weiterhin ein mögliches Ziel für eine amerikanische Intervention ist.

Vertreter der USA haben den Iran und die von Schiiten dominierte Regierung des irakischen Premierministers Haider al-Abadi davor gewarnt, die religiösen Spannungen weiter anzuheizen. „Das würde das Land zerreißen und die Fähigkeit des Irak schwächen, der Bedrohung des Landes standzuhalten“, meinte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest.

Das ist pure Heuchelei! Die religiösen Spannungen sind das unmittelbare Ergebnis des Irak-Kriegs und der Besetzung des Landes, in der mehr als eine Million Iraker getötet wurden. Das soziale Gefüge des Landes wurde in Stücke gerissen und mörderische Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen im Rahmen der gezielten Taktik des „Teile und Herrsche“ geschürt.

Der IS, das angebliche Ziel der US-Intervention, ist ein direktes Ergebnis der amerikanischen Invasion im Irak und des von den USA angefachten Kriegs in Syrien. Der IS und weitere sunnitische islamistische Milizen erhielten Geld, Waffen und logistische Unterstützung von Washingtons regionalen Verbündeten. Die CIA zog dabei die Fäden.

Washingtons erklärte Politik, die sogenannten gemäßigten Rebellen zu fördern, zu bewaffnen und auszubilden, damit sie sowohl den IS bekämpfen als auch einen Stellvertreterkrieg zum Sturz des Assad-Regimes führen, hat sich immer mehr zu einer verbrecherischen und zynischen Operation entwickelt.

Am letzten Wochenende löste sich die letzte der angeblich „gemäßigten“ syrischen Milizen, die Hazm (Bewegung der „Standhaften“), die von der CIA bewaffnet, ausgerüstet und sogar bezahlt wurde, offiziell auf. Sie war von der Al Nusra Front, dem al-Qaida-Ableger in Syrien, in der nördlichen Provinz Aleppo in die Flucht geschlagen worden. Modernste US-Waffen, darunter TOW-Raketen wurden alle Al Nusra überlassen, und etliche überlebende Mitglieder der Hazm-Miliz schlossen sich ihr an.

Nach diesem Debakel gibt es Anzeichen dafür, dass die USA einen Pakt mit al-Nusra anstreben. Das würde bedeuten, dass sie Washington mit al-Qaida gegen den IS verbündet, der selbst eine Abspaltung von al-Qaida ist. Die Regierung von Katar, einer der Hauptgeldgeber von al-Nusra, hat Berichten zufolge Druck auf die Gruppe ausgeübt, ihre offizielle Verbindung zu al-Qaida zu lösen, um diese Kehrtwende zu erleichtern.

Der schiere Zynismus, mit dem der geheimdienstlich-militärische Apparat und sein Frontmann Barack Obama ihren „Krieg gegen den Terror“ führen, wurde Anfang dieser Woche in der Erklärung des Nationalen Geheimdienstdirektors James Clapper im Rat für Auswärtige Angelegenheiten deutlich.

„In diesen Tagen gilt bald jeder, der nicht zum IS gehört, als gemäßigt“, sagte er. Die US-Geheimdienste und Vertreter des Militärs hätten „Leute ausgesucht, die nicht nur moderat sind, was auch immer das heißen mag. Wir sollen auch das Völkerrecht beachten, was in dieser Umgebung verdammt viel verlangt ist.“

Tatsächlich operiert der US-Imperialismus seit mehr als einem Jahrzehnt im Nahen Osten unter krasser Missachtung des Völkerrechts. Seit den Nürnberger Prozessen und der Verurteilung der Nazis sind Angriffskriege als Mittel, um staatliche Interessen zu verfolgen, völkerrechtlich verboten.

Clapper bezieht sich darauf, dass es international untersagt ist, al-Qaida zu bewaffnen. Diese Bestimmung lässt sich umgehen, wenn al-Nusra ihre offizielle Verbindung mit al-Qaida auflöst.

Jeder, der versucht, die Logik der US-Politik im Nahen Osten anhand der Erklärungen ihrer offiziellen Vertreter nachzuvollziehen, verirrt sich in einem Labyrinth von Widersprüchen. Im Irak befindet sich Washington im Kampf gegen den IS de facto in einem Bündnis mit dem Iran und schiitischen Milizen. In Syrien unterhält es Verbindungen zu sunnitischen Milizen, angeblich um sowohl den IS zu bekämpfen als auch die syrische Regierung zu stürzen, die ihrerseits vom Iran unterstützt wird. 

Im 14. Jahr des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ schickt sich der militärisch-geheimdienstliche Apparat der USA nun an, eine Organisation, die mit al-Qaida verbunden ist, in seine Elitetruppe für den „Kampf gegen den Terror“ und „für Demokratie“ zu verwandeln.

Soweit überhaupt eine kohärente Politik erkennbar wird, ist es eine, die überall zu Kriegen und politischer Instabilität führt. Sie fördert einen Kampf jeder gegen jeden mit dem Ziel, alle Länder und Regierungen zu schwächen, um die energiereiche Region dem US-Imperialismus zu unterwerfen. Die Aggression der USA im Nahen und Mittleren Osten dient dabei nur der Vorbereitung weiterer Kriege gegen die Verbündeten von Damaskus: den Iran und Russland.

Für die Völker im Nahen Osten beschwört diese Politik genauso wie für die amerikanische und internationale Arbeiterklasse eine Katastrophe herauf.

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