In den nächsten Tage werden fast 600 Green Berets und andere US-Truppen als "Berater" in den Irak geschickt. Das Pentagon kündigte am Freitag an, dass es mit dem Regime in Bagdad erneut über die Bedingungen für ein Truppenstationierungsabkommen verhandele, das die Regierung vor zweieinhalb Jahren abgelehnt hatte. Danach hatte das amerikanische Militär das Land verlassen.
Laut dem Sprecher des Pentagon, Konteradmiral John Kirby ist die wichtigste Bestimmung des Abkommens, dass die US-Truppen allgemeine Immunität vor irakischem und internationalem Recht hinsichtlich der Ermordung irakischer Zivilisten und anderer Kriegsverbrechen genießen.
Nachdem Premierminister Nuri al-Maliki sich im Jahr 2011 geweigert hatte, diese Bestimmungen zu akzeptieren, scheiterten die Verhandlungen über das Stationierungsabkommen, nach dem etwa 10.000 US-Soldaten dauerhaft an mehreren strategisch wichtigen irakischen Stützpunkten geblieben wären.
Der Sprecher des Pentagon versucht, den Verdacht auszuräumen, dass die Obama-Regierung das Debakel im Irak ausnutzen könnte, um Malikis bedrängtes Regime zu erpressen, sich den amerikanischen Forderungen zu unterwerfen und damit den Weg für die dauerhaften Stützpunkte zu ebnen, die Washington von Anfang an wollte.
Kirby erklärte: "Wir hatten darüber verhandelt, nach 2011 eine große Anzahl amerikanischer Soldaten für längere Zeit im Irak zu lassen. Heute geht es bei den Verhandlungen um eine kleine Anzahl Soldaten, bis zu 300, deren Mission nur von begrenzter Dauer sein wird."
Wer die Geschichte der Periode vor dem Vietnamkrieg kennt, weiß jedoch genau, dass die Entsendung von "Beratern" in ein vom Krieg zerrissenes Land, das in Washingtons Fadenkreuz geraten ist, schnell zur Entsendung einer "großen Anzahl amerikanischer Soldaten" führen kann.
Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Präsident Obama, der seine erste Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, weil er sich als Gegner des Irakkrieges dargestellt hatte, einen derartigen Weg einschlägt.
Obama versuchte am Donnerstag in seiner Stellungnahme vor dem Weißen Haus, die erneute Entsendung von US-Truppen in den Irak als Teil von Washingtons weltweitem "Krieg gegen den Terror" darzustellen. Er wiederholte in der kurzen Rede zehnmal die Worte "Terrorismus" und "Terrorist". In Wirklichkeit verfolgt das herrschende Establishment jedoch mit seiner Reaktion auf die Niederlage des von den USA ausgebildeten irakischen Militärs gegen eine breite Aufstandsbewegung der sunnitischen Minderheit im Irak viel weitergehende Ziele, sowohl in der Region als auch in der Welt.
Obama behauptete, durch den Vormarsch der Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) im Norden und Westen des Irak drohten früher oder später Terroranschläge auf das "Heimatland," fügte allerdings hinzu, Washington habe ein "strategisches Interesse an der Stabilität in der Region".
Nachdem er dies zugegeben hatte, fügte er hinzu: "Themen wie Energie und die weltweiten Energiemärkte sind selbstverständlich weiterhin wichtig."
Mit anderen Worten, auch bei der jüngsten Intervention geht es – genau wie in dem katastrophalen, fast neun Jahre andauernden Krieg und der Besetzung, die ihm folgte – letzten Endes um Öl und die Kontrolle über diesen strategisch wichtigen Rohstoff.
Washington begann im Jahr 2003 seinen Krieg, den es mit Lügen rechtfertigte, und der mehr als eine Million Iraker und etwa 4.500 US-Soldaten das Leben kostete, um die Hegemonie des amerikanischen Imperialismus über die Ölreserven am Persischen Golf zu erlangen, und er hat dieses Ziel nie aufgegeben, selbst als er gezwungen war, es mit anderen Mitteln zu erreichen.
Noch während Obamas Rede nahmen die islamistischen Aufständischen die größte Ölraffinerie des Irak in Beiji ein, die sich ca. 250 Kilometer nördlich von Bagdad befindet. Die Raffinerie produziert für den Inlandskonsum, ihr Verlust bedeutet für das gebeutelte Land Benzin- und Energieengpässe.
Die amerikanische Intervention im Irak ist Teil einer größeren Intervention in einen Krieg, der zunehmend die ganze Region mit einbezieht und durch eine Reihe von amerikanischen Militäroperationen verursacht wurde, beginnend mit dem Einmarsch im Irak 2003, über den Einsatz von islamistischen Milizen als Stellvertretertruppen im Nato-Krieg zum Regimewechsel in Libyen 2011 und der Provokation und Unterstützung des religiös motivierten Bürgerkrieges in Syrien durch Washington und seine Verbündeten, darunter Saudi-Arabien und andere sunnitische Monarchien am Persischen Golf.
Während am Freitag Isis-Kämpfer die letzten Widerstandsnester der Regierungstruppen in der Raffinerie in Beiji umzingelten, meldete die syrische Regierung einen Autobombenanschlag in der zentral gelegenen Stadt Hama, bei dem mindestens 34 Menschen getötet und weitere 50 verletzt wurden. Die Al Nusra-Front, eine mit Al Qaida verbündete Gruppierung, die in Syrien mit der Isis um Kontrolle über Gebiete konkurriert, übernahm die Verantwortung für den Anschlag.
Im Libanon griff derweil ein weiterer Selbstmordattentäter, der offenbar mit Isis verbündet war, einen Kontrollpunkt im Bekaa-Tal an, dabei wurden zwei Menschen getötet und Dutzende verwundet. Ziel des Bombenanschlags war vermutlich Generalmajor Abbas Ibrahim, ein schiitischer Funktionär und Direktor der Allgemeinen Sicherheitsbehörde. Am gleichen Tag verhaftete die Polizei in Beirut zwanzig Isis-Mitglieder, die mutmaßlich weitere Attentate vorbereiteten.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Washington behauptet zwar, seine Intervention im Irak solle Isis bekämpfen, tatsächlich ist diese islamistische Miliz jedoch Washingtons eigenes Frankenstein-Monster. Es wurde vor allem durch die Zerstörung der irakischen Gesellschaft durch das amerikanische Militär und die Strategie des Teilens und Herrschens der amerikanischen Besatzungsmacht geschaffen, die das erbitterte sektiererische Gemetzel hervorbrachte, das das Land zerstört hat. Diese Bewegung wurde zwar im Irak unterdrückt, lebte aber in Syrien auf dramatische Weise wieder auf, da die USA, Saudi-Arabien, die Türkei und andere Regimes in der Region Waffen und andere Unterstützung für die von Islamisten dominierten "Rebellen" bereitstellten, die einen religiös motivierten Krieg gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad führten.
Letzten September war die Obama-Regierung angesichts von massivem Widerstand der Bevölkerung gezwungen, von ihrem Plan abzurücken, die Isis –Milizen und andere islamistische Gruppierungen durch Luftangriffe gegen das Assad-Regime zu unterstützen. Jetzt bereitet sie sich darauf vor, diesen erniedrigenden Rückschlag zu korrigieren, angeblich um Isis im Irak und in Syrien zu verfolgen.
Vertreter der US-Regierung erklärten am Donnerstag in der Washington Post, die Regierung sehe den Irak und Syrien als "eine Herausforderung." Eine solche Intervention wird, unter dem Vorwand, den Terrorismus zu bekämpfen, vor allem darauf abzielen, die Assad-Regierung zu stürzen.
Senator John McCain, bekanntlich sonst ein Kritiker von Obamas Irakpolitik, unterstützte diese Position und erklärte: "wir müssen auch in Syrien handeln."
Auch die zustimmende Stellungnahme des Militärstrategen Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies, der das Pentagon bei den Kriegen in Afghanistan und im Irak beraten hat, die nach Obamas Pressekonferenz erschien, war bemerkenswert.
"Die Entscheidung des Präsidenten, weitere 300 US-Militärberater in den Irak zu schicken, ist ein wichtiger erster Schritt zur Bewältigung der Krise," schrieb Cordesman. "Er stellt sicher, dass die USA und der Iran eine Präsenz im Land haben. Es würde letzten Endes die iranischen Revolutionsgarden stärken, wenn die USA nur Luftstreitkräfte einsetzen würden, da die Revolutionsgarden dann die einzigen wären, die an der Seite der irakischen Truppen kämpfen würden."
Das deutet auf ein weiteres wichtiges strategisches Ziel der Intervention im Irak hin: Der Einfluss des Iran im Land soll geschwächt werden. Das wiederum ist Teil einer größeren Strategie, durch die alle Mächte unterworfen werden sollen, die ein Hindernis für die Bestrebungen des US-Imperialismus darstellen, seine Hegemonie über den Rest der Welt aufzubauen. Das ist zweifellos auch eine wichtige Erwägung in der immer offeneren Kampagne Washingtons zum Sturz von Maliki. Dieser war ursprünglich während der amerikanischen Besetzung an die Macht gebracht worden. Jetzt soll ein gefügigeres Regime eingesetzt werden, das sich zusammen mit Washington gegen Teheran stellen soll.
Also schlägt der US-Imperialismus trotz Obamas Gerede über eine "gezielte und präzise Militäraktion" wieder einmal den Kurs auf eine aggressive Politik ein, die möglicherweise einen regionalen Krieg oder sogar einen Weltkrieg auslösen könnte.