Am Mittwoch übergab die Obama-Regierung dem Kongress ihren Entwurf für ein neues Gesetz zur „Genehmigung für den Einsatz militärischer Gewalt“ (Authorization for Use of Military Force oder AUMF). Es richtet sich angeblich gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien (IS).
Barack Obama gab aus dem Weißen Haus eine achtminütige Erklärung zum neuen Gesetzesentwurf ab, der ihm freie Hand für eine Eskalation des Kriegs im Nahen Osten und in andere Weltregionen gibt. Sowohl der Resolutionsentwurf, als auch die Erklärung des Präsidenten waren mit Lügen und Zweideutigkeiten gespickt, um die weitreichenden Konsequenzen des neuen Gesetzes zu verschleiern.
Obama fordert vom Kongress, militärischen Operationen zuzustimmen, die sich gegen den IS oder mit ihm verbundene Personen oder Kräfte richten, die „in seinem Auftrag oder im Bündnis mit ihm oder anderen engen Nachfolgeorganisationen in Feindseligkeiten gegen die Vereinigten Staaten oder ihre Koalitionspartner verwickelt sind“.
Unter diese Formulierung können die unterschiedlichsten Organisationen und Personen fallen. Nicht nur islamistische Gruppen im Nahen Osten und in Nordafrika, sondern auch einheimische „Zellen“ in Australien, Frankreich oder den Vereinigten Staaten und praktisch jede Person, die von den USA beschuldigt wird, den IS zu unterstützen.
Für die militärischen Operationen, welche die Resolution legitimieren soll, gibt es keine geografischen Grenzen. Mit einem Brief an den Kongress, der den IS als „Bedrohung vom Nahen Osten bis in die amerikanische Heimat“ bezeichnet, unterstrich Obama den globalen Charakter des neuen Kriegs.
Die Bestimmung, dass das Gesetz nach drei Jahren ausläuft, falls es nicht erneuert wird, ist kaum von Bedeutung. Auch der Patriot Act wurde trotz ähnlicher Bestimmungen immer wieder verlängert. In seiner Erklärung betonte Obama, die Dreijahresfrist sei nicht als „Zeitplan“ für militärische Maßnahmen zu verstehen und könne vom Kongress auch unter seinem Nachfolger im Weißen Haus verlängert werden.
Der Gesetzesentwurf versucht der amerikanischen Bevölkerung, die in ihrer großen Mehrheit gegen Krieg ist, vorzugaukeln, dass die neuen Operationen begrenzt wären. So heißt es in der Resolution, „dauerhafte offensive Bodenkämpfe“ seien nicht vorgesehen.
Auch hier erlauben die Formulierungen praktisch jede Art der Interpretation für militärische Aktionen. Was „dauerhaft“ und „offensiv“ ist, wird nirgendwo näher definiert. Umfassende Kampfeinsätze im Irak, Syrien oder anderswo können mit der Begründung gerechtfertigt werden, sie seien nicht „dauerhaft“ oder „defensiv“.
Obama behauptete, die Resolution sehe „keinen Einsatz von US-Bodentruppen im Irak und in Syrien vor“. Das ist schlicht eine Lüge. Obama hat letztes Jahr 1.500 US-Soldaten in den Irak entsandt, von denen viele schon an Kampfeinsätzen beteiligt waren. Die Resolution würde eine starke Ausweitung solcher Einsätze ermöglichen.
Bislang lässt die US-Regierung im Irak und anderswo hauptsächlich einheimische Kräfte die Drecksarbeit machen, während amerikanische Soldaten als „Berater“ aktiv sind und „Sondereinsätze“ durchführen. Das könnte sich schnell ändern. Obama hat klar gemacht, dass die Resolution die „notwendige Flexibilität“ ermöglicht, um „auf unerwartete Umstände reagieren zu können“. Die neue Resolution würde den Einsatz von Kampftruppen in Syrien zumindest dann erlauben, wenn er als begrenzt und „defensiv“ deklariert würde.
Der ganze Entwurf ist vollkommen zynisch und ein pseudo-legales Feigenblatt für einen illegalen Krieg.
Die ganze Art und Weise, wie die Resolution eingebracht wurde – inklusive der pflichtschuldigen Erklärung des Präsidenten am helllichten Tag – unterstreicht die Verachtung, die das politische Establishment für grundlegende demokratische Abläufe hegt und wie sehr es den Willen der amerikanischen Bevölkerung verachtet. Alle Entscheidungen über ein militärisches Vorgehen werden hinter den Kulissen von einer Verschwörung von Militär- und Geheimdienstagenten getroffen, als deren Sprecher Obama fungiert.
Noch im Jahr 2002, vor der Invasion der Bush-Regierung im Irak, hielt es das Establishment für nötig, eine Debatte und Abstimmung im Senat durchzuführen und angebliche Fakten (in Wirklichkeit Fälschungen) und Argumente vorzulegen, um den Krieg zu rechtfertigen. Heute werden Krieg und militärische Maßnahmen einfach durchgeführt, und die Bevölkerung wird im Anschluss vor vollendete Tatsachen gestellt.
Der Resolutionsentwurf für den Krieg gegen den IS kommt fast ein halbes Jahr, nachdem die Obama-Regierung die Bombardierung des Irak und Syriens begonnen hat. Im Rahmen dieser jüngsten Kampagne der USA, den Nahen Osten zu erobern, fanden bereits mindestens 2.000 Luftschläge statt.
Die Kriegsresolution ist nur der letzte Schritt im langen und tragischen Konflikt der Völker des Nahen Ostens mit dem US-Imperialismus. Sie löst die Kriegsresolution aus dem Jahr 2002 ab, die damals dazu diente, nach dem Golfkrieg von 1991 und nach zehn Jahren brutaler Sanktionen in den Irak einzumarschieren. Sie sanktionierte einen Krieg, der über eine Million Iraker das Leben kostete und das ganze Land in Schutt und Asche legte.
Der IS ist selbst ein Produkt dieser Zerstörung und der Unterstützung der USA für islamistische Kräfte, um Gaddafi in Libyen und Baschar al-Assad in Syrien zu stürzen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Obama beantragte zwar die Resolution, betonte aber gleichzeitig, dass er sie eigentlich gar nicht benötige. Die Luftschläge würden in jedem Fall fortgesetzt. „Bestehende Regeln statten mich schon heute mit den Vollmachten aus, die ich benötige“, schrieb er in seinem Brief an den Kongress.
Damit bezog er sich auf die Kriegsresolution (AUMF), die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verabschiedet worden war. Sie gab bereits für eine ganze Reihe von Kriegen und Interventionen den juristischen Deckmantel, darunter die Operationen in Afghanistan, auf den Philippinen, in Georgien, dem Jemen, in Dschibuti, Kenia, Äthiopien, Eritrea, Somalia und im Irak.
Sie diente außerdem – direkt oder indirekt – als pseudo-juristische Rechtfertigung für Drohnenmorde, Entführungen, Folter, Militärtribunale, unbeschränkte Inhaftierung, massenhaftes Ausschnüffeln der Bevölkerung im Inland und den Aufbau eines Polizeistaats (Patriot Act, Ministerium für Heimatschutz, und Northern Command).
Obama hat den Standpunkt seines Vorgängers übernommen und sogar noch erweitert, dass der Präsident das Recht habe, unilateral und weltweit Militärschläge anzuordnen. Laut Verfassung hat eigentlich nur der Kongress das Recht, Krieg zu erklären. Doch das steht seit langem nur noch auf dem Papier.
Die neue AUMF ist noch breiter gefasst als die alte. Wie schon im Jahr 2001 dient das unmittelbar nächste Ziel (in diesem Fall der IS) als Vorwand für Operationen, welche die amerikanische Vorherrschaft in den wirtschaftlichen und geostrategischen Schlüsselregionen der Welt sicherstellen sollen.
Das Gesetz wird zu einem Zeitpunkt eingebracht, in dem die USA dabei sind, Europa in der Ukraine in einen Krieg mit Russland zu ziehen, ihre Operationen in Afrika zu verstärken und ihren „Pivot to Asia“ (Schwerpunktverlagerung nach Asien) voranzutreiben, um China militärisch und wirtschaftlich einzukreisen und zu isolieren.
Obama schloss seine Erklärung im Weißen Haus mit der Versicherung, dass die Resolution die USA nicht in einen „permanenten Kriegszustand”“ versetze. Fakt ist aber, dass hinter dem Rücken der Bevölkerung der „permanente Krieg“ bereits zum bestimmenden Merkmal der amerikanischen Außenpolitik geworden ist.