Die Reaktion der USA auf den Militärputsch letzte Woche in Thailand war äußerst zynisch. Außenminister John Kerry erklärte, er sei "enttäuscht" über die Entscheidung des thailändischen Militärs, die Verfassung auszusetzen und die Kontrolle über die Regierung zu übernehmen. Er drängte auf "eine Rückkehr zur Demokratie" und warnte, Hilfsprogramme für das Militär und andere Bereiche würden möglicherweise eingestellt.
Kerrys "Enttäuschung" hat nichts mit etwaiger Sorge um demokratische Rechte der thailändischen Bevölkerung zu tun. Vielmehr war es während der siebenmonatigen politischen Unruhen in Thailand die Hauptsorge der Obama-Regierung, ihre engen, seit langem bestehenden Beziehungen mit dem thailändischen Militär zu bewahren. Denn diese sind Bestandteil ihrer Aufrüstung der gesamten Region im Rahmen der "Konzentration auf Asien".
Die Machtergreifung des Militärs am 22. Mai ist der Höhepunkt einer Entwicklung, die man nicht anders als einen "schleichenden Putsch" der traditionellen, um die Monarchie gruppierten thailändischen Eliten bezeichnen kann. Diese stehen der gewählten Pheu Thai-Regierung und ihrem wichtigsten Geldgeber, dem ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra, zutiefst feindselig gegenüber. Die regierungsfeindliche Proteste begannen Im November. Sie forderten die Absetzung von Thaksins Schwester, Yingluck Shinawatra; gleichzeitig zogen Gerichtsentscheidungen, die von beiden Seiten unterstützt wurden, die Schlinge um die Regierung enger.
Die Obama-Regierung protestierte nicht, als im März das Verfassungsgericht die Ergebnisse der Wahl vom 2. Februar, die von regierungsfeindlichen Protesten und einem Boykott durch die oppositionelle Demokratische Partei gestört worden waren, für nichtig erklärte. Durch das Urteil hing die Regierung in der Schwebe. Sue hatte nur noch begrenzte Befugnisse als "geschäftsführende Regierung.“ Genauso wenig kritisierte Washington die Entscheidung des Verfassungsgerichtes vom 7. Mai, die Yingluck und neun Minister ihres Kabinetts wegen angeblicher Verfehlungen entmachtete, was auf einen Justizputsch hinauslief. Am 20. Mai unterstützte das US-Außenministerium die Verhängung des Kriegsrechts durch das Militär und akzeptierte die Behauptung des Oberbefehlshabers General Prayuth Chan-ocha, es sei "kein Putsch" gewesen.
Kerry äußerte seine Enttäuschung erst zwei Tage später, als Prayuth die Übergangsregierung auflöste, politische Führer verhaftete, umfassende Zensur einführte, öffentliche Versammlungen verbot und selbst die Macht als Premierminister übernahm. Es war den USA dann nicht mehr möglich so zu tun, als habe kein Militärputsch stattgefunden. Das versetzte die Obama-Regierung in eine Lage, in der sie rechtlich zu handeln gezwungen war. Gemäß dem Foreign Assistance Act (Gesetz für auswärtige Hilfeleistungen) ist das Weiße Haus verpflichtet, Hilfszahlungen an Länder einzustellen, in denen "ein rechtmäßig gewähltes Regierungsoberhaupt durch einen Militärputsch gestürzt wurde“.
Die USA haben daraufhin zum Schein angekündigt, die Militärhilfe für Thailand in Höhe von 3,5 Millionen Dollar auszusetzen, ein gemeinsames Marinemanöver, das seit letzter Woche stattfindet, abzubrechen, und ein Polizei-Ausbildungprogramm sowie zwei Treffen auf hoher Ebene abzusagen. Dennoch wird die enge Zusammenarbeit zwischen dem Pentagon und dem Militär zweifellos insgeheim weitergehen und die Beziehungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder aufgenommen werden.
All das wurde mit Sicherheit im Voraus zwischen der Obama-Regierung und den thailändischen Kommandanten ausgehandelt. Der stellvertretende Außenminister Daniel Russel war letzten Monat in Bangkok, um sich mit "einer Reihe von Führern und Interessenvertretern" zu treffen. Er appellierte öffentlich an die Regierung und ihre monarchistischen Gegner, die ein nicht gewähltes "Volkskomitee" an die Macht bringen wollten, einen Kompromiss zu schließen. Hinter den Kulissen wurden die Vertreter der USA jedoch zweifellos von der Militärführung über ihre Absichten in Kenntnis gesetzt.
Der Putsch letzte Woche folgt demselben Muster wie Thaksins Sturz 2006. WikiLeaks-Telegramme enthüllten später, dass der amerikanische Botschafter Ralph Boyce mehrere Wochen vorher über die Putschpläne des Militärs informiert worden war und ihnen zugestimmt hatte. Beide Seiten wussten, dass dies geringfügige Kürzungen der amerikanischen Hilfsgelder nach sich ziehen würde. Allerdings unterstützten die USA weiterhin im Rahmen der Rechtsdurchsetzung Antiterrorprogramm und solche zur Nichtverbreitung von Atomwaffen. Thailand konnte seine Vorzugsbehandlung als wichtiger Nicht-Nato-Verbündeter beibehalten und die gemeinsame Cobra Gold Militärübung, eine der größten der Welt, ging wie geplant seit 2007 unter der Junta weiter. Die Obama-Regierung hat diesem Putsch zweifellos genauso grünes Licht signalisiert wie 2006.
Das Vorgehen des Militärs richtet sich nicht so sehr gegen die Pro-Thaksin-Fraktion der herrschenden Klasse sondern in erster Linie gegen die Arbeiterklasse und die arme Landbevölkerung. Die herrschenden Kreise in Thailand und Washington treibt sie Angst um, dass die langen Fraktionskämpfe den Weg für eine Bewegung der Arbeiter und Bauern ebnen könnten gegen die Bedingungen des negativen Wirtschaftswachstums, die wachsenden sozialen Spannungen und die Forderungen der Konzerne nach Austerität.
Die USA unterstützen den Putsch stillschweigend und versuchen außerdem, die Auswirkungen auf ihre Beziehungen zum Militär so gering wie möglich zu halten, denn Thailand ist offiziell ein militärischer Verbündeter und hat Truppen für die neokolonialen Kriege der USA in Korea, Vietnam, Afghanistan und dem Irak gestellt. Während des Vietnamkriegs waren 50.000 amerikanische Soldaten in Thailand stationiert, und amerikanische Bomber starteten von thailändischen Luftwaffenstützpunkten zu Einsätzen.
Die Bedeutung Thailands für die Kriegspläne des Pentagons wurde deutlich durch ein WikiLeaks-Telegramm von 2009. Darin schrieb der amerikanische Botschafter Eric John:: "Unser Militär hat pro Jahr über eintausendmal stillschweigend Zugang zu dem Luftwaffenstützpunkt [Utapao] für Flüge erhalten, die amerikanische Operationen unterstützen, darunter Missionen in Afghanistan und im Irak." Er wies auch darauf hin, dass das US-Militär den gleichen Luftwaffenstützpunkt "für Flüge zu Zielen von geheimdienstlichem Interesse" benutzt hat, und dass die USA routinemäßig die Erlaubnis zu diesen Operationen erhalten, "ohne Fragen über den Zweck der Flüge beantworten zu müssen. Es ist schwer vorstellbar, dass eine andere asiatische Nation solche Operationen so leicht genehmigt. Wir vermeiden es zwar aus Rücksicht auf thailändische Bedenken wegen der Wahrnehmung ausländischer Stationierungen, über unsere Benutzung von Utapao zu reden, aber Utapao und andere thailändische Flugplätze und Häfen sind wichtig für unsere Ziele und Truppentransporte in Südostasien."
Der Arbeiterklasse in ganz Asien und der Welt muss es eine Warnung sein, dass Washington den Militärputsch in Thailand von letzter Woche stillschweigend unterstützt. Der US-Imperialismus kämpft nicht für Demokratie, sondern verlässt sich zunehmend auf rechte Regimes wie die japanische Regierung von Shinzo Abe oder die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye, die Tochter des ehemaligen, von den USA unterstützten Diktators Park Chun-hee. Er versucht, durch die "Konzentration auf Asien" seine Hegemonie zu wahren und einen Krieg gegen China vorzubereiten. Die Unterstützung der thailändischen Junta ist nur der jüngste Fall.
Der politische Kampf für demokratische Rechte und gegen die Austerität ist untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen die die amerikanische Kriegstreiberei. Die Arbeiter in Thailand können ihre Klasseninteressen und Grundrechte nur verteidigen, wenn sie sich an die Arbeiterklasse in der Region und vor allem in den USA wenden und gemeinsam für eine sozialistische und internationalistische Perspektive kämpfen.