Laut einem von der Technologie-Website Register veröffentlichen Artikel wurde im Juni letzten Jahres ein Flugzeug der Central Intelligence Agency (CIA) nach Europa geschickt, als die US Regierung plante, Whistleblower Edward Snowden zu entführen.
Am 23. Juni 2013 traf Snowden in einer Maschine aus Hong Kong in Moskau ein. Von dort wollte er nach Kuba und anschließend nach Lateinamerika fliegen. Dies wurde ihm verwehrt, da die Obama-Regierung seinen Pass für ungültig erklärte. Kurz vorher hatte Snowden im Guardian und anderen Zeitungen aufgedeckt, dass die amerikanische und die britische Regierung Programme zur Massenüberwachung der Weltbevölkerung unterhalten.
Im Register-Artikel heißt es unter dem Titel "Auslieferungsjet der CIA wartete in Europe, um Edward Snowden zu schnappen", dass am 24. Juni 2013, am Tag nach Snowdens Ankunft in Moskau, "eine nicht gekennzeichnete Gulfstream V Business Jet von einem ruhigen Passagierflughafen dreißig Meilen von Washington DC entfernt in die Luft stieg. Die Maschine hatte die Kennung N977GA."
Dieses Flugzeug sei von dem kleinen Regionalflughafen in Manassas aus gestartet, heißt es in dem Artikel weiter, und: "Früh am nächsten Morgen wurde N977GA in einer ungewöhnlich hohen Flughöhe von 45.000 Fuß in Richtung Osten über Schottland ausfindig gemacht. Die Maschine hatte keinen Flugplan eingereicht und flog über der Höhe, in welcher Kontaktaufnahme mit der Flugsicherheit vorgeschrieben ist".
Wie es im Artikel heißt: "Aber auch wenn Piloten die automatische Standortdatenübertragung ausgeschaltet haben, kann schon ein durchschnittlicher Amateur den Zeitunterschied messen, den das Radarsignal eines Flugzeugs bis zur Erde braucht. Dafür braucht man nicht mehr als einen mit dem Internet verbundenen Radioempfänger. Unserer Quelle zufolge ‘tauchte das Flugzeug um 5:20 Uhr am 25. Juni im System auf’. Die Quelle ist Mitglied eines Internet-Netzwerks von britischen Amateuren, die Flugzeuge aufspüren. ‘Wir kannten die Reputation dieses Flugzeuges und was es in der Vergangenheit getan hatte’".
Der Register bringt dann einige Details zur Geschichte der Maschine, bekannt als N977GA. Diese spielte eine entscheidende Rolle im illegalen US-System der außerordentlichen Überstellungen (extraordinary renditions). Wie es heißt, war N977GA "ursprünglich von der US Air Force als Luxusflieger eines Generals bestellt worden. Aber dann, kurz nach dem 11. September 2001, verlor die Maschine ihren militärischen Status und erwarb eine zivile Registrierung als N596GA. Unter dieser Kennung wurde sie für CIA-Auslieferungen und Entführungen eingesetzt. Im Jahr 2011 wechselte der "schwarze" Jet erneut seine Rolle, und die CIA übergab ihn dem US-Justizministerium.
"Mit der neuen Kennung N977GA gehörte das Flugzeug nun zu einem Programm, das den Namen Justice Prisoner and Alien Transportation Systems (JAPTS) trägt und zur Justiz gehört. Der vielleicht bekannteste Einsatz des Flugzeugs war am 5. Oktober 2012, als es ein Team von US-Marshals nach Großbritannien flog, um den radikalen Geistlichen Abu Hamza abzuholen, nachdem die USA einen Auslieferungsantrag gegen ihn durchgesetzt hatten."
Der Register hat auch eine Grafik veröffentlicht, die zeigt, dass N977GA "es nicht ganz nach Moskau geschafft hat, sondern am Kopenhagener Flughafen landete, wo sie abwartete".
Die Tatsache, dass die Maschine offenbar in Kopenhagen landete, unterstützt die Behauptung, dass N977GA den Überstellungsauftrag hatte.
Seit 2007 ist allgemein bekannt, dass die dänische Regierung schon am 25. Oktober 2003 einem CIA-Auslieferungsflug die Erlaubnis gab, den dänischen Luftraum zu durchqueren. Letztes Jahr veröffentlichte die Open Society Foundation den Bericht "Globalisierung von Folter – Geheime Festnahmen und außerordentliche Überstellungen der CIA". Darin wird dokumentiert, dass Dänemark eine von 53 Nationen war, welche die USA in ihren "Überstellungs"-Operationen unterstützte. Der 216-seitige Bericht dokumentiert die schrecklichen Menschenrechtsverletzungen, denen die 136 bekannten Opfer ausgesetzt waren.
Die wichtigen Informationen, die der Register hier veröffentlichte, wurden von den Massenmedien mit Schweigen übergangen, mit Ausnahme des russischen Nachrichtensenders RT.
In Großbritannien, wo die Quelle der Register-Informationen lebt, hat keine Zeitung, nicht einmal der Guardian, diese Fakten aufgegriffen, geschweige denn sie genauer untersucht. Die britischen Medien weigern sich, die Zensur infrage zu stellen, die die britische Regierung letztes Jahr, angeblich „im Interesse der nationalen Sicherheit“, über die Snowden-Enthüllungen verhängt hat.
Es gibt keinen Grund, die Richtigkeit der Angaben im Register-Artikel anzuzweifeln, und weder die Regierung der Vereinigten Staaten noch die dänische hat versucht, sie zu widerlegen. Wie der Register schreibt, hat "das US-Justizministerium nicht auf unsere Anfrage nach Informationen über die N977GA reagiert und keinen Grund genannt, warum die Maschine am 24. Juni nach Europa flog".
Unmittelbar nach Snowdens ersten Enthüllungen am 5. Juni des vergangenen Jahres unternahm die Obama-Regierung Schritte, um ihn um jeden Preis festzunehmen, und startete eine internationale Großfahndung. Zum Beispiel zwang sie die Maschine des bolivianische Präsidenten Evo Morales zur Landung, in der Annahme, dieser habe Snowden an Bord und wolle ihm in Bolivien Asyl gewähren.
Ein Flugzeug des „Rendition“-Programms loszuschicken, um Snowden zu ergreifen, wäre ein vergleichbarer Akt von Staatsterrorismus und Luftpiraterie. Es widerlegt die offizielle Haltung der US Regierung, der zufolge Snowden in die USA zurückkehren solle, wo er einen "fairen Prozess" zu gewärtigen habe.
Ein Tag nach Erscheinen des Register-Artikels wurde ein Artikel der Washington Post veröffentlicht. Dieser erlaubt weitere Einblicke in die außerordentlichen Bemühungen, mit denen man "Snowden schnappen" wollte. Darin heißt es: "Wochen lang trafen sich hochkarätige Beamte des FBI, der CIA und des Außenministeriums und anderer Behörden fast täglich, auf der verzweifelten Suche nach einem Weg, den ehemaligen Geheimdienst-Mitarbeiter zu ergreifen, der die internen Arbeitsmethoden der amerikanischen Spionage preisgegeben hatte und dann nach Hong Kong floh, ehe er schließlich nach Moskau gelangte".
Zitiert wird ein anonymer Beamter, dem zufolge die Sitzungen "von der Homeland Security-Beraterin des Weißen Hauses, Lisa Monaco, einberufen wurden".
Sie soll der Regierung und den Geheimdienstbeamten gesagt haben: "Das beste Szenario für uns wäre, wenn er in einem Drittland ankäme". Der Beamte berichtete der Zeitung: "Wir hofften, er würde dumm genug sein, irgendein Flugzeug zu besteigen, worauf ein Verbündeter sagen würde: ‘Du bist in unserem Luftraum. Lande!'".
Der Artikel erwähnt, dass der acht Wochen anhaltende Aktionismus " viel größer war, als US-Vertreter damals zugaben, und dass er Sitzungen des Weißen Hauses, ein hektisches diplomatisches Gerangel und die Entscheidung [umfasste], die Maschine eines ausländischen Regierungschefs zur Landung zu zwingen“.
An den Sitzungen im Weißen Haus nahmen der Leiter der CIA-Gegenspionage, der stellvertretende FBI-Direktor Sean Joyce und Michael McFaul teil, damals US-Botschafter in Russland. Laut Joyce wurde "nicht nur über den flüchtigen Edward Snowden" diskutiert, sondern auch über die Folgen, die seine Enthüllungen haben konnten. Die Post schreibt: "Es war eine ständige Suche nach Ideen, wie man ihn zurückbringen könne". Obwohl Joyce keine Details nannte, sagte er: "Da waren viele Dinge sozusagen am Laufen. Aber nichts davon führte tatsächlich zum Ziel."
Der Artikel zitiert Obamas Kommentar zu der Zeit: "Ich werde keinen Jet bereitstellen, um einen 29jährigen Hacker zu fangen." Wie die World Socialist Website damals feststellte, bemühte sich Obama, die Probleme der Snowden-Enthüllungen herunterzuspielen, während er sich eigentlich bewusst war, dass Snowdens mutiges Handeln weltweit unterstützt wurde, und die NSA-Enthüllungen in den ausländischen Hauptstädten für Beunruhigung sorgten.
Es ist nun offensichtlich, dass die Großfahndung nach Snowden nicht vom Tisch ist, und dass man auch mit einer illegalen Entführung und mit Methoden rechnen muss, die schon zahlreiche andere Unschuldige der Folter zugeführt und jahrelang ohne Prozess hinter Gitter gebracht haben.