In der Wahl am Sonntag hat sich die Bevölkerung eindeutig gegen die Politik der Europäischen Union und die scheidende Regierung des konservativen Premierministers Antonis Samaras ausgesprochen. Die Koalition der Radikalen Linken (Syriza) wurde stärkste Kraft.
Laut ersten Prognosen des griechischen Innenministeriums gewann Syriza 36,34 Prozent der Stimmen, mehr als vorausgesagt worden war, und deutlich mehr als Samaras' Nea Dimokratia (ND), die 27,84 Prozent erhielt. Da die Partei mit der größten Stimmanzahl einen Bonus von 50 Sitzen erhält, wird Syriza im neuen Parlament wahrscheinlich149 Sitze haben, ND nur 76. Das sind nur zwei weniger als für die absolute Mehrheit von 151 von 300 Sitzen nötig wäre. Daher wird Syriza nach Partnern für eine Regierungskoalition suchen müssen.
Die rechtsradikale Partei Goldene Morgenröte wird vermutlich mit 6,30 Prozent der Stimmen und siebzehn Sitzen die drittstärkste Partei werden, gefolgt von der To Potami (Fluss) mit 6,03 Prozent und sechzehn Sitzen und der stalinistischen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) mit 5,47 Prozent und fünfzehn Sitzen. Die sozialdemokratische Pasok erhielt nur 4,72 Prozent, bzw. dreizehn Sitze und die (Unabhängigen Griechen), eine Abspaltung der ND, 4,68 Prozent, bzw. dreizehn Sitze.
Die Wähler sprachen sich gegen die Sparpolitik der EU aus, die einen wirtschaftlichen Zusammenbruch ausgelöst hatte, wie es ihn in Europa seit der Auflösung der UdSSR 1991 nicht mehr gegeben hat. Seit 2009 haben Arbeitsplatzabbau und Haushaltskürzungen Millionen von Griechen in die Arbeitslosigkeit gestürzt und sie ihrer Krankenversicherung beraubt. Griechenlands Wirtschaftsleistung ist um ein Viertel gesunken, die Löhne noch stärker. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent.
An der Wahlniederlage der traditionellen Parteien der griechischen Kapitalistenklasse, Pasok und ND, zeigt sich die Empörung der Masse der Bevölkerung über die Spardiktate der Banken. Syriza ist jedoch auch eine bürgerliche Partei, die an der EU und dem Euro festhält und den Kapitalismus verteidigt. Sie hat zwar vage Versprechen abgegeben, das Leben in Griechenland zu verbessern, hat jedoch hinter den Kulissen intensiv über eine Übereinkunft mit den europäischen Banken diskutiert.
Syriza-Chef Alexis Tsipras erklärte in seiner Siegesrede an der Universität von Athen, er werde eine "neue, tragfähige Lösung" für Griechenland und Europa finden. "Die Troika gehört der Vergangenheit an," sagte Tsipras. Damit meinte er die EU, die Europäische Zentralbank und den Internationalen Währungsfonds, die zusammen mit den Regierungen in Athen die Sparpolitik organisiert hatten.
Tsipras versprach Griechenlands Gläubigern, von denen die Organisationen, aus denen die "Troika" besteht, zu den wichtigsten gehören, gute Zusammenarbeit. Er erklärte, die griechische Regierung sei "bereit mit unseren Gläubigern über eine Lösung zu verhandeln, die für alle annehmbar ist" und werde alle "Kassandrarufe widerlegen. Es wird keinen Konflikt mit unseren Partnern geben."
Diese Äußerungen ähneln früheren Versprechen, eine Syriza-Regierung werde "einen ausgeglichenen Haushalt wahren und sich auf quantitative Ziele konzentrieren."
Tsipras' hauptsächliches Ziel ist es, sich mit den Banken in Europa zu einigen, unter anderem auf eine Revision der Bedingungen, unter denen Griechenland seine Schulden zurückzahlen muss. Tatsächlich gibt es in den herrschenden Klassen der USA und Europas Teile, die der Ansicht sind, eine solche Revision sei notwendig um sicherzustellen, dass Griechenland seine Staatsanleihen zurückzahlen kann.
Hohe Persönlichkeiten in Deutschland, das die Kampagne gegen eine Lockerung der Sparmaßnahmen angeführt hat, betonten, der Angriff auf die griechischen Arbeiter dürfe nicht an Stärke verlieren. Bundesbankpräsident Jens Weidmann betonte, die griechische Regierung dürfe keine "Versprechen abgeben, die sich das Land nicht leisten kann."
Alle Diskussionen über den Kurs der Politik finden im Rahmen der Verteidigung des Kapitalismus in Griechenland und ganz Europa statt. Tsipras hofft bestenfalls auf einige Zugeständnisse, die er als Sieg verkaufem kann, um Zeit zu gewinnen und einen weiteren Angriff auf die Arbeiterklasse vorzubereiten.
Die Arbeiterklasse in Griechenland und weltweit muss das volle Ausmaß des politischen Kampfes verstehen, der vor ihr liegt. In Person der Syriza-Regierung sind die Arbeiter mit einem entschlossenen Feind konfrontiert. Syriza hat in seinem Programm von Thessaloniki nur zwei Milliarden Euro neue Sozialausgaben versprochen, obwohl die EU seit 2009 Haushaltskürzungen in Höhe von mehr als 60 Milliarden Euro erzwungen hat. Aber selbst davon wird Syriza in den Verhandlungen mit seinen europäischen "Partnern" schnell abrücken.
Im Vorfeld der Wahl waren Syriza-Funktionäre hinter den Kulissen damit beschäftigt, Journalisten, Ökonomen und Politikern zu versichern, dass ihr Wahlsieg keine Gefahr für die Banken darstellen werde. Das europäische Nachrichtenportal EurActiv schrieb: "Wie Parteifunktionäre vertraulich erklärt haben, ist der Schlüssel zu Syrizas Aufstieg eine kalkulierte Mäßigung der linksradikalen Rhetorik, wegen der der Spiegel Tsipras im Jahr 2012 zu einem der 'gefährlichsten Männer Europas' ernannt hatte."
Der ehemalige Syriza-Vorsitzende Alekos Alavanos betonte vor zwei Tagen in einem Interview mit der Londoner Financial Times, die Partei werde keine Bedrohung für die Banken darstellen. "Sogar Tsipras' Vorgänger als Syriza-Parteichef, Alekos Alavanos, fragt sich, ob die Rhetorik der Partei und ihre Absichten zusammenpassen," schrieb die FT unter Berufung auf Alavanos' Aussage, Syriza sei heute "eine gemäßigte Partei."
Der Ökonom Jean-Marc Daniel versicherte in der französischen Sendung 20 Minutes, Syriza werde den Aktienportfolios der Begüterten und der Superreichen keinen langfristigen Schaden zufügen. "Der Aktienmarkt reagiert auf den Amtsantritt einer 'linken' Regierung immer mit Verlusten, aber er erholt sich nach und nach, wenn sie ihr Programm aufgibt. Das bemerkenswerteste an Alexis Tsipras ist, dass er sein Programm bereits jetzt verdünnt," sagte Daniel.
Wenn Vertreter des Finanzkapitals so offen und so zuversichtlich erklären, dass sie Syriza nicht als Bedrohung empfinden, dann deshalb, weil Syriza von den Banken und Geheimdiensten gründlich überprüft wurde. Seit Syriza 2012 in Griechenland zu einer starken politischen Kraft geworden ist, hat sich Tsipras öffentlich mit dem griechischen Militär getroffen, war mehrfach in die wichtigsten Hauptstädte der Eurozone und nach Washington gereist und hatte sich zuvor bereits als Bewunderer von Präsident Barack Obamas Wirtschaftspolitik bzeichnet.
Im Rahmen des prokapitalistischen und nationalistischen Programms von Syriza findet sich keine Lösung der Krise, mit der die griechische Arbeiterklasse konfrontiert ist. Dazu ist der Aufbau einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage einer internationalistischen und sozialistischen Perspektive erforderlich.