Etwa tausend Studierende nahmen am Donnerstag an einer studentischen Vollversammlung an der Humboldt-Universität Berlin teil. Anlass waren drohende Stellenstreichungen an der zweitgrößten Berliner Hochschule.
Die Vollversammlung war die größte solche Veranstaltung seit mehreren Jahren. Zahlreiche Studierende fanden im größten Saal der Universität keinen Platz mehr, setzten sich auf den Fußboden oder standen in den Gängen. Viele waren besorgt über die Aussicht auf Verschlechterungen in der Qualität ihres Studiums, auf überfüllte Seminare oder den Wegfall von Kursen.
Auch die prekäre Lage der wissenschaftlichen Mitarbeiter wurde thematisiert. Zahlreiche Redebeiträge machten auf die miserable Bezahlung und die ständige Überlastung des Mittelbaus aufmerksam und sprachen sich für eine breite Solidarisierung aus. Besondere Empörung rief die Tatsache hervor, dass die HU einerseits Teil der Exzellenzinitiative der Bundesregierung ist und als „Elite-Uni“ besonders gefördert wird, andererseits aber bei Personal und Lehre gespart werden soll.
Bisher sind noch kaum Details über konkrete Einschnitte an einzelnen Fakultäten bekannt. Fest steht jedoch, dass gerade im akademischen Mittelbau Stellen eingespart werden sollen. Marina Frost, Vizepräsidentin für den Haushalt an der HU, hatte unlängst von einer „dramatischen Schere“ zwischen den benötigten und den tatsächlich vorhandenen Mitteln für den Personalhaushalt gesprochen. Befristete Verträge sollen auslaufen und nicht mit neuen Mitarbeitern besetzt werden, was einer Entlassungswelle gleichkommt.
Nach Angaben des Personalrats der HU könnte ein Drittel der tausend haushaltsfinanzierten Mitarbeiter von einer solchen Besetzungssperre betroffen sein. Anfragen nach genauen Zahlen habe das Präsidium gegenüber Studierendenvertretern nicht beantwortet. Daher erging auf der Vollversammlung der Aufruf an die Studierenden, selbst Informationen zu sammeln, um ein besseres Lagebild zu ermöglichen.
Die neun Forderungen, die die Vollversammlung beschlossen hat, gehen selten über die unmittelbare Situation an der HU hinaus. Sie sind unmittelbar an das Präsidium der Universität gerichtet und sprechen sich für mehr Transparenz bei der Haushaltsplanung, die Schaffung regulärer Beschäftigungsverhältnisse in der Lehre, aber auch für freien Zugang an die Universität aus. Alle Forderungen waren zuvor von der Studentenvertretung, dem Referentinnenrat, ausgearbeitet und der Vollversammlung vorgelegt worden.
Auch wenn es Hinweise für Fehlkalkulationen im Haushalt der HU gibt, tragen die Hauptverantwortung für die üble Situation an der Universität der schwarz-rote Berliner Senat und sein rot-roter Vorgänger.
In ihrer zehnjährigen Regierungszeit legten SPD und Linkspartei von 2001 bis 2011 ein Sparprogramm für die Berliner Hochschulen im Umfang von 75 Millionen Euro auf. Zugleich wurden jährliche Kostensteigerungen etwa für Energieversorgung, Personal und Pensionen seit zehn Jahren nicht durch die Hochschulverträge mit dem Land Berlin ausgeglichen. Deshalb häuften die Universitäten von Jahr zu Jahr neue Defizite an, die unter anderem durch Lohnkürzungen und Stellenabbau ausgeglichen wurden.
Ähnlich wie jetzt für die HU geplant, gehen die beiden anderen großen Berliner Universitäten schon länger mit Stelleneinsparungen um. So ist es an der Technischen Universität (TU) laut Tagesspiegel üblich, frei werdende Stellen im Mittelbau grundsätzlich für drei bis vier Monaten unbesetzt zu lassen, um Kosten zu sparen. Um die ohnehin schlecht bezahlten Stellen entbrennt trotzdem ein scharfer Wettbewerb, weil sie in der Regel als einziges Sprungbrett für eine weiterführende akademische Laufbahn gelten.
In zahlreichen anderen Bundesländern drohen ähnliche Kürzungen wie in Berlin. Während die Studienbedingungen für die Masse der Studierenden immer schlechter werden, kann eine schmale Schicht von Exzellenz-Initiativen und Leuchtturm-Projekten profitieren. Diese soziale Selektion ist in umfassende Angriffe eingebunden.
Europaweit ist die Situation besonders in Griechenland verheerend. Die von der EU organisierte soziale Verwüstung Griechenlands hat zu einer Jugendarbeitslosigkeit von über sechzig Prozent geführt. Zahlreiche Universitäten mussten schließen.
Auch in Berlin sind die Einsparungen im Bildungsbereich seit langem mit Lohnkürzungen und sozialen Angriffen in anderen Bereichen verbunden. Erst im Dezember stellte der Senat einen neuen Sparhaushalt vor, der weitere Kürzungen vorsieht, um die von der Großen Koalition nach der Bankenrettung verabschiedete Schuldenbremse einzuhalten.