Die australische und die kanadische Regierung erklärten am Freitag formell ihre Teilnahme an dem neuen Krieg, den Washington im Nahen Osten begonnen hat, und dessen angebliches Ziel die Zerstörung des Islamischen Staates im Irak und Syrien (Isis) ist.
Der australische Premierminister Tony Abbott erklärte, seine Regierung habe angeordnet, dass die Kampfflugzeuge des Landes sich an den Luftschlägen im Irak beteiligen, und Mitglieder der Spezialkräfte zu einer "im wesentlichen humanitären Mission" ins Land geschickt. Der kanadische Premierminister Stephen Harper kündigte ebenfalls den Einsatz von Kampfflugzeuge an und erklärte, Isis greife Kanadier an und diese terroristische Bedrohung würde nur weiter anwachsen, wenn sie nicht eingedämmt würde.
Die USA, Frankreich und Großbritannien führen bereits Luftangriffe und andere Militäroperationen im Irak und Syrien durch. Deutschland hat Waffen und Fallschirmjäger in die irakische Kurdenregion geschickt. Die Niederlande haben F16-Kampfflugzeuge zur Unterstützung der Luftangriffe geschickt, zusätzlich schickt eine Reihe von anderen europäischen Regierungen Waffen und Ausrüstung in die Region.
Die Menschheit erlebt bei dieser außergewöhnlichen Zusammenrottung großer und kleinerer westlicher Mächte, die die Verbrechen des Isis zur Legitimierung von Militärinterventionen ausnutzen, im 21. Jahrhundert die Rückkehr der imperialistischen Aufteilung der Welt, die letzten Endes zum Ersten und Zweiten Weltkrieg führte.
Warum werfen Kanada, Australien und die Niederlande und andere Länder Bomben auf den Irak? Weil sie wissen, dass das der Preis dafür ist, sich an den Plänen der USA zur Neuaufteilung des ölreichen Nahen Ostens zu bereichern.
Die gleichen Methoden fanden bereits in der ersten großen Intervention des US-Imperialismus in der Region Anwendung, dem Golfkrieg im Jahr 1990, als eine ganze Reihe von Ländern, die nie vom Irak angegriffen wurden, rekrutiert wurden, um den amerikanischen Angriff auf das Land zu legitimieren. Damals wie heute wollen sie sich damit einen Anteil an der Beute sichern.
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale schrieb 1991 in einer Bewertung dieser Ereignisse:
„Die Imperialisten haben bei ihrer Entschlossenheit, den Irak zu zerstören und zu plündern, eine erstaunliche Einigkeit an den Tag gelegt. Bei dem Treiben bei den Vereinten Nationen, dem ziemlich zwielichtigen Zentrum imperialistischer Ausschweifung, ging es so würdevoll zu wie in einem Militärbordell; zahlreiche bürgerliche Diplomaten versammelten sich vor den Türen des Sicherheitsrates, um 'auf ihre Kosten zu kommen'... Der Grund für die hohe Zahl der Teilnehmer war die unausgesprochene Erkenntnis, dass der Krieg im Irak eine Wiederbelebung der Kolonialpolitik aller imperialistischen Mächte legitimieren würde."
In allen Ländern ging der Beginn von Militäraktionen im Irak einher mit hemmungsloser Kriegspropaganda, sowohl seitens der Regierung als auch seitens der unterwürfigen Medien, die den Mangel an Informationen und die Verwirrung ausnutzen, um die Bevölkerung in Kriegstaumel zu versetzen. Nirgendwo zeigt sich das auf schamlosere Weise als in dem Leitartikel "der elementare Schrecken von Isis", den die New York Times am Freitag veröffentlicht hat.
"Der Verstand rebelliert angesichts der Meldungen über die Grausamkeit des Islamischen Staates," heißt es zu Beginn des Leitartikels. Die Times zitiert Berichte über Enthauptungen, Folter, Vergewaltigungen und Massakern und erklärt, Isis stehe "mit seiner vorsätzlichen, systematischen und öffentlichen Barbarei" alleine da. Der Leitartikel endet mit der Feststellung, Isis müsse "wie Präsident Obama es formuliert hat, zerschlagen und letzten Endes vernichtet werden."
Mit welchem Recht belehrt die New York Times irgendjemanden über "Grausamkeit" und "Barbarei?" Die gleiche Redaktion hatte die Bush-Regierung unterstützt, die in den Irak einmarschiert war, was hunderttausenden Irakern das Leben gekostet hat. Dieser Angriffskrieg bleibt das bisher größte Verbrechen des 21. Jahrhunderts. Die katastrophale soziale Zerstörung, die er verursacht hat, hat die aktuelle Krise in der Region hervorgerufen.
Selbst wenn man die Massenmorde, die der US-Imperialismus direkt verursacht hat, außen vor lässt, ist Isis, was "Grausamkeit" und "Barbarei" angeht, ein Haufen von Amateuren im Vergleich zu den Marionettenregimes und Söldnertruppen, die Washington unterstützt hat. In Chile und Argentinien haben Militärjuntas mit Unterstützung der USA zehntausende in Gefangenenlagern und Folterzentren ermordet, Arbeiter und Jugendliche aus Hubschraubern ins Meer geworfen, in Indonesien hat die CIA geholfen, eine Diktatur auf den Leichen einer halben Million Opfer aufzubauen.
Die Contras in Nicaragua, die von der US-Regierung organisiert und finanziert wurden, haben zehntausende Menschen ermordet und alle Verbrechen begangen, die die Times Isis anlastet - Massaker an Zivilisten, Vergewaltigungen, Hinrichtungen von Kindern - und wurden dafür vom Präsidenten der USA als "Freiheitskämpfer" gefeiert.
Alleine im letzten Jahr hat das ägyptische Militärregime, das von Obama unterstützt wird, Tausende ermordet, weitere Zehntausende eingesperrt und gefoltert, während Israel, Washingtons engster Verbündeter in der Region, einen brutalen Krieg gegen die wehrlose Bevölkerung des Gazastreifens geführt hat, in dem fast 2.200 Palästinenser getötet und weitere 11.000 verwundet wurden.
Die Forderung nach einem Krieg gegen "Barbarei," "Fanatiker" und das "pure Böse" erinnert an die Rhetorik, die die Boulevardpresse bereits vor über einem Jahrhundert verwendet hat, als sich die USA, damals eine neue, aufsteigende Weltmacht, an einer ähnlichen imperialistischen Zusammenrottung gegen einen antiwestlichen Aufstand beteiligt hatte - den Boxeraufstand in China von 1898 bis 1900.
Die Boxer waren eine prototypische nationalistische Geheimgesellschaft, die sich aufgrund der Wut der Bevölkerung über Chinas Unterwerfung und Demütigung durch die westlichen Mächte, die das Land in Einflusssphären aufgeteilt hatten, zu einer Massenbewegung entwickelt hatte. Die Boxer enthaupteten ausländische Missionare und ermordeten zum Christentum konvertierte Chinesen. Ihre Gewalt richtete sich gegen die Ausländer, die das politische und wirtschaftliche Leben des Landes dominierten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Auch damals schienen die diversen imperialistischen Mächte einmütig zu handeln: Truppen aus Großbritannien, Deutschland, Russland, den USA, Italien, Frankreich, Österreich-Ungarn und Japan bildeten zusammen eine Expeditionsstreitmacht von fast 50.000 Mann, die den Aufstand im Blut ertränkten und die Kontrolle über Chinas Märkte und Ressourcen festigten.
Der russische Revolutionsführer Wladimir Lenin kritisierte in "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" den deutschen Sozialdemokraten Karl Kautsky, der erklärt hatte, die gemeinsame Militäraktion gegen die Boxer sei ein Beweis für einen neuen "Ultraimperialismus," in dem das " international verbündete Finanzkapital" nationale Rivalitäten überwinden könnte. Lenin schrieb, solche Bündnisse seien "notwendigerweise nur 'Atempausen' zwischen Kriegen... Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor..."
Die Ereignisse nach der Expedition gegen die Boxer bestätigten Lenins Analyse. Weniger als vier Jahre später führten zwei der Verbündeten - Japan und Russland - einen blutigen Krieg um die Kontrolle über die Mandschurei und Korea. Und zehn Jahre später waren sie alle am Ersten Weltkrieg und der Ermordung von Millionen Menschen beteiligt.
Der aktuelle Krieg gegen Isis wird eine genauso große historische Bedeutung für den Weltimperialismus haben wie der Kampf gegen den Boxeraufstand vor 114 Jahren.
Im Namen eines Kampfes gegen "Terrorismus" und der Verteidigung der "Zivilisation" gegen "Barbarei" ziehen alle imperialistischen Mächte wieder in einen Krieg, Deutschland und andere Länder rüsten wieder auf und bekennen sich wieder zum Militarismus, und dies mit einer Geschwindigkeit, die den Eindruck erweckt, sie wollten verlorene Zeit wieder einholen. Diese Entwicklung zum Krieg ist angetrieben von der Krise des Weltkapitalismus und seiner grundlegenden Widersprüche, in erster Linie dem zwischen der Entwicklung einer weltweit integrierten Wirtschaft und der Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten.
Die eskalierende Intervention im Irak und in Syrien und die Hinwendung aller Großmächte zum Militarismus wird unweigerlich das Vorspiel eines weltweiten imperialistischen Flächenbrandes werden, wenn die Arbeiterklasse nicht auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programmes interveniert, um dem kapitalistischen System, der Ursache der Kriege, ein Ende setzt.
Wir rufen unsere Leser auf, die Erklärung des IKVI "Sozialismus und der Kampf gegen imperialistischen Krieg" zu lesen, den Parteien des IKVI beizutreten und den Kampf für den Sozialismus aufzunehmen.