„Wir sichern die Zukunft der Print Medien“ steht seit Jahren am Eingangstor der Heidelberg Post-Press Fabrik an der Brahestrasse 8 in Leipzig. „Aber nicht die Arbeitsplätze unserer Belegschaft“, muss man ergänzen, nachdem der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Gerold Linzbach, am 6. August das Aus für den Standort Leipzig verkündet hat.
Der Betrieb kann eine traditionsreiche Geschichte des Maschinenbaus seit 1879 vorweisen und beschäftigt heute noch etwa 240 Arbeiter bei der Herstellung von Buchbindereimaschinen (PostPress). Er ist zugleich der letzte Betrieb, der an die Buchdruckertradition von Leipzig erinnert, die bis zum Jahr 1480 zurückreicht.
Die Heidelberger Druckmaschinen AG plant bereits den Bau einer zweiten Fabrik in China in Kooperation mit der Firma Masterwork Machinery, die zweite nach dem Standort in Qingpu, einer Sonderzone bei Schanghai. Außerdem übernimmt die Firma Müller Martini, seit langem Marktführer im Bereich von Postpress-Maschinen, die Produkte und das Know-How von Leipzig sowie die Service- und Ersatzteilversorgung der im Markt installierten Maschinen.
IG-Metall und Betriebsrat gaben sich schockiert. Dabei waren sie längst über die Pläne der Geschäftsleitung informiert, sitzen ihre Vertreter doch im Aufsichtsrat des Unternehmens.
Schon im Dezember 2013, als der Geschäftsführer (CEO) von Heidelberg China, Chua Lian Seng, aus dem Unternehmen ausschied, um die Position eines Geschäftsführers bei der chinesischen Firma Masterwork Machinery Co. Ltd. in Tianjin einzunehmen, war bekannt, dass eine Kooperation von Masterwork mit der Heidelberger Druckmaschinen AG in Arbeit war, die eine weitgehende Verlagerung der Produktion von Weiterverarbeitungsmaschinen nach China bedeutet. Der Aktienwert von Masterwork stieg danach innerhalb von drei Monaten um 64 Prozent.
Mitte August organisierten IG Metall und Betriebsrat eine Kundgebung zum Leipziger Volkshaus, sammelten Unterschriften und sandten einen Protestbrief an die Geschäftsleitung, der die bankrotte Position der Gewerkschaft offenbart. Dort steht kein Wort davon, dass die Arbeitsplätze erhalten werden müssen. Stattdessen bittet der Betriebsrat den Unternehmensvorstand, „Leipzig fit zu machen“, und erklärt, dass die Mitarbeiter gerne bereit seien, ihn „auf diesem Weg zu begleiten“.
Was das bedeutet, kann man unschwer erraten, nachdem die Gewerkschaftsrepräsentanten in den Lokalzeitungen auf den „erfolgreichen Kampf“ gegen die Schließung des Leipziger Siemens-Werks in Böhlitz-Ehrenberg Mitte 2013 hinwiesen, das von der Verlagerung der Produktion nach Portugal bedroht war. Dort stimmte die IG Metall im Namen der „Standort-Sicherung“ dem Abbau eines Drittels der 432 Beschäftigten zu, der seitdem in Form von Altersteilzeit-, Vorruhestandsregelungen sowie Aufhebungsverträgen durchgeführt wird. So wendet sich die IG Metall auch bei Heidelberg PostPress Leipzig nicht prinzipiell gegen Entlassungen, sondern nur gegen „betriebsbedingte“ Kündigungen.
Die IG Metall hat in den letzten zehn Jahren der Vernichtung von etwa 12.000 Arbeitsplätzen bei Heidelberger Druckmaschinen zugestimmt, was etwa 50 Prozent der Gesamtbelegschaft entspricht.
Die „Linke“, in Sachsen die zweitstärkste Fraktion im Parlament, die allerdings bei der Landtagswahl am letzten Sonntag Stimmenverluste hinnehmen musste, steht der IG Metall zur Seite. Sie beteiligte sich an der Unterschriftensammlung und richtete Appelle an den Leipziger CDU-Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht und den bisherigen sächsischen FDP-Wirtschaftsminister Sven Morlok, dessen Partei bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag abgewählt wurde. Solche Appelle stellen reine Augenwischerei dar und sollten dem Stimmenfang bei der Landtagswahl dienen.
Die Vorsitzende des Kreisverbandes der GEW in der Stadt Leipzig und stellvertretende Landesvorsitzende der Linken in Sachsen, Cornelia Falken, besuchte gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden der Linken, Bernd Riexinger, am 20. August das Leipziger Heidelberg-Werk, um sich mit dem Betriebsrat Marco Kranz zu beraten.
Eins sei allen Beteiligten klar, sagte Cornelia Falken in einem Telefoninterview mit der WSWS: „Mit Heidelberg geht’s nicht weiter.“ Es gebe im Grunde nur zwei Alternativen: „Ein neuer Geldgeber investiert in das Werk, was aber wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Druckindustrie sehr unwahrscheinlich ist, oder aber die Belegschaft führt das Werk in Eigenregie weiter.“
Betriebsrat Marco Kranz bestätigte diese Version gegenüber der WSWS. Man sei bereit, Zugeständnisse zu machen, er könne aber zum jetzigen Zeitpunkt keine Zahlen nennen und wolle erst die bevorstehenden Verhandlungen mit dem Vorstand abwarten. Es habe sich noch kein interessierter Investor gemeldet.
„Eine Strukturanpassung ist notwendig,“ erklärten sowohl er als auch die Linkspartei-Funktionärin und schwiegen sich aus über die Zahl der Entlassungen, die akzeptabel seien.
Die Linke versucht zugleich, Illusionen in die Aufrechterhaltung des Betriebs durch staatliche Fördermittel zu schüren. Es könne allerdings ein paar Jahre dauern, bis das Werk wieder wettbewerbsfähig sei, erklärte Cornelia Falken.
Auf die Frage, wie das Werk denn nach der Übernahme von Kundendienst und Ersatzteilverkauf durch Müller Martini und in Konkurrenz mit dem neuen Unternehmen in China überleben könne, wenn nicht durch Absenkung der Löhne auf chinesisches Niveau, wich sie aus und sagte, man habe auch schon der Schiffsindustrie in Dresden jahrelang staatliche Unterstützung gegeben. Das HPD Werk in Leipzig sei viel kleiner und benötige daher weniger Fördermittel.
Die Unterstützung der Privatwirtschaft durch Staatsgelder ist schon lange Parteipolitik der Linken in Ostdeutschland und wurde insbesondere in Sachsen und Sachsen-Anhalt entwickelt. 1996 verfasste die damalige Stadtvorsitzende der PDS in Dresden, Christine Ostrowski, zusammen mit Ronald Weckesser einen „Brief aus Sachsen“, in dem sie erklärte, „linke Wirtschaftspolitik“ solle das „bodenständige Kleinunternehmertum“ stärken. Fördermittel sollten danach nicht an die Kommunen, sondern direkt an einzelne Unternehmen gezahlt werden. Ostrowski gründete damals einen ostdeutschen Unternehmerverband und plädierte dafür, die PDS in eine „ostdeutsche Volkspartei“ wie die CSU in Bayern zu verwandeln. 2008 trat sie aus der Linkspartei aus und wurde Mitglied der FDP.
Die Wurzeln dieser prokapitalistischen Politik liegen jedoch in der Zeit der Wende vor 25 Jahren. Die in PDS umgenannte SED händigte 1990 die verstaatlichten Betriebe den Kapitalisten aus. Die Wirtschaftsministerin der letzten DDR-Regierung, Christa Luft, veröffentlichte ein Buch unter dem Titel „Die Lust am Eigentum“ und gründete die Treuhandanstalt, die den Verkauf und die Abwicklung der DDR-Betriebe mit massenhafter Arbeitsplatzvernichtung organisierte. Wenn sich heute Vertreter der „Linken“ den Arbeitern als Verteidiger von Arbeitsplätzen vorstellen, sollte man sie davonjagen. Sie wollen nur die eigenen Spuren verwischen.