Präsident Barack Obama enthüllte am Dienstag in Polen eine neue, milliardenschwere Initiative, mit der die militärische Einkreisung Russlands verstärkt und ein direkter bewaffneter Konflikt zwischen den beiden Atommächten vorbereitet werden soll.
Auf seiner viertägigen Europareise trifft der Präsident Vertreter aus ganz Osteuropa, sowie den neugewählten Präsidenten der Ukraine, den “Schokoladenkönig” Petro Poroschenko. Die Reise findet vor dem Hintergrund einer blutigen Eskalation der „Antiterroroperation“ statt, die das ukrainische Regime gegen die Bevölkerung im Osten des Landes führt.
Am Montag flog die ukrainische Luftwaffe Angriffe auf das Zentrum von Lugansk, einer Stadt mit fast einer halben Million Einwohnern nahe der russischen Grenze. Das regionale Verwaltungsgebäude wurde bombardiert, wobei mindestens acht Zivilisten getötet und 28 verletzt wurden, viele davon schwer. Unter den Getöteten war Natalja Archipowa, die Gesundheitsministerin der nach dem Autonomiereferendum im Mai ausgerufenen Volksrepublik Lugansk. Als die Bomben fielen, sprach sie gerade mit einer anderen Frau am Eingang des Gebäudes, die ebenfalls getötet wurde.
Dies ist ein besonders blutiges Beispiel unter der wachsenden Zahl an Gräueltaten. Das ukrainische Regime greift die Bevölkerung im Osten mit Kampfflugzeugen, schwerer Artillerie und Mörsergranaten an und hetzt die Schläger des faschistischen Rechten Sektors auf sie. Das wahllose Bombardement beschädigt Schulen, Krankenhäuser und Wohngebiete. Es soll die Regionen einschüchtern, die dem Regime in Kiew Widerstand leisten, das im Februar in einem von den USA unterstützten und von Faschisten angeführten Putsch an die Macht kam. Die Opposition ist seit der Wahl des Milliardärs Poroschenko am 25. Mai nur noch stärker geworden.
In Polen drohte Obama der russischen Regierung von Präsident Wladimir Putin mit neuen Sanktionen und stellte ihr ein Ultimatum, sie müsse den Kräften, die dem Kiewer Regime und den Faschisten vom Rechten Sektor Widerstand leisten, die Kapitulation befehlen. Obama verband diese Forderung provokativ mit der Enthüllung eines Programms über eine Milliarde Dollar, womit die Truppenverstärkung der USA und der Nato an der russischen Grenze und militärische Hilfe für die Ukraine finanziert werden sollen.
Das Geld soll eine ständige Rotation amerikanischer Luft- und Bodentruppen in der Region ermöglichen. Diese Rotation hat schon mit der Entsendung eines Geschwaders von achtzehn amerikanischen F-16 Kampfflugzeugen begonnen, die Obama am Dienstag besuchte. Außerdem wurden schon 600 amerikanische Fallschirmjäger nach Polen und in die ehemaligen baltischen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen geschickt.
„Wir werden die Zahl amerikanischer Armee und Luftwaffeneinheiten erhöhen, die ständig in den verbündeten Ländern in Zentral- und Osteuropa rotieren“, sagte Obama bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski. „Wir werden unsere Partnerschaft mit befreundeten Ländern wie der Ukraine, Moldawien und Georgien stärken, die für ihre eigene Verteidigung sorgen.“
Auch zwischen Moskau auf der einen und Moldawien und Georgien auf der anderen Seite gibt es scharfe Spannungen. Dort haben russischsprachige Regionen eigene Staaten gegründet: Transnistrien im Fall von Moldawien und Abchasien und Südossetien im Fall von Georgien.
Militärhilfe in diese Regionen zu schaffen, kann nur zu einer Konfrontation mit Russland führen. Es wird immer deutlicher, dass Washington genau das beabsichtigt.
Unter der Bezeichnung Europäische Unterstützungsinitiative wird diese aufgestockte Hilfe dem Weißen Haus zufolge von einer Überprüfung der amerikanischen “Truppenpräsenz in Europa im Lichte der neuen Sicherheitsherausforderungen auf dem Kontinent“ begleitet. In der Erklärung heißt es außerdem, dass die militärische Aufrüstung in Osteuropa „nicht zu Lasten anderer Verteidigungsprioritäten wie z.B. unserer Neuausrichtung im asiatischen Pazifik gehen“ werde.
Mit anderen Worten nimmt die Obama-Regierung die Einkreisung und militärische Einschüchterung Russlands und Chinas gleichzeitig in Angriff.
Im Warschauer Belvedere Palast sagte Obama am Dienstag außerdem, dass das eine Milliarde Dollar Programm den USA in Vorbereitung auf einen militärischen Konflikt auch dazu dienen werde, „mehr Ausrüstung in Europa vorzuhalten“.
Parallel zu Obamas Europareise begannen die Nato-Verteidigungsminister am Dienstag Gespräche über militärische Maßnahmen gegen Russland. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel übte auf dem Treffen Druck auf europäische Nato-Mitglieder aus, ihr eigenes Militär erheblich aufzurüsten. Die meisten Nato-Mitgliedsländer erreichen nicht das vereinbarte Ziel, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für das Militär aufzuwenden. Einige haben ihre Ausgaben wegen der Wirtschaftskrise, die Europa seit 2008-2009 im Griff hat, sogar gesenkt.
Unzureichende militärische Ausgaben, warnte Hagel die europäischen Minister, sind “eine genauso große Bedrohung für die Allianz, wie jeder potentielle Gegner”.
Russlands Nato-Botschafter, Alexander Gruschko, warnte: “Wenn die zusätzliche Stationierung bedeutsamer Kontingente von Nato-Kampftruppen in Zentral- und Osteuropa auf der Tagesordnung steht – und wir hören solche Forderungen -, dann sehen wir solche Stationierungen, selbst wenn sie rotierend sein sollten, als einen direkten Bruch grundlegender Vereinbarungen zwischen Russland und der Nato.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Gruschko und der russische Verteidigungsminister Sergei Shoigu nannten die Aufrüstung der Nato nahe der russischen Grenzen in einer gemeinsamen Erklärung “beispiellos und übertrieben”. Sie warnten: „Die Nato sollte erkennen, dass sie von Russland keine ‚Zurückhaltung’ bei der Stationierung seiner Truppen erwarten kann, wenn sie sich auf diesen Weg begibt.“
Im Zusammenhang mit den von Washington provozierten wachsenden Spannungen in Osteuropa und der asiatisch-pazifischen Region veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag einen bedrohlichen Artikel mit dem Titel „“Der Westen überlegt, wie ein neuer großer Krieg verhindert – oder gewonnen - werden kann.“
Der Artikel beginnt mit den Worten: “Nach mehr als zehn Jahren konzentriertem Kampf gegen islamistische Militante beginnen westliche Militärplaner wieder, einen potentiellen Krieg zwischen Großmächten in ihre Überlegungen einzubeziehen.”
Darauf folgt ein Hinweis auf Obamas Warnung in seiner außenpolitischen Grundsatzrede in West Point vergangene Woche, dass “regionale Aggression, die nicht in die Schranken gewiesen wird, ob in der Südukraine oder dem Südchinesischen Meer, letztlich Auswirkungen auf unsere Verbündeten haben wird und unser Militär verwickeln könnte”.
Weiter heißt es in dem Artikel: “Einhundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs sind Bücher über diese Periode in Washington, Whitehall und dem Nato-Hauptquartier in Brüssel sehr populär, sagen heutige und ehemalige Vertreter, und nicht nur aus rein historischem Interesse.“
Und weiter: “Wie 1914 weiß niemand wirklich, wie ein moderner großer Krieg aussehen würde. Viele Militärexperten gehen davon aus, dass ein Konflikt mit konventionellen Waffen ausgetragen würde. Aber die Atommächte haben ihre Kriegsplanung immer aktualisiert. Sie verfügen immer noch über Ziellisten, die die gegenseitige Vernichtung sicherstellen, sagen heutige und ehemalige Vertreter.“
Ein anonymer hoher westlicher Vertreter wird so zitiert: “Wir befinden uns hier auf unerforschtem Terrain. Das erfordert es, (…) höchste Kampffähigkeit und eine gut durchdachte Doktrin für konventionelle wie für nukleare Abschreckung wiederherzustellen.“