Drohende Deflation stellt die Weltwirtschaft vor neue Gefahren

Es hat nicht lange gedauert bis die optimistischen Neujahrs-Prognosen für ein anziehendes Wachstum der Weltwirtschaft im Jahr 2014 einen schweren Schlag erlitten haben.

In einer Rede vor dem Nationalen Presse Club in Washington am Mittwoch warnte die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, dass stärker werdende deflationäre Tendenzen eine fatale Bedrohung für die Weltwirtschaft darstellten.

“Mit einer Inflationsrate, die unter den Zielen vieler Zentralbanken liegt, stehen wir vor steigenden Risiken einer Deflation, die sich für die Erholung als katastrophal erweisen könnte“, sagte sie. “Wenn die Inflation der Geist ist, dann ist die Deflation der Ungeist, der entschieden bekämpft werden muss.”

Aber das einzige, das Lagarde zu bieten hatte, war eine Fortsetzung der “quantitativen Lockerung” der US-Notenbank und anderer Zentralbanken auf unbestimmte Zeit, die den Banken und Finanzhäusern Billionen Dollar ultra-billigen Geldes zur Verfügung stellt. Diese Politik hat aber nichts dazu beigetragen, um eine echte wirtschaftliche Expansion zu bewirken.

“Die Zentralbanken sollten nur dann zu einer konventionelleren Geldpolitik zurückkehren, wenn sich ein robustes Wachstum fest verwurzelt hat”, sagte sie.

Die Financial Times stellte fest, dass vor dem Hintergrund der Angst der Notenbanker, das Wort “Deflation” auch nur zu erwähnen, Lagarde die erste hochkarätige Entscheidungsträgerin ist, die auf das wachsende internationale Risiko von sinkenden Preisen und einer deflationären Krise hinweist, ähnlich der wie sie die japanische Wirtschaft in den letzten zwei Jahrzehnten heimgesucht hat.

Die Ziel-Inflationsrate der meisten großen Zentralbanken liegt bei zwei Prozent pro Jahr. Aber die Inflation in den USA liegt bei 1,0 Prozent und so ähnlich ist es auch in Japan. Und das nach fast einem Jahr der sogenannten Abenomics. Die Abe-Regierung und die Bank of Japan verfolgen eine Politik der Verdoppelung der Geldmenge des Landes

Die Inflation in Europa ist sogar noch niedriger. Die jährliche Teuerungsrate in der Eurozone sank im Dezember auf nur noch 0,8 Prozent, während die Arbeitslosenquote unverändert bei zwölf Prozent lag.

Die zentrale Sorge von Lagarde und anderen Finanzbeamten ist, dass die Deflation die Grundlagen des Kredit- und Finanzsystems zu untergraben droht. Wenn die Preise fallen oder nur sehr langsam steigen, zögern potenzielle Kreditnehmer, Schulden zu machen, aus Angst, dass ihre reale Schuldenlast sich im Laufe der Zeit erhöhen könnte. Ebenso erhöht die Deflation die Schuldenlast derer, die bereits Kredite aufgenommen haben.

Lagardes Warnungen vor der Deflationsgefahr kam eine Woche nachdem der Präsident der Europäische Zentralbank (EZB), Mario Draghi, erklärt hatte, es sei “zu früh”, die europäische Krise für beendet zu erklären. Er ging dabei auf Kommentare des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso ein, der gesagt hatte, 2014 werde die Euro-Zone die Finanzkrise überwinden.

Draghi sagte, die europäische Wirtschaft bleibe “anfällig”. Die EZB sei “entschlossen, so lange wie nötig eine lockere Geldpolitik beizubehalten.”

Während er das Wort nicht erwähnte, wurde das weithin als ein sicheres Zeichen dafür interpretiert, dass der EZB-Präsident zunehmend über die deflationären Tendenzen in der Eurozone besorgt ist und darüber, dass die Zentralbank unfähig ist, sie umzukehren,.

Stephen King, der Chefökonom der HSBC-Bank, schreibt in der Financial Times: “Mario Draghi hat letzte Woche die Zusicherung gegeben, dass die Euro-Zone nicht wie in Japan vor einem deflationären, verlorenen Jahrzehnt steht, aber seine Zusicherung ist ehrlich gesagt nicht furchtbar überzeugend.”

Er wies darauf hin, dass mit Leitzinsen, die nahe oder tatsächlich bei Null liegen, ein weiterer Rückgang bei der Inflation “die realen Zinsen erhöhen werde, Schulden schwerer tragbar machen und für das Finanzsystem die Gefahr einer Zunahme von notleidenden Kredite bedeuten werde. Ein Finanzsystem, das - wie heute die Euro-Zone - bereits fragil ist, gerät dann in eine noch schlechtere Position. Erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung könnten sich dann als lediglich eine trügerische Hoffnung erweisen.”

Niedrigere Inflation führt zu geringerem Wachstum, stellte er fest, während das “Kreditsystem langsam erstickt wird.”

Lagardes Standpunkt, dass jetzt nicht die Zeit sei, die Unterstützung der US-Notenbank für die Finanzmärkte zu beenden, wurde am gleichen Tag auch vom Präsidenten der Chicago Federal Reserve, Charles Evans, geteilt.

An mehreren Stellen in seiner Rede bekräftigte er, dass die “sehr expansive” Geldpolitik der Fed “für einige Zeit” in Kraft bleiben müsse und fügte hinzu, dass “wir eine außergewöhnliche Geldpolitik brauchen, um die bevorstehende Aufgabe zu beenden.”

In der offiziellen Version besteht die “Aufgabenstellung” darin, die US-Wirtschaft zu einst auf “normal” gehaltene Wachstumsraten zurückzuführen, und die Arbeitslosigkeit zu senken. Aber diese Aufgabe wird in keiner Weise erfüllt.

Zwar ist die offizielle amerikanische Arbeitslosenquote im vergangenen Jahr gefallen, aber das liegt vor allem daran, dass immer mehr Menschen aufgrund der Knappheit der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze einfach aus der aktiven Erwerbsbevölkerung herausgefallen sind. Mit anderen Worten, die amerikanische Wirtschaft funktioniert immer perverser und eine niedrigere Arbeitslosenrate weist in Wirklichkeit auf eine Verschlechterung der Wirtschaftslage für Millionen von Menschen hin.

Die einzigen Nutznießer des Programms der Fed sind die Super-Reichen, die tatsächlich von der anhaltenden und sich verschärfenden Krise profitieren. Am Donnerstag berichtete das Wall Street Journal unter der Überschrift “Aktienprämien für Banker ziehen an” von steigenden Boni für amerikanische Banker. Die Goldman Sachs Boni, bemerkte die Zeitung, seien im vergangenen Jahr aufgrund des gestiegenen Aktienkurses der Bank um sechshundert Millionen US-Dollar gestiegen.

Wie Lagarde in ihrer Rede einräumte, sind in den USA seit 2009 rund 95 Prozent der Einkommenszuwächse an das oberste Prozent der Bevölkerung gegangen. “Das ist kein Rezept für Stabilität und Nachhaltigkeit”, sagte sie.

Das globale Wachstum “kriecht dahin”, warnte sie. Und es habe sich eine zunehmende Abhängigkeit von den Schwellenländern entwickelt, die “die Weltwirtschaft über Wasser halten”. In den letzten fünf Jahren seien sie für drei Viertel des weltweiten Wachstums verantwortlich, aber jetzt verlören eine wachsende Zahl von Schwellenländern an Fahrt.

Ein Bericht der Weltbank von dieser Woche zeigt, dass jede plötzliche Schließung des Finanzhahns in den wichtigsten kapitalistischen Ländern dazu führen könnte, dass diese Regionen mehr als achtzig Prozent der Kapitalströme verlieren könnten, was große wirtschaftliche Schäden verursachen und Länder in die Krise treiben könnte.

Weit entfernt von einer “Erholung” haben die ersten Wochen des neuen Jahres klar gemacht, dass der globale Zusammenbruch des kapitalistischen Systems voranschreitet und weitere verheerende Folgen für die internationale Arbeiterklasse haben wird.

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