Perspektive

Die Kriegsdrohungen gegen Russland und die soziale Krise in den USA

Wieder einmal wird die amerikanische Bevölkerung mit Kriegspropaganda bombardiert. Der Krise in der Ukraine, die vor einem Monat durch den von den USA und der EU unterstützten Umsturz ausgelöst wurde, folgt jetzt eine Kampagne gegen Russland wegen des Krim-Referendums, die Wirtschaftssanktionen und militärische Drohungen der Nato mit einschließt.

Die gegenwärtige Krise ist nur die jüngste Wiederholung eines Vorgangs, der schon fast zum alltäglichen Leben in den Vereinigten Staaten gehört. Erst im letzten Sommer wurde das amerikanische Volk mit einer künstlich aufgeputschten Kriegspropaganda bearbeitet, die beinahe zur Bombardierung Syriens geführt hätte. Davor war Libyen an der Reihe, wo den Amerikanern weisgemacht wurde, ein unmittelbarer Militärschlag sei nötig, um eine „humanitäre“ Katastrophe zu verhindern. Die Drohungen gegen Iran und China dauern an, und die Option militärischer Aktionen liegt nach wie vor „auf dem Tisch“.

Seit 25 Jahren setzen die USA auf der ganzen Welt immer brutaler und hemmungsloser militärische Gewalt ein. Auf den Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, der zum „Ende der Geschichte“ erklärt wurde, folgten unzählige militärische Interventionen, von Bombenangriffen, über Drohnenmorden bis hin zu direkten Invasionen: Panama, Irak, Haiti, Somalia, Sudan, Serbien, Afghanistan, noch einmal Irak, Jemen, Pakistan und Libyen.

Seit den Anschlägen vom 11. September hat die amerikanische Regierung einen endlosen „Krieg gegen Terror“ entfacht, um ein ständiges Klima der Angst zu schüren und die Struktur eines Polizeistaats zu schaffen.

Es ist, mit kleineren Varianten, immer dasselbe Szenario. Hysterische Medien dämonisieren den Führer eines Landes als neueste Inkarnation von „Hitler“; dann werden Vorwände konstruiert, und der Präsident erhebt absurde Vorwürfe; darauf fordert ein Kongressabgeordneter nach dem anderen aggressivere Maßnahmen. Jede Information, die die offizielle Lesart in Frage stellen könnte – so wie jetzt die Tatsache, dass die USA mit faschistischen und antisemitischen Kräften in der Ukraine zusammenarbeiten – wird ignoriert.

Mittlerweile ist die Bevölkerung zwar bis zu einem gewissen Ausmaß gegen diesen Prozess abgehärtet, doch die Kriegshysterie des politischen Establishments wird umso maßloser.

Die Tatsache, dass das Land sich permanent im Krieg oder kurz vor einem Krieg befindet, ist ein politisches und soziologisches Phänomen, das einer Erklärung bedarf.

Zu allererst muss man die geopolitischen und finanziellen Zwänge des amerikanischen Imperialismus in Betracht ziehen. Die amerikanische herrschende Klasse hatte den Kollaps der Sowjetunion als Gelegenheit gesehen, ihre ungehinderte Vorherrschaft über die ganze Welt zu errichten. In ihrer Außenpolitik kann sie sich eigene Interessen eines anderen Landes nur dann vorstellen, wenn sie eins zu eins mit denen der USA übereinstimmen. Sollte eine andere Regierung den amerikanischen Ambitionen in die Quere kommen, beispielsweise ihrer angestrebten Kontrolle über die wichtigsten Märkte und Ressourcen, dann ist diese ein potenzielles Ziel für Angriff, Destabilisierung oder Regimewechsel.

Der wichtigste Faktor für die ununterbrochene Kriegstreiberei ist jedoch die soziale Lage in den Vereinigten Staaten selbst. Das Schüren einer Kriegsstimmung dient einem definitiven sozialen Zweck, nämlich die Spannungen im Inneren nach außen, auf den zuletzt ausgemachten Feind zu lenken.

Eine Reihe von Indikatoren geben ein Bild von den sozialen Beziehungen in Amerika fünfeinhalb Jahre nach dem Finanzzusammenbruch von 2008:

  • Offiziell sind 10,5 Millionen Menschen in den USA arbeitslos. Aber diese offiziellen Zahlen sind stark untertrieben. Innerhalb der letzten fünf Jahre haben weitere 5,5 Millionen Menschen aus ökonomischen Gründen ihren Arbeitsplatz verloren. Sie werden nicht als arbeitslos gezählt. Der Prozentsatz der Bevölkerung, der einen Arbeitsplatz hat, bleibt niedrig, nachdem er während der Finanzkrise 2008/09 drastisch zurückgegangen war. Gleichzeitig sind die bereits damals geringen Arbeitslosengelder zusammengekürzt oder sogar ganz gestrichen worden.
  •  Die Armut nimmt epidemische Ausmaße an. In den vergangenen Jahren betraf sie 15 Prozent der Bevölkerung – eine Zahl wie zuletzt in den 1960er Jahren. Eines von sieben amerikanischen Kindern lebt in Armut. Damit stehen laut Uno-Angaben die USA auf Rang 26 von 29 entwickelten Ländern. In den USA lebt ein größerer Prozentsatz der Kinder in Armut, als im krisengeschüttelten Griechenland. Rund 1,65 Millionen Haushalte (einschließlich 3,55 Millionen Kindern) müssen mit weniger als 2 Dollar am Tag pro Person auskommen.
  •  Die sozialen Probleme beantwortet die herrschende Klasse damit, dass sie Menschen hinter Gitter bringt. Die Vereinigten Staaten haben die höchste Prozentzahl Gefängnisinsassen von allen Ländern der Welt – sie beläuft sich auf 743 von 100.000 Menschen, insgesamt 2,3 Millionen. Rund ein Viertel aller Gefängnisinsassen der Welt befinden sich in den USA, obwohl hier nur 5 Prozent aller Menschen der Welt leben.
  •  Die Löhne der amerikanischen Arbeiter werden seit Jahrzehnten abgebaut, und der Anteil der durch Arbeit erzielten Einkommen am Gesamteinkommen ist ständig gesunken. Zugleich steigen die Preise für die Produkte des täglichen Bedarfs. Familien müssen erdrückende Schulden aus Einkäufen auf Kredit (durchschnittlich $ 15.252 pro Haushalt), Studentendarlehen ($ 32.986) und aus Hypothekendarlehen ($ 152.209) schultern.

Die herrschende Klasse hat die ökonomische Krise genutzt, um eine gewaltige Umverteilung des Reichtums von unten nach oben durchzusetzen. Unternehmensprofite ebenso wie die Gewinne an der Börse sind auf Rekordhöhen gestiegen. Die reichsten 400 Personen besitzen jetzt ein Vermögen von 2,2 Billionen Dollar, eine Steigerung von 500 Millionen Dollar in nur einem Jahr von 2012 bis 2013. Das oberste 1 Prozent konnte 95 Prozent aller Einkommenszuwächse seit 2009 für sich vereinnahmen.

Die letzten fünf Jahre der Innen- und Außenpolitik wurzeln in einer Entwicklung, die die herrschende Klasse schon seit vier Jahrzehnten vorantreibt. Sie hat systematisch versucht, frühere soziale Reformen und wirtschaftliche Regulierungen rückgängig zu machen, und damit einen historischen Rückschritt der Lebensverhältnisse für die breite Masse der Bevölkerung eingeleitet.

Das Verhalten der herrschende Finanzelite selbst nimmt einen immer kriminelleren Charakter an. Mit Betrug, Spekulation und Diebstahl rafft sie ihre Reichtümer zusammen, und diese heruntergekommene soziale Physiognomie drückt sich in ihrer Außen- und Innenpolitik aus, in Krieg, sozialer Konterrevolution und Zerstörung demokratischer Rechte.

Doch die dadurch hervorgerufenen ungeheuren sozialen Spannungen finden keinen fortschrittlichen politischen Ausweg. Der Staat und seine Hilfstruppen, einschließlich der Medien, agieren als hundertprozentige Lakaien einer rücksichtslosen und in wachsendem Maße kriminellen Finanzoligarchie.

Ungeachtet der jeweiligen geopolitischen Zielsetzung, dienen die militärischen Aktionen der Ablenkung und Regulierung der Klassengegensätze. Die Brutalität des amerikanischen Militarismus ist Ausdruck der tiefen, unlösbaren Krise des amerikanischen Kapitalismus. Sie fordert unvermeidlich und notwendig sein Gegenteil heraus – die soziale Revolution.

Loading