Am Wochenende brachte die Financial Times in einem Leitartikel mit dem Titel “Stoppt die Kriegsgefahr in der Ostchinesischen See“ die wachsende Besorgnis der herrschenden Kreise über die Gefahr eines Konflikts zwischen Japan und China zum Ausdruck. „Die Möglichkeit eines Krieges“, heißt es da, „entwickelt sich schnell zu einem der größten Sicherheitsrisiken weltweit“, und die beiden Regierungen „tun nichts, um einen Konflikt weniger wahrscheinlich zu machen“.
Die FT verwies auf Bemerkungen des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizerischen Davos, wo er ausdrücklich den Vergleich zwischen der aktuellen Rivalität in Ostasien und der zwischen Großbritannien und Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkriegs zog. „Dass der japanische Ministerpräsident sich einen Vergleich mit 1914 in Europa erlaubt, ist beunruhigend und hetzerisch“, schreibt die Financial Times.
Der unmittelbare Anlass der Spannungen ist der territoriale Streit über einige Felsen in der Ostchinesischen See, die in Japan unter dem Namen Senkaku bekannt sind, und in China als Diaoyu. Aber die Hauptverantwortung für die Verschärfung dieses gefährlichen Brandherdes und ähnlicher Problempunkte in der ganzen Region tragen die Obama-Regierung und ihr Programm „Pivot to Asia“ (Hinwendung zu Asien). Es ist eine Strategie, die auf die wirtschaftliche und diplomatische Isolierung Chinas abzielt und es militärisch einkreisen will.
Washington heuchelt “Neutralität” in dem Gebietsstreit, hat aber mehrfach erklärt, dass die USA ihren Verbündeten Japan in einem Krieg um die Felsengruppe unterstützen würde. Außerdem haben die USA ihre Militärbasen in Japan als Bestandteil des „Pivots“ umstrukturiert und unterstützen Japans Remilitarisierung.
Asien in 2014 weist in der Tat eine beängstigende Ähnlichkeit mit 1914 in Europa auf. Der Erste Weltkrieg entwickelte sich aus den unlösbaren Widersprüchen des Wettstreits um Einflusssphären zwischen den Großmächten. Wie Lenin und Trotzki, die beiden großen Marxisten jener Zeit, erklärten, kennzeichnete das den Beginn der Epoche des Imperialismus, der Epoche des Todeskampfs des Kapitalismus.
Die globale Finanzkrise von 2008, der Zusammenbruch der Weltwirtschaft und die zunehmenden politischen Spannungen machen deutlich, dass der Kapitalismus keinen einzigen der grundlegenden Widersprüche gelöst hat, die den Horror der Zeit vor hundert Jahren hervorgebracht haben.
In den vergangenen Jahren hat der US-Imperialismus einen Aggressionskrieg nach dem anderen – in Afghanistan, im Irak und in Libyen – sowie zahlreiche Intrigen und Provokationen vom Zaun gebrochen. Es ist der verzweifelte Versuch, seinen relativen wirtschaftlichen Niedergang durch militärische Stärke wett zu machen. Die Inthronisierung Obamas als Präsident und sein „Pivot to Asia“ widerspiegeln die tiefe Sorge des amerikanischen Establishments, die Bush-Regierung habe mit ihrer Konzentration auf den Nahen Osten die amerikanische Hegemonie über die Billiglohnländer in Asien, vor allem über China, unterminiert. Diese Länder spielen inzwischen eine zentrale Rolle für die Profite der Wirtschaft.
Unter Obama ermutigen die USA ihre Verbündeten wie Japan und die Philippinen, in ihren Konflikten mit China eine rücksichtslosere Haltung einzunehmen. Washington begann damit, sechzig Prozent seiner Luft- und Seestreitkräfte in den indischen und pazifischen Ozean zu verlegen, und traf als Teil seiner Kriegsvorbereitungen neue Stationierungsabkommen mit Australien und anderen asiatisch-pazifischen Ländern.
In Japan hat der amerikanische “Pivot” dazu beigetragen, die rechte Abe-Regierung ins Amt zu hieven, die innerhalb eines Jahres zum ersten Mal seit zehn Jahren die Militärausgaben erhöhte und die verfassungsmäßigen Schranken für die japanischen Streitkräfte lockerte. Im vergangenen Monat besuchte Abe provokativ den berüchtigten Yasukuni-Schrein, in dem die Kriegstoten des Landes geehrt werden. Der Schrein ist ein veritables Symbol des japanischen Militarismus in den 1930er und 1940er Jahren.
Abe wird von den Interessen des japanischen Imperialismus getrieben, der nicht bereit ist, seine Position als führende Macht in Asien aufzugeben. In seiner Rede in Davos wies Abe Kommentatoren zurecht, die „Japan das Land der untergehenden Sonne“ nannten, und erklärte, „ein neuer Sonnenaufgang“ ziehe herauf. Die zwei Themen seiner Rede waren gleichermaßen aggressiv: die nur schwach verhüllte Kritik an China, sowie scharfe wirtschaftliche Maßnahmen, die Rivalen zurückdrängen und Japan zu einem der „wirtschaftsfreundlichsten Länder der Erde“ machen sollen.
Mit dem Vergleich Chinas mit Deutschland 1914 versucht Abe Peking als gefährliche neue Bedrohung hinzustellen. Aber im Unterschied zu Deutschland ist China keine imperialistische Macht. Trotz der Größe seiner Wirtschaft ist es immer noch ein Billiglohnland, das noch völlig von ausländischen Investitionen und Technologien abhängt und auf die etablierten Zentren des Finanzkapitals angewiesen ist. Auf militärischer Ebene verfügen die USA über eine gewaltige Überlegenheit und ein globales Netz von Stützpunkten und Bündnissen, mit denen sie die chinesischen Interessen in jedem Teil der Welt bedrohen können.
Von den USA seit vier Jahren in die Ecke gedrängt, reagiert die chinesische Führung mit weiteren wirtschaftlichen Zugeständnissen an die Großmächte auf der einen, und der Erhöhung der Militärausgaben und dem verstärkten Anspruch auf Interessen in Gewässern, die unmittelbar an das chinesische Festland grenzen, auf der anderen Seite. Das Regime in Peking heizt anti-japanischen Chauvinismus an, um einerseits die Erhöhung seiner Militärausgaben zu rechtfertigen, und andererseits, um die Aufmerksamkeit von den extremen sozialen Spannungen abzulenken, die drei Jahrzehnte kapitalistische Restauration hervorgebracht haben.
Die Financial Times warnt zwar vor der wachsenden Kriegsgefahr, bietet aber außer impotenten Appellen an „beide Seite, mit dem Säbelrasseln aufzuhören und stattdessen miteinander zu reden“, keine Lösung an. Der Leitartikel ignoriert die Tatsache, dass der amerikanische „Pivot“ die Konfrontation anheizt, und appelliert an Washington, als Stimme des Friedens und der Vernunft einzugreifen. Abe und Xi Jinping „sollten nach einem Weg Ausschau halten, der vom Armageddon wegführt, bevor es zu spät ist“, lautet die Schlussfolgerung.
Aber wie 1914 wird die Kriegstreiberei von den inneren Widersprüchen des Kapitalismus angetrieben, d.h. zum Einen vom Widerspruch zwischen der globalen Wirtschaft und dem veralteten Nationalstaatensystem, sowie dem Widerspruch zwischen dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und der gesellschaftlichen Produktion. Diese Widersprüche brachen 2008 nach dem globalen Zusammenbruch mit aller Macht wieder aus.
Eine Katastrophe für die Menschheit kann nur abgewendet werden, wenn das bankrotte Profitsystem abgeschafft und die Gesellschaft nach sozialistischen Prinzipien umgestaltet wird, um die sozialen Bedürfnisse der großen Mehrheit zu befriedigen, und nicht die Profitinteressen einer winzigen reichen Elite. Die Gefahr eines neuen Weltkriegs unterstreicht die Notwendigkeit, alle Formen von Nationalismus und Patriotismus zurückzuweisen und eine einheitliche, internationale Anti-Kriegsbewegung von Arbeitern und Jugendlichen in China, Japan, den USA und weltweit aufzubauen, die diese dringende Aufgabe ausführen können.