Neue Daten über die deutsche Wirtschaft, die Anfang der Woche veröffentlicht wurden, haben die Angst verstärkt, dass die Eurozone zum dritten Mal in sechs Jahren in die Rezession stürzt und möglicherweise in eine Deflationsspirale geraten ist, die mit derjenigen vergleichbar ist, die in den 1930ern zur Großen Depression geführt hat.
Laut dem Ifo-Geschäftsklimaindex für Oktober ist das Vertrauen der deutschen Unternehmen auf den tiefsten Stand seit August 2012 gesunken. Die Oktober-Umfrage zeigte, dass das Vertrauen von 104,7 Punkten im September auf 103,2 Punkte gesunken ist. Die neue Messung war niedriger als die 104,3 Punkte, die Ökonomen vorhergesagt hatten. Es war der sechste monatliche Rückgang in Folge.
Der niedrige Vertrauenswert der Unternehmen wurde nach einer Reihe von Berichten veröffentlicht, die zeigten, dass Europas größte Wirtschaft schrumpft. Die deutsche Industrieproduktion ist von Juli bis August um vier Prozent gesunken. Industrieaufträge und Exporte gingen im August so stark zurück wie zuletzt 2009. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes ging im Quartal von April bis Juni zurück. Die Inflationsrate liegt bei nur 0,8 Prozent - deutlich niedriger als die Zielmarke der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank (EZB).
Anfang des Monats korrigierte die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für 2014 von 1,8 Prozent auf 1,2 Prozent, und die Vorhersage für 2015 von zwei Prozent auf 1,3 Prozent. Nach der Veröffentlichung des neuen Ifo-Berichtes am Montag korrigierte die deutsche Industrie- und Handelskammer ihre Vorhersage für 2015 auf 0,8 Prozent.
Ifo-Chef Hans-Werner Sinn erklärte in den Medien: "Die konjunkturellen Aussichten haben sich nochmals eingetrübt." Der Chefökonom der Commerzbank AG in Frankfurt, Jörg Krämer, wurde von Bloomberg News zitiert: "Die jüngsten Zahlen aus dem industriellen Sektor sind sehr beunruhigend." Er fügte hinzu, das dritte Quartal sei vermutlich schlechter ausgefallen als vorausgesagt; die Wirtschaft dürfte bestenfalls stagniert haben.
Deutschland sollte als stärkste Wirtschaftsmacht Europas der Motor sein, der den Kontinent aus seiner wirtschaftlichen Schieflage zieht. Stattdessen wird seine stark exportabhängige Wirtschaft von einem globalen Rückgang der Nachfrage getroffen, das trifft auf ihren drittgrößten Absatzmarkt China, auf die sogenannten Schwellenländer wie Brasilien und den Rest Europas zu. Die Politik der eigenen Regierung - Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Ukrainekrise, Krieg im Nahen Osten und unablässige Austerität in ganz Europa - tragen zur deutschen Rezession bei.
Der Abschwung in Deutschland ist Teil einer allgemeinen Krise der achtzehn Staaten der Eurozone. Das Wachstum in der Region kam im zweiten Quartal zum Stillstand, und die Gesamtinflationsrate liegt mit 0,3 Prozent nahe an einer offenen Deflation.
Diese Bedingungen herrschen, obwohl die Zentralbanken in den USA, Europa und Japan in großem Umfang Geld in die Finanzmärkte gepumpt haben. Die EZB hat in dem verzweifelten Versuch, eine Deflation zu verhindern, ihren Leitzins auf 0,05 Prozent gesenkt und eine abgewandelte Form der Politik der "quantitativen Lockerung" der Fed begonnen, in deren Rahmen die Zentralbank praktisch Geld druckt, um Wertpapiere zu kaufen.
Als weiteres Anzeichen, dass sich die Krise verschärft, senkte die schwedische Zentralbank am Dienstag ihren Leitzins unerwartet auf Null. Auch die Riksbank korrigierte ihre Wachstumsprognose für 2015 nach unten.
Schweden, das die höchste Arbeitslosenquote in Skandinavien hat, verzeichnete in sechzehn der letzten 24 Monate sinkende Preise. Die Inflationsrate des Landes blieb unter den zwei Prozent, die sich die Riksbank seit fast drei Jahren als Ziel gesetzt hat. Nachdem die Inflation im Jahr 2013 bei null Prozent lag, hat die Riksbank für 2014 einen Rückgang der Inflation von 0,2 Prozent vorhergesagt.
Die Ausgabe des britischen Magazins Economist vom 25. bis 31. Oktober befasst sich mit der Deflationskrise in Europa und ihren verheerenden weltweiten Auswirkungen. In einem Leitartikel mit dem Titel "Das weltweit größte wirtschaftliche Problem: Deflation in der Eurozone ist nahe und höchst gefährlich" schreibt das Magazain, die Rezession in Europa sei Teil einer weltweiten Tendenz. Als Beispiel nennt es die Tatsache, dass China heute langsamer wächst als jemals seit 2009.
Um ihre Warnungen vor der Gefahr einer Deflationsspirale zu stützen - eine Entwicklung, in der sinkende Preise einen Teufelskreis aus Insolvenzen und Entlassungen schaffen - weist der Economist darauf hin, dass die Inflationsraten in den USA, China und Europa deutlich unter den Zielvorgaben der Zentralbanken liegen. Das Magazin schreibt, von den 46 Ländern, deren Zentralbanken sich Inflationsziele gesetzt haben, liegt sie in 30 unter der Vorgabe.
In Europa selbst sinken die Preise in acht Ländern. In Italien, Spanien und Griechenland liegt die Inflation bei unter null.
Der Economist schreibt weiter, der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Deflation in der Eurozone - man spricht davon, wenn die Preise innerhalb von zwölf Monaten in zwei Quartalen am Stück sinken - im kommenden Jahr bei 30 Prozent liegt.
In dem Magazin heißt es: "Während die Schuldenlast in Italien und Griechenland steigt, werden die Investoren unruhig werden, populistische Politiker werden Einfluss gewinnen, und - früher oder später - wird der Euro zusammenbrechen."
Der Economist, der im Namen des britischen Kapitalismus und der City of London spricht, kritisiert Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihren Widerstand gegen ein Nachlassen der Sparkurse und fordert mehr Geld für die Finanzmärkte sowie sogenannte "Strukturreformen" - ein Euphemismus für den Abbau von Arbeitsplatzsicherheit, Renten und den Überresten des europäischen Sozialstaates.
Andere britische Zeitungen haben sich hinter den Economist gestellt. Der Telegraph beklagte am Montag in einem Artikel, die EZB habe in ihrem kürzlich beendeten "Stresstest" der europäischen Banken die Gefahr der Deflation nicht berücksichtigt. Die Zeitung wies darauf hin, dass in den letzten sechs Monaten in etwa der Hälfte der Eurozone die Preise gesunken seien, und dass "der Anteil der Güter in [ihrem] Warenkorb, deren Preise gesunken sind, auf 31 Prozent angestiegen ist."
Die Financial Times zitierte am Dienstag den führenden Wirtschaftsberater der Bank UBS George Magnus, der erklärte: "Deflation ist nicht nur eine klare und präsente Gefahr, sie besteht in einigen Ländern sogar schon."
Der Deflationstrend in Europa hat zunehmend Auswirkungen auf die bereits angeschlagene amerikanische Wirtschaft. Am Dienstag wurden mehrere Indizes veröffentlicht, die auf ein Nachlassen der wirtschaftlichen Aktivität hindeuten.
Das Wirtschaftsministerium meldete, dass Aufträge für langlebige Güter - Produkte wie schwere Maschinen, die mehr als drei Jahre halten sollen - im September um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat zurückgingen. Im August kam es bereits zu einem Rückgang um 18,3 Prozent. Die Vorhersagen der Ökonomen wurden widerlegt, die mit einer Erhöhung um 0,7 Prozent gerechnet hatten.
Eine Kategorie von langlebigen Gütern, die sogenannten "Kerninvestitionsgüter," die auch benutzt wird, um Wirtschaftsinvestitionen zu messen, sank im letzten Monat um 1,7 Prozent - der größte Rückgang seit Januar.
In einem anderen Bericht meldete das Institute for Supply Management, die von ihm gemessene Produktion sei von 59 Punkten im August auf 56,6 Punkte im September gesunken.
Eine Umfrage zu Immobilienpreisen zeigt einen andauernden Rückgang auf dem Immobilienmarkt. Der gemeinsame Index von S&P und Case Shiller für zwanzig Metropolregionen stieg im August um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, der geringste Anstieg im Jahresvergleich in fast zwei Jahren. Auf einer saisonbereinigten monatlichen Basis stiegen die Preise in den zwanzig Städten in diesem Monat nur um 0,1 Prozent.
Die Zahlen vom Immobilienmarkt ergänzen einen früheren Bericht, laut dem die Einnahmen im Einzelhandel im September zum ersten Mal seit Januar zurückgegangen sind.
Das Wall Street Journal zitierte den Ökonomen Cliff Waldman von der Manufacturers Alliance for Productivity and Innovation, der erklärte: "Die sich verschlechternde weltwirtschaftliche und geopolitische Lage wird Folgen haben."
Die kostenlosen Kredite der amerikanischen Federal Reserve und anderer Zentralbanken für die Banken und Finanzmärkte in Höhe von Billionen Dollar konnten den Zusammenbruch des Kapitalismus, der mit dem Wall Street-Börsenkrach im September 2008 begann, nicht aufhalten. Die Bedingungen für die große Mehrheit der Weltbevölkerung werden sich weiter verschlechtern.
Die Banken und Konzerne haben das Geld nicht benutzt, um in die Produktion zu investieren und Arbeitsplätze für die Arbeitslosen zu schaffen. Sie haben das Geld entweder gehortet, es benutzt, um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen und so die Preise zu erhöhen, oder für andere parasitäre Aktivitäten. Die Realwirtschaft ist weiterhin nahezu todgeweiht.
Von der beispiellosen Geldspritze – und der gnadenlosen Austerität für die Arbeiterklasse - hat die Finanzaristokratie profitiert und ihren enormen Reichtum und ihren Anteil an den Ressourcen der Welt erhöht. Gleichzeitig hat sie neue Formen von Spekulation und sämtliche betrügerischen und kriminellen Aktivitäten gestärkt, die damit einhergehen. Die gleichen Tendenzen, die 2008 den Zusammenbruch verursacht haben, sind wieder am Werk und werden unweigerlich zu einer neuen Finanzkrise führen.
Die Financial Times schrieb am Montag in einem Artikel über die Entstehung eines neuen Marktes für "Anlagegestützte Wertpapiere," der auf Subprime-Autokrediten basiert - ähnlich wie das Schneeballsystem der Subprime-Immobilienhypotheken, das vor sechs Jahren zusammenbrach. Die Ausgabe von als "Schrott" eingestuften Unternehmensanleihen habe einen neuen Rekordstand erreicht.