Am Donnerstagvormittag erlitten die ukrainischen Streitkräfte die schwersten Verluste seit Beginn ihres Vorstoßes. Sie greifen im Osten und Süden der Ukraine die Zivilbevölkerung an, die gegen das Putschregime in Kiew Widerstand leistet.
Bei einem Angriff auf eine Straßensperre in der Nähe der Stadt Wolnowacha, ungefähr dreißig Kilometer südlich von Donezk, wurden sechzehn Soldaten getötet und weitere dreißig verwundet, etliche davon schwer. Schüsse von Regime-feindlichen Kämpfern hatten offenbar ein Munitionslager in Brand gesetzt, was zu einer massiven Explosion führte, so dass die Geschütztürme von den gepanzerten Fahrzeugen abgerissen wurden.
Ersten Berichten von Anwohnern zufolge hatten Mitglieder der Nationalgarde die Straßensperre auf der Hauptstraße zwischen Donezk und der Hafenstadt Mariupol eingenommen. Die Nationalgarde ist eine Einheit, die eilig aus Freiwilligen zusammengestellt worden war, von denen viele aus dem Rechten Sektor und anderen extrem nationalistischen Organisationen stammen.
Ein Kommandeur der Aufständischen, die sich loyal zur „Volksrepublik Donezk“ bekennen, die nach dem Referendum von 11. Mai ausgerufen worden war, zeigte Journalisten später einen Haufen automatischer Waffen, Granatwerfern und anderem Material, das sie in der Schlacht erobert hatten.
Ein anderer ukrainischer Soldat wurde in Kämpfen in der Stadt Rubischne in der nordwestlichen Region Lugansk getötet, und etliche weitere wurden verwundet. Auch Lugansk hatte im Referendum von 11. Mai für die Autonomie gestimmt.
Die blutigen Kämpfe fanden drei Tage vor den Präsidentschaftswahlen statt. Das Regime in Kiew hat diese Wahlen angesetzt, um den von den Westmächten unterstützten Coup zu legitimieren, durch den der gewählte Präsident Wiktor Janukowitsch im Februar gestürzt worden war. Das unterstreicht den ganzen Schwindel dieser Wahlveranstaltung: Sie findet unter Bedingungen statt, in denen Millionen Ukrainer in den vorwiegend russischsprachigen Gebieten im Osten und Süden mit einer militärischen Besatzung konfrontiert sind.
Nur wenige Stunden vor dem Angriff auf die Straßensperre außerhalb von Donezk hatte der Präsident des Kiewer Regimes, Alexander Turchinow, sich in einem Lager in der Nähe der Regierungshochburg Slowiansk mit Sicherheitskräften getroffen und dort erklärt, sie seien bereit, „mit den Regionen Donezk und Lugansk“ aufzuräumen und sie „von Terroristen zu säubern“.
Das Regime hat Streitkräfte in der Region zusammengezogen, die die Zivilbevölkerung wahllos angreifen. Die Stadt Slowiansk wurde am Mittwoch unter Artilleriefeuer genommen. Am Tag zuvor wurden die nahegelegenen Gebiete von Semjonowka und Andrejewka bombardiert, wobei Häuser teilweise zerstört und in Brand gesetzt wurden.
Associated Press interviewte Sinaida Patskam, eine Frau, an deren Haus beim Angriff auf Semenowka das Dach weggerissen und eine Wand zertrümmert worden waren. „Weshalb schießen sie auf uns?“ fragte die Achtzigjährige. Sie erzählte voller Angst, wie sie sich während der Bombardierung mit ihrer Katze unter dem Küchentisch versteckt hatte. „Wir sind doch friedliche Bürger.“
Nach dem Angriff demonstrierten mehr als hundert Einwohner der kleinen Ortschaft öffentlich und verlangten, dass die Streitkräfte des Regimes mit ihren Angriffen aufhören und sich zurückziehen sollten. Sprecher auf der Kundgebung forderten dazu auf, die Wahl am Sonntag zu boykottieren.
Auch in der Region Lugansk kam es zu einem Angriff, bei dem sich etwa 2000 Mann und 200 Militärfahrzeuge, darunter Panzer und Grad-Raketenwerfer, auf die Stadt Lugansk zu bewegten.
Bewaffnete Zusammenstöße wurden aus der Nähe der Städte Rubischne und Lyssytschank gemeldet, die unter Mörderbeschuss kamen. Eine Brücke über den Fluss Siwerskyj Donez wurde gesprengt. Dies soll von lokalen Milizen getan worden sein, um das Vordringen der Truppen des Kiewer Regimes aufzuhalten.
Der Regierungschef der selbsternannten autonomen Region Lugansk rief zur Mobilisierung aller Reservisten zwischen achtzehn und 45 Jahren auf, um die Offensive aufzuhalten. Um fünfzehn Uhr Ortszeit am Donnerstag heulten Sirenen, und Kirchenglocken läuteten in der Stadt Lugansk, als Fabriken, Werkstätten und Schulen wegen des unmittelbar bevorstehenden Angriffs geschlossen wurden.
Die Vorstellung, ein Regime, das durch einen vom Westen unterstützten gewaltsamen Putsch an die Macht gebracht wurde, könnte unter diesen Bedingungen eine rechtmäßige Wahl durchführen, ist geradezu absurd. Dennoch bestand der Sprecher des Außenministeriums Jen Psaki, der zuvor die blutigen Kämpfe zugegeben hatte, darauf, dass „die Vorbereitungen für die Wahl am Sonntag dessen ungeachtet“ weitergehen würden.
Der Direktor des Wahlkomitees der Ukraine warf schwerwiegende Fragen angesichts dieser Einschätzung auf. Er schätzte, dass mehr als die Hälfte der Wahllokale im Süden und Osten des Landes wohl nicht öffnen würden, was bedeutete, dass mindesten zwei Millionen Wahlberechtigte keine Gelegenheit hätten, ihre Stimme abzugeben. Die wirkliche Zahl dürfte noch viel höher liegen, denn in Donezk und Lugansk leben fünfzehn Prozent der 46 Millionen Einwohner der Ukraine.
Der Milliardär Petro Poroschenko, der sogenannte “Schokoladenkönig“, liegt bei den Umfragen zur Wahl weit vorn. Er wird voraussichtlich fünfzig Prozent der Stimmen erreichen, wodurch eine Stichwahl entfiele. Als die Streitkräfte des Regimes ihre Angriffe im Osten und Süden begannen, gab Poroschenko einen Hinweis darauf, was für eine Art Regime er anzuführen gedenkt. Er erklärte auf einer Pressekonferenz in der westlichen Stadt Lwiw (Lemberg), dass innerhalb der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament, eine „Anti-Terror-Operation“ durchzuführen sei, da sich dort „führende Köpfe und Finanziers der separatistischen Banden“ befänden.
In Wirklichkeit hat im Osten und Süden des Landes praktisch kein Wahlkampf stattgefunden. Die Umfragen ergaben, dass ein großer Teil der Bevölkerung dort die Wahl boykottieren könnte, ob nun die Wahllokale öffnen oder nicht. Es sind die ersten Wahlen seit der Auflösung der Sowjetunion und der formellen Unabhängigkeit der Ukraine 1991, bei denen diese Regionen keinen nennenswerten Kandidaten haben, der sie repräsentiert.
Als die Kämpfe in der Ukraine zunahmen, bestätigte das Pentagon, dass der Lenkwaffenkreuzer der US-Marine am Freitag im Schwarzen Meer ankommen ist. Er werde am Sonntag während der Wahl in den Gewässern der Ukraine bleiben und vollständig gefechtsbereit sein.