Die gleichzeitig gehaltenen Reden des amerikanischen Präsidenten Barack Obama und des kubanischen Präsidenten Raul Castro am Mittwochnachmittag markieren einen historischen Wendepunkt in der langen Suche nach einer Annäherung zwischen dem Castro-Regime und dem amerikanischen Imperialismus.
Die beiden Präsidenten gaben bekannt, dass Washington und Havanna wieder volle diplomatische Beziehungen aufnehmen und zum ersten Mal seit Januar 1961 wieder Botschafter austauschen werden. Damals hatte die kubanische Regierung alle amerikanischen Besitzungen auf der Insel verstaatlicht und die CIA hatte die gescheiterte Invasion in der Schweinebucht durchgeführt.
Zusätzlich gab Obama bekannt, dass die USA die Wirtschaftssanktionen gegen Kuba teilweise lockern werden. Das Außenministerium werde die Einschätzung Kubas als „staatlicher Förderer des Terrorismus“ überdenken. Eine Klassifizierung, die die tatsachlichen Verhältnisse auf den Kopf stellt.. In Wirklichkeit haben die USA kubanische Exilterroristen unterstützt und geschützt, die ein kubanisches Passagierflugzeug zum Absturz gebracht und Bombenanschläge auf Hotels und andere Angriffe begangen haben, die Tausende Menschenleben forderten. Diese Einschätzung als Förderer des Terrorismus zieht strikte amerikanische Finanzsanktionen und Beschränkungen nach sich.
Das Wirtschaftsembargo bleibt zwar offiziell in Kraft, weil es durch ein Gesetz des US-Kongresses beschlossen wurde, aber Obama nutzt seine Exekutivvollmachten, um die Durchsetzung des Embargos in mehreren Schlüsselbereichen abzuschwächen. Reisebeschränkungen amerikanischer Bürger nach Kuba werden gelockert und die Summe Geldes, die kubanische Auswanderer alle drei Monate nach Kuba schicken dürfen, wird deutlich von 500 Dollar auf 2000 Dollar erhöht. Andere US-Bürger werden ebenfalls solche Finanzierungen leisten dürfen. Weiter werden die Bankverbindungen ausgeweitet und US-Reisende werden zum ersten Mal mit Kreditkarten bezahlen dürfen, die von amerikanischen Banken ausgestellt wurden
US-Firmen sollen Telekommunikationsausrüstung exportieren und auch „die notwendigen Mechanismen installieren dürfen, inklusive der Infrastruktur zur Bereitstellung von Telefon- und Internetdiensten“. Firmen dürfen auch Baumaterialien, landwirtschaftliche Ausrüstung, Maschinen und andere Güter exportieren, „um den jungen privaten Sektor in Kuba zu stärken“ und „größere wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Staat zu ermöglichen“.
Diese Initiativen haben mehr als fünfzig Jahre auf sich warten lassen, nachdem Washington die diplomatischen Beziehungen mit Havanna abgerochen und eine strikte Wirtschaftsblockade gegen den Inselstaat verhängt hatte. Das war Teil einer konzertierten und lang anhaltenden Kampagne der Regierung, der CIA und des Pentagon, um die kubanische Regierung zu stürzen und ihre Führer zu ermorden.
Aber Washingtons Wut über die Maßnahmen der kubanischen Revolution gegen amerikanische Profitinteressen hat noch nicht nachgelassen. Die USA verfolgen nur eine andere Taktik, um die Maßnahmen rückgängig zu machen.
Obama signalisierte die veränderte Taktik mit den Worten: “Ich glaube nicht, dass wir ewig mit den Methoden weitermachen können, die mehr als fünf Jahrzehnte lang nicht gewirkt haben.“ Obama ist Chef der elften US-Regierung, die der Führer der kubanischen Revolution von 1959, Fidel Castro und sein Bruder Raul, überlebt haben.
Obama erklärte, dass Washington weiterhin „Themen im Zusammenhang mit Demokratie und Menschenrechten in Kuba“ verfolgen werde. Damit meinte er die Einsetzung eines amerikanischen Marionettenregimes und die Wiederherstellung der Beziehungen wie vor 55 Jahren unter dem Diktator Fulgencio Batista
Ein Gefangenenaustausch diente als Augenwischerei für die Annäherung. Die kubanische Regierung ließ den Mitarbeiter der Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (USAID) Alan Gross frei, der wegen seiner erfolgreichen Beteiligung an einer der Destabilisierungsaktionen gegen das Regime zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Außerdem wurden 53 inhaftierte Kubaner freigelassen, von denen die meisten mit der von den USA finanzierten „Dissidentenbewegung“ auf der Insel zusammengearbeitet hatten. Schließlich noch ein kubanischer Bürger, der als wichtige CIA-Quelle bezeichnet wurde und der seit mehr als zwanzig Jahren im Gefängnis saß.
Washington ließ im Gegenzug die drei übriggebliebenen Mitglieder der „fünf Kubaner“ frei. Das sind kubanische Geheimdienstler, die nach Miami, Florida, geschickt worden waren, um die Terroristengruppen zu beobachten, die Bombenanschläge auf der Insel durchgeführt hatten. Sie waren 1998 aufgeflogen und eingesperrt worden.
In seiner Fernsehansprache hob Raul Castro die Freilassung dieser drei Männer hervor, für deren Freiheit in den vergangenen fünfzehn Jahren eine nationale und internationale Kampagne geführt worden war. Nach einem Prolog, in dem er seine Entschlossenheit bekräftigte, Kubas „nationale Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“ zu verteidigen und einen“ blühenden und nachhaltigen Sozialismus aufzubauen“, sagte der kubanische Präsident: „Dass Obama die gefangenen Kubaner freigelassen hat, „verdient Respekt und die Anerkennung unseres Volkes“.
Erst nach der Hälfte der Rede erwähnte Castro die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen. Er warnte vor zu großen Erwartungen: „Das bedeutet keineswegs, dass die grundlegenden Fragen gelöst sind. Die Wirtschafts- Handels- und Finanzblockade, die enormes menschliches Leid und wirtschaftlichen Schaden anrichtet, muss aufgehoben werden.“ Aber er fügte hinzu: „Der Präsident der Vereinigten Staaten kann ihre Anwendung mithilfe seiner Exekutivvollmachten modifizieren.
Die Wahrheit ist, dass Kuba seine Annäherung an den US-Imperialismus fast völlig zu dessen Bedingungen durchführt.
Die gemeinsame Ankündigung war das Ergebnis von mehr als achtzehnmonatigen Geheimverhandlungen unter der Schirmherrschaft Kanadas und des Vatikans. Papst Franziskus sprach seinen herzlichen Glückwunsch zu dieser historischen Entscheidung aus und die Kirchenglocken läuteten in Havanna und anderen Städten. Offenbar hofft die katholische Kirche, dass sie ihren verlorenen Einfluss und Besitz auf der Insel wiedererlangen kann.
Die Veränderungen hängen mit einem neuen Kurs der kubanischen Regierung zusammen, die seit fünf Jahren um jeden Preis engere Beziehungen zu Washington sucht. Gleichzeitig hat sie eine Anzahl Maßnahmen ergriffen, die ausländische Investitionen und Privatunternehmen stimulieren und durch die kubanische Revolution gewonnene Reformen zurückdrehen sollen.
Das bedeutet die Zerstörung von Arbeitsplätzen im Staatssektor, die radikale Revision des Gesetzes über Auslandsinvestitionen und die Eröffnung eines neuen Hafens in Mariel sowie die Einrichtung einer 180 Quadratkilometer großen „Sonderwirtschaftszone“ nach chinesischem Muster. Havanna bietet ausländischen Investoren volle Eigentumsrechte, Steuerbefreiungen und billige und vom Staat disziplinierte Arbeitskräfte. Die Regierung spielt den Arbeitsvermittler.
Amerikanische Wirtschaftsinteressen haben schon seit längerem auf ein Ende der Politik gedrängt, die nach ihrer Ansicht lukrative Profitmöglichkeiten in Kuba den europäischen und asiatischen Konkurrenten überließ. Erst im Mai hatte die Amerikanische Handelskammer eine Delegation von mehr als einem Dutzend Wirtschaftsführer auf die Insel entsandt, um die Reformen des Castro-Regimes zu begutachten und die Aussichten für Investitionen in Kuba auszuloten.
Weitergehende geostrategische Ziele der USA spielen ebenfalls in das Tauwetter in den Beziehungen hinein. Washingtons Kubapolitik isolierte die USA. In Lateinamerika und international wird die Blockadepolitik Washingtons durchgängig abgelehnt. Außerdem haben die USA ein Interesse daran, die engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen von Havanna zu Russland und China zu stören. Beide Länder sind Ziele militärischer Drohungen der USA.
Die gemeinsamen Ankündigungen Barack Obamas und Raul Castros sind historisch – auch deswegen, weil kleinbürgerliche Nationalisten in Lateinamerika und pseudolinke Elemente in Europa, Nordamerika und anderswo seit langem die Auffassung verbreiten, dass die kubanische Revolution und die Castro-Regierung ein neuer Weg zum Sozialismus seien. Angeblich brauchte es für den Sozialismus keine bewusste revolutionäre Intervention der Arbeiterklasse mehr, sondern er konnte von kleinbürgerlich nationalistischen Regimes aufgebaut werden, die mittels bewaffneter Guerillas an die Macht kamen.
Die Castro-Regierung versuchte der Feindschaft und Aggression des Imperialismus dadurch standzuhalten, dass sie sich an die Sowjetunion wandte. Das war ein faustischer Pakt, der in einer wirtschaftlichen und politischen Katastrophe endete, als die Moskauer Bürokratie 1991 die Sowjetunion auflöste. In jüngerer Zeit stützte sich das kubanische Regime auf großzügige Subventionen aus Venezuela, die jetzt durch die fallenden Ölpreise akut in Gefahr sind.
Jetzt wendet sich die kubanische Führung direkt an den US-Imperialismus in der Hoffnung, das kapitalistische Wirtschaftsmodell Chinas zu wiederholen und dadurch ihren Wohlstand und ihre Privilegien auf Kosten der kubanischen Arbeiterklasse zu erhalten und zu vergrößern.
Diese Bemühungen und das direkte Eingreifen des US-Imperialismus auf der Insel werden die schon jetzt schnell zunehmende soziale Ungleichheit und die Spannungen zwischen den Klassen auf Kuba unvermeidlich beschleunigen. Das wird die Bedingungen für neue revolutionäre Explosionen schaffen.