Nach der Schließung der Ford-Werke in Genk, Southampton und Dagenham ist jetzt das traditionsreiche Werk in Köln an der Reihe. IG Metall, Betriebsrat und Geschäftsleitung verhandeln derzeit über die Weiterführung der Fiesta-Produktion in Köln.
Wenn die rund 4.100 Arbeiter im Werk Köln-Niehl künftig nicht „flexibler, effizienter und billiger arbeiten als bisher“, droht die Verlagerung ins rumänische Werk in Craiova, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) gestützt auf Informationen aus dem Aufsichtsrat der Ford Werke GmbH in Köln.
Am Freitag vergangener Woche kamen mehr als 10.000 Arbeiter der Kölner Ford-Werke sowie von Zulieferfirmen auf Betriebsversammlungen zusammen, um sich von Gewerkschaft und Ford-Betriebsrat über den Stand der Verhandlungen informieren zu lassen.
Ende 2016 läuft die Produktion des aktuellen Fiesta-Modells aus und Köln steht bei der konzerninternen Vergabe der Nachfolger-Produktion in internationaler Konkurrenz mit allen Ford-Werken. „Wir haben weltweit über 90 Werke und darunter viele Werke, die auch Kleinwagen produzieren“, hatte Deutschland-Chef Bernhard Mattes schon letzten Monat betont. „Die Werke sind untereinander immer im Wettbewerb.“
Der Fiesta wird in Köln bereits in der siebten Generation gefertigt. In den letzten 35 Jahren rollten mehr als sieben Millionen Fahrzeuge dieses Typs vom Band. Laut Angaben des Herstellers war das Modell im letzten Jahr der meistverkaufte Kleinwagen in Europa. Fast die gesamte Kölner Produktion – rund 90 Prozent – geht in den Export. Insgesamt beschäftigt Ford in seinen Werken rund um die Kölner Europa-Zentrale 17.300 Arbeiter. Neben dem Fiesta werden auch Motoren, Getriebe sowie Schmiede- und Gussteile gefertigt.
Laut IG Metall konkurriert das Kölner Werk mit dem Ford-Werk im rumänischen Craiova um das neue Fiesta-Modell. In Rumänien sind die Kosten bedeutend niedriger. Das betreffe die Energiekosten, insbesondere aber die Lohnkosten. Nach Daten des CAR-Instituts der Universität Duisburg (Center for Automotive Research) liegen die Lohnkosten in Rumänien mit knapp 5 Euro in der Stunde lediglich bei 10 Prozent der Lohnkosten in Deutschland.
Am rumänischen Standort in Craiova arbeiten ebenfalls gut 4.000 Beschäftigte für Ford. Dort wird der fünfsitzige Van B-Max produziert, der auf dem Fiesta basiert. Dieser größere Familienwagen hat in den letzten Jahren Käufer verloren. Das Ford-Werk in Rumänien soll nur schwach ausgelastet sein.
Ford hat wie alle Konzerne die Wirtschaftskrise seit 2008 genutzt, um weltweit gewaltige Angriffe gegen die Beschäftigten durchzusetzen. Der wirtschaftliche Niedergang und sinkende Absatzzahlen dienen als Hebel, um Arbeitsplätze in großem Umfang abzubauen und alle in der Nachkriegszeit erkämpften Errungenschaften rückgängig zu machen. Der soziale Kahlschlag, mit Lohnsenkungen bis zu 50 Prozent in den USA, soll nun weltweit, auch in Europa stattfinden.
Die Schließung der Werke im belgischen Genk mit fast 4.500 Beschäftigten und im britischen Southampton sowie die Aufgabe von Presswerk und Werkzeugbau im britischen Dagenham bildeten den Auftakt. Im vergangenen Jahr folgte die Ankündigung, dass die beiden Ford-Fabriken in Australien geschlossen werden. Dort steht die gesamte Automobilindustrie vor dem Aus.
Den Beschäftigten im Köln-Niehler Werk drohte Deutschland-Chef Bernhard Mattes: „Der nächste Fiesta muss in Köln global wettbewerbsfähig sein.“ Mit anderen Worten, die Beschäftigten sollen Lohnkürzungen und Arbeitsplatzabbau zu akzeptieren, wenn das Werk nicht geschlossen werden soll.
Die Kölner Ford-Arbeiter werden gegen die unter Armutslöhnen leidenden rumänischen Arbeiter ausgespielt. Die IG Metall und der Betriebsrat beteiligen sich an dieser Erpressung. Während sie die Arbeiter hinhalten, arbeiten sie mit der Geschäftsführung die Kürzungspläne aus. Sie fordern vom amerikanischen Management eine Standortzusage für Köln. Dann werde man auch über Einsparungen verhandeln.
In einer Presseerklärung des Betriebsrates auf der Website der IGM-Vertrauenskörperleitung bei Ford heißt es: „Die Werke in Genk, Southampton und Dagenham wurden geschlossen, ohne den Betriebsräten und Gewerkschaften eine echte Chance zur Rettung der Standorte zu geben.“ So etwas werde der Kölner Betriebsrat nicht zulassen.
IGM und Betriebsrat arbeiten an einem eigenen Spar- und Kürzungsprogramm und wollen das anschließend als Verteidigung des Standorts präsentieren. In ihrer Erklärung heißt es: „Wenn die Berechnungen ergeben, dass wir den Fiesta in Köln konkurrenzfähig produzieren können, dann muss er auch hier gebaut werden!“
Mit anderen Worten, Betriebsrat und IGM fungieren als Unternehmensberater und machen Vorschläge, wie die Ausbeutung in den Kölner Werken so weit gesteigert werden kann, dass die Produktion in Köln trotz der niedrigen Löhne in Rumänien für die Konzernleitung und Anleger profitabel ist. „Unsere Forderung ist es, in Arbeitsgruppen die gesamten Kosten des Standortes zu analysieren und notwendige Korrekturen einzuleiten“, schreiben sie.
Ganz in diesem Sinne erklärt Witich Roßmann, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen, Köln verfüge über hervorragende Standortfaktoren für die Fiesta-Produktion. Es sei aufgrund von Studien „das weltweit produktivste Werk der Automobilindustrie“. In Köln existierten „eine eingespielte Mannschaft“ mit „permanenter Produktivitätssteigerung“, flexible „Just in Time Kooperation“ mit den Zuliefer-Firmen des Ford Industrieparks in der unmittelbaren Umgebung sowie mit dem Kölner Motorenwerk, usw. usf. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten kommen in seiner Argumentation nicht vor.
Betriebsrats-Chef Martin Hennig erklärte gegenüber der Bild-Zeitung schon, wie Einsparungen zu erzielen seien. „Der Plan sieht vor, dass die Kölner in der Früh- und Spätschicht 1.200 Einheiten bauen. Je nach Nachfrage würden die rumänischen Kollegen die restliche Fiesta-Produktion übernehmen.“
Im Moment fertigen die Kölner bis zu 1.760 Fiesta täglich in drei Schichten, also auch in der Nachtschicht. Hennig rechnet vor: „Wer in Köln Nachtschicht arbeitet, verdient pro Kopf 500 Euro netto mehr als die Kollegen von der Früh- und Spätschicht. 1.000 Jobs in der Nachtschicht – in Krisenzeiten steckt hier das größte Einsparpotenzial.“
Und einen weiteren Minuspunkt hat Hennig ausgemacht: Die Kölner Beschäftigten hätten einen überdurchschnittlich hohen Krankenstand. Die Fehlzeiten im Kölner Ford-Werk würden zwischen 10 und 20 Prozent variieren, erklärte Hennig der Bild-Zeitung, das sei der höchste Krankenstand aller Ford-Werke in Europa und müsse geändert werden.
Grund für den hohen Krankenstand dürfte nicht zuletzt die „permanente Produktivitätssteigerung“ zu Lasten der Belegschaft sein, die der Betriebsrat weiter verschärfen will. Ende der 1990er Jahre hatten viele Betriebsräte in der Autoindustrie, etwa bei Opel, Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, die das Weihnachtsgeld an den Krankenstand koppeln. Das volle Geld gibt es nur bei einer Quote unter 6 Prozent.