Die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF) hat Anfang des Jahres angekündigt, über 700 Arbeitsplätze abzubauen. Das 1853 gegründete, auf Haushaltszubehör und kommerzielle Küchenmaschinen spezialisierte Unternehmen hat seinen Sitz in Geislingen. Es beschäftigt an verschiedenen süddeutschen Standorten über 6.100 Mitarbeiter in Produktion, Verwaltung und Logistik. Zur Gruppe gehören auch Prolog in Geislingen, Alfi in Wertheim, Auerhahn in Altensteig and Silit in Riedlingen.
Hauptaktionär der WMF-Gruppe ist die New Yorker Private-Equity-Investmentgesellschaft KKR (Kohlberg Kravis Roberts), die im Juli 2012 knapp 72 Prozent der Anteile erwarb und plant, bald auch die restlichen zu kaufen. KKR ist dafür bekannt, weltweit Firmen aufzukaufen, auf Kosten der Belegschaft umzubauen und dann mit hohem Gewinn weiter zu verkaufen. Das genaue Ausmaß des Arbeitsplatzabbaus und anderer Umstrukturierungsmaßnahmen ist bisher nicht bekannt.
Im September 2013 wurde Peter Feld zum Vorstandschef berufen, um den Umbau der WMF voranzutreiben. Die Stuttgarter Zeitung lobt ihn als Experten für Profitmaximierung und das internationale Geschäft. Vor seinem Wechsel zu WMF war er in der Unternehmensführung von Beiersdorf, Johnson & Johnson und Procter & Gamble für internationale Projekte zuständig.
Im Geschäftsjahr 2012 machte WMF erstmals über eine Milliarde Euro Umsatz. Der Netto-Gewinn betrug 45 Millionen Euro. Bei seinem ersten Auftritt im Januar dieses Jahres nannte Feld dies eine solide Basis, es sei aber „noch richtig viel Luft nach oben“. Hauptziel des Unternehmens sei ein nachhaltiger Anstieg der Gewinne.
Feld betonte damals, die WMF müsse sich auf die internationale Expansion konzentrieren, die während der letzten fünf Jahre völlig vernachlässigt worden sei. Er sagte, dass es Veränderungen geben werde und der Abbau von Arbeitsplätzen nicht ausgeschlossen sei.
Einige Wochen später wurde dann bekannt, dass durch Kostensenkung jährlich 30 Millionen Euro eingespart, über 700 Arbeitsplätze (davon 500 in Geislingen) abgebaut, Logistikzentren zusammengelegt und Verkaufstellen geschlossen werden sollen.
Am vergangenen Samstag organisierte die IG Metall unter dem Motto „Hand in Hand zur Solidarität“ eine Protestdemonstration in Geislingen. Sie spulte das ganze Programm ab, das man von ähnlichen Veranstaltungen kennt: Die 3.000 Teilnehmer „umzingelten“ mit einer Menschenkette das Werksgelände; 1.500 rote Luftballons stiegen in den Himmel; Trillerpfeifen sorgten für einen Ohren betäubenden Lärm; Vertreter der CDU, der SPD, der Grünen und der Linken überbrachten Grußbotschaften; der katholische Pfarrer erinnerte daran, dass der Mensch Vorrang vor dem Kapital habe; der evangelische Pfarrer stimmte das Lied „Sonne der Gerechtigkeit“ an; und der 1. Bevollmächtigte der IG-Metall, Bernd Rattay, wetterte gegen „Turbokapitalismus“ und gegen „Heuschrecken“.
Das Ganze diente dazu, den eigenen politischen Bankrott und die enge Zusammenarbeit der IG Metall mit dem Management zu vertuschen.
Anfang Juni hatte der IG-Metall-Bevollmächtigte Rattay der Geislinger Zeitung ein langes Interview gegeben. Darin ließ er keinen Zweifel an seiner grundsätzlichen Unterstützung für die Strategie des Unternehmens, die er mit „Internationalisierung und Fokussierung auf die Wachstumsmärkte und hier insbesondere Asien und China“ umschrieb. Vorstandschef Feld könne aber damit nur erfolgreich sein, „wenn er die Strategie mit und nicht gegen die Menschen an den traditionellen Standorten der WMF fährt“.
Mit anderen Worten: Rattay, der als stellvertretender Vorsitzender im WMF-Aufsichtsrat sitzt, bot Feld seine Zusammenarbeit an. Trotz einem Lippenbekenntnis zu „sicheren Arbeitsplätzen und Tarifeinkommen“ machte er deutlich, dass die Gewerkschaft nicht daran denkt, die Arbeitsplätze zu verteidigen. Sie will lediglich dafür sorgen, dass diese möglichst geräuschlos – im Gewerkschaftsjargon: „sozialverträglich“ – abgebaut werden.
„Notwendige Strukturveränderungen müssen so gestaltet werden, dass es zu keinen Kündigungen kommt“, sagte Rattay. „Sozialverträglich bedeutet für uns, dass alle Beschäftigten, die den Konzern nicht freiwillig über Altersteilzeit, ‚Vorruhestand’ oder Aufhebungsvereinbarungen verlassen, auch nach der Umstrukturierung eine Beschäftigungsperspektive erhalten.“
Wie eine solche „Beschäftigungsperspektive“ aussieht, weiß man von zahlreichen anderen Betrieben, an deren Stilllegung die IG Metall mitgewirkt hat: Beschäftigungsgesellschaften und ähnliche Maßnahmen als Verschiebebahnhof in die Arbeitslosigkeit und Hartz IV.
Rattay betonte in dem Interview, dass der Betriebsrat in wirtschaftlichen Angelegenheiten kein Mitbestimmungsrecht habe und unternehmerische Entscheidungen rechtlich nicht verhindern könne. Er könne lediglich „einen Sozialplan, also Abfindungen für die Betroffenen erzwingen“.
Auch die Vertreter der Parteien in der Region unterstüzen die Pläne der Konzernleitung. Der Bundestagsabgeordnete Hermann Färber und die Landtagsabgeordnete Nicole Razavi (beide CDU) trafen sich mit Betriebsräten und berichteten der Südwest Presse, auch diese stellten die Notwendigkeit von Umstrukturierungen nicht in Frage.
Die WSWS sprach auf der Demonstration mit betroffenen Arbeitern.
Cariati G. arbeitet seit 24 Jahren bei WMF. Bereits seine Eltern waren dort beschäftigt. Früher hatte er gedacht, dass auch seine Kinder diese Tradition fortsetzen können. Er kennt weitere Familien, die seit mehreren Generationen bei WMF arbeiten.
Cariati hatte erwartet, dass mehr Teilnehmer zur Demonstration kommen, ging allerdings aufgrund früherer Erfahrungen nicht davon aus, dass diese die Pläne des Managements stoppt. Er ist IG-Metall-Mitglied, seit ihm sein Vater die Arbeit bei WMF besorgte. Er ist der Ansicht, dass Arbeiter Organisationen brauchen, die ihre Interessen vertreten, aber dass diese nie erreichen, was nötig wäre.
Die IG Metall verfolge eine Politik des Gebens und Nehmens, wobei sie mehr gebe, als die Arbeiter erhielten, sagte Cariati. In Italien und Frankreich träten Arbeiter in ähnlichen Situationen in den Streik und legten alles still. „Ich sage nicht, dass dies allein die Probleme lösen würde, aber uns sind solche Schritte nicht einmal erlaubt. Jedes Mal erinnert man uns an Vorschriften und Gesetze. Die Lage in diesem Land wird täglich schlechter. Ich glaube, die Hälfte der Beschäftigten wird ihre Arbeit verlieren.“
Erdal A. berichtete, es gebe seit Anfang des Jahres Proteste und Verhandlungen, aber bisher sei nichts erreicht worden. Im April sei auch über Streik diskutiert worden. „Aber uns wurde gesagt, ein Streik sei nur unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen möglich und wir müssten die Regeln befolgen, sonst sei ein Streik illegal. Wir würden kein Geld bekommen, wenn wir wild streikten. Der Unternehmer darf dagegen immer tun, was er will.“
Katrin and Svenia, zwei junge Frauen, die nicht bei WMF arbeiten, kamen aus Solidarität zur Demonstration. Familienmitglieder und Bekannte arbeiten in der Fabrik und ihre Zukunft ist in Gefahr. „WMF ist nicht nur seit Generationen ein wichtiger Arbeitgeber, sondern auch ein bedeutender ökonomischer Faktor in der Region“, berichteten sie. „Viele Kleinbetriebe sind von diesem Unternehmen abhängig. Wir fürchten das Schlimmste, die völlige Schließung. Wir bezweifeln, dass die Solidaritätskundgebung alleine die Dinge in Bewegung bringt.“